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Sydney im Weltjugendtagswahnsinn

Eine knappe Woche lang befand sich Sydney beinahe im Ausnahmezustand. Die Stadt war 2005 als Nachfolger von Köln zum Ausrichter der Weltjugendtage erkoren worden und beherbergte nun sechs Tage lang einige Hunderttausende katholische Jugendliche aus aller Welt. Eine Stadt ganz im Trubel des Weltjugdentagswahnsinnes.

Das Konterfei von Papst Benedikt auf der Harbour Bridge.

Das Konterfei von Papst Benedikt auf der Harbour Bridge.

Zwar scheinen Schätzungen keine australische Stärke zu sein, denn es kamen wie schon zu den Olympischen Spielen 2000 weniger Besucher nach Sydney, als man erwartet hatte. Dennoch reisten genug Pilger an, um das Stadtbild entscheidend zu prägen.

Je näher der offizielle Veranstaltungsbeginn rückte, desto bunter wurden die Straßen. Gruppen und Grüppchen zogen mit ihren gelb-roten Pilger-Rucksäcken kreuz und quer durch die City und machten mit ihren mitgebrachten Landesflaggen und ihren Gesänge klar, dass sie die Stadt für wenige Tage in der Hand zu haben gedachten. Ich fühlte mich sogar ein bisschen an die Fußball-WM 2006 in Deutschland zurückerinnert. Ganze Straßenzüge wurden gesperrt und der öffentliche Nahverkehr stand Kopf.

Kreischende Mädchengruppen & Merchandising-Maschinerie

Die Pilger brachten eine noch positivere Stimmung in die Stadt, als sie in Sydney meiner Empfindung nach ohnehin schon vorherrscht. Sehr hochtonig kreischende und kurz vor einem hysterischen Anfall stehende lateinamerikanische Mädchengruppen muss man dafür wohl ganz einfach hinnehmen!

Jugendliche aus aller Welt.

Jugendliche aus aller Welt.

Selbst zwar eher nur so etwas wie ein Gelegenheitskatholik und auch schon im Weltjugendtags-Seniorenalter interessierte mich dieses Großereignis aber dennoch. Allein schon der Tatsache, dass mit dem Papst eine Persönlichkeit von großer zeitgeschichtlicher Bedeutung in der Stadt war, konnte ich etwas abgewinnen.

Natürlich fand ich auch vom ersten Tag an Aspekte, die mich störten – etwa die allseits präsente vatikanische Merchandising-Maschinerie oder der Umgang der australischen Landeskirche mit dem Thema sexueller Missbrauch durch Priester. Nichtsdestotrotz stürzten wir uns – zufällig hatten wir gerade in dieser Woche Besuch aus Deutschland – ab Donnerstag tief in den ganz normalen Weltjugendtagswahnsinn.

Papstfrei im Hafen

An diesem Tag kam Papst Benedikt in der Stadt an und in der Redaktion gab es „papstfrei“. Wir platzierten uns mit Verpflegung und bayerischer Beflaggung an einer der Landzungen im Hafen, an der die Yacht, die das Kirchenoberhaupt benutzte, vorbei kommen sollte.

Leider konnte man den Papst auf dem großen Schiff nicht erspähen, und wir bekamen Benedikt auch erst zu sehen, als er mit dem Papamobil durch die Stadt fuhr. Dafür erlebten wir aber dennoch einen Tag mit Picknick und wunderbarem Wetter. Und plötzlich waren wir auch noch kleine Stars. Das lag aber weniger an uns selbst, als an der weiß-blauen Flagge, die wir als stolze Bajuwaren mitführten.

Die weiß-blauen Rauten sind am südöstlichen Ende der Welt – aber auch offenbar wo anders – etwa so bekannt, wie in bayerischen Breitengraden die Farben Vanuatus oder Papua-Neuguineas. Dies machte uns zum allseits gefragten Motiv. Egal ob Mexikaner, US-Amerikaner oder Indonesier, alle wollten ein Foto mit uns. Man kam, derart geschmückt, kaum einige Meter weit, schon wurde man angesprochen: „Where are you from?“ oder „What flag is this?“ Einige Straßenarbeiter wollten uns sogar die Hand schütteln. Zunächst haben wir uns noch auf jede Frage brav als Bayern zu erkennen gegeben, doch irgendwann wurde das zu langweilig.

Wir haben begonnen, Gegenfragen zu stellen: „What do you think?“ oder einfach nur „Guess?“ Jetzt wurde es richtig interessant. Antworten wie Italien, die Normandie oder Luxemburg kamen unserer Heimat noch am nächsten. Warum eine Dame meinte, die Flagge sei so detailliert, sie müsse bestimmt aus den USA kommen, bleibt aber ihr Geheimnis. Auch der Hinweis, wir kämen aus dem Land, aus dem Papst Benedikt sei, half den meisten der eifrigen Frager nur wenig weiter. Polen und der Vatikan waren nun die häufigsten Antworten.

Zwei Nonnen am Strand von Manly.

Zwei Nonnen am Strand von Manly.

Sogar ein Reporter des „Sydney Morning Herald“ interessierte sich für uns, aber noch mehr für unsere Beflaggung. Scheinbar aber dann doch nicht so sehr, dass wir in seinem Artikel vorgekommen wären. Guatemala und Quebec waren für ihn dann wohl doch noch ein Stück interessanter.

Das Meer sehen

Waren dies für mich die erheiterndsten Momente des Weltjugendtages, gab es auch Augenblicke, die unter die Haut gingen. Am Strand von Manly freute sich eine Nonne so sehr, das Meer zu sehen, dass man glauben konnte, es wäre ihre erste Begegnung mit dem Ozean. Vielleicht war es das aber auch.

Sudanesische Pilger tanzen und singen auf der Harbour Bridge.

Sudanesische Pilger tanzen und singen auf der Harbour Bridge.

Mein persönlicher Höhepunkt war der Pilgrimage Walk am Samstag. Zig tausende junge Pilger zogen kilometerweit vom Norden der Stadt auf das Gelände der Abschlussveranstaltung in Sydneys Süden. Die Harbour Bridge wurde für den Straßenverkehr gesperrt und in ihrer gesamten Breite von den Pilgerströmen genutzt. Diese mächtige Brücke verlieh der Wallfahrt eine mehr als würdige Kulisse. Zu sehen, welche Lebensfreude die jungen Menschen aus der ganzen Welt verbreiteten, machte riesigen Spaß. Besonders zwei Gruppen aus dem krisengebeutelten Sudan und von den Fidschi-Inseln beeindruckten uns mit ihren Gesängen und verursachten Gänsehaut.

Auch die Hochbauarbeiter an einem an der Strecke stehenden Gebäude schien diese Szenerie zu beeindrucken, zimmerten sie sich doch aus zwei Holzlatten flugs ein Kreuz und grüßten damit die Pilgerscharen.

Bayerische Pilger beim Abschlussgottesdienst.

Bayerische Pilger beim Abschlussgottesdienst.

Müder Abschlussgottesdienst

Der Abschlussgottesdienst am Sonntagvormittag, den ich – nachdem ich die Vigil-Andacht am Samstag genauso wie den mehr als kitschigen und an einen drittklassigen Sandalenfilm erinnernden Kreuzweg ausgelassen hatte – wieder besuchte, kam nach meinem Empfinden an die Intensität des Pilgrimage Walks nicht mehr heran. Die Mischung aus Pop-Konzert und Gottesdienst, sprach mich nicht wirklich an. Und dass Einige nach einer kalten Nacht im Freien auch nur gelangweilt herumlagen oder gar schliefen, war ihnen zwar nicht zu verdenken, ließ bei mir aber keine besonders feierliche Stimmung aufkommen. Endgültig damit vorbei war es aber als wir aufgrund eines sehr fragwürdigen „Pilger-Leitsystems“ knapp zwei Stunden brauchten, um das Gelände zu verlassen.

Mittlerweile sind die Weltjugendtage vorbei, die Busse wieder leerer, Papst Benedikt wohlbehalten in Rom angekommen, und viele der Pilger auf einer Anschluss-Reise durch Australien. Wir hingegen bleiben noch ein paar Monate in Sydney – jetzt aber immerhin mit päpstlichem Segen und den Erfahrungen aus den heiteren Zusammenkünften mit der Jugend der Welt.

Fotos: Kathrin Schierl

Raushier-Reisemagazin

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