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Im Vorgarten der Pinguine

Kleiner Flossentaucher ganz groß: Die kleinsten Pinguine der Welt können Touristen auf Phillip Island in Australien hautnah erleben. Mit Nachtsichtgeräten und Kopfhörern gehen sie abends auf die Pirsch – und erleben das Gewatschel und Geschnatter eines tierischen Feierabendverkehrs.

Frühestens in der Dämmerung kehren die Zwergpinguine zurück.

Frühestens in der Dämmerung kehren die Zwergpinguine zurück.

Der Sonnenuntergang brennt feuerrot. An einem abgesperrten Strand sitzen zehn Naturfreunde im Sand, atmen salzige Meeresluft und warten. Lange passiert gar nichts. Irgendwann aber, es dämmert bereits, verfärbt sich der ruhig vor sich hin wogende Ozean an einigen Stellen dunkel und verheißt endlich Bewegung. Doch so groß kann eigentlich kein Pinguin sein, erst recht kein Zwergpinguin. Das weiß sogar der Laie.

Es ist auch nicht nur ein Pinguin, es sind jeweils gleich einige Dutzend, die da nach einem langen Tag auf hoher See zurück gen Strand streben. Die erwartungsfrohen Teilnehmer dieser Pinguin-Privataudienz starren nun ganz ungläubig aufs Wasser und realisieren langsam, dass sich gerade ein ziemlich einzigartiges Stelldichein mit der Natur anbahnt.

Auf Phillip Island, gut 90 Autominuten südlich von Melbourne gelegen, gibt es Koalas, Seehunde, einmal im Jahr einen Lauf der Motorrad-Weltmeisterschaft – und die Pinguine. Jährlich etwa 500.000 Gäste locken allein die maximal 33 Zentimeter großen Frackträger in den Phillip Island Nature Park. Die meisten Touristen begnügen sich mit dem „Penguin Parade“ titulierten Standardprogramm am 1988 eröffneten Besucherzentrum. Ohne großen Trubel geht es dabei nicht: Hunderte, manchmal Tausende Schaulustige sitzen auf großen Tribünen am Strand und warten, meist lärmend, auf die Stars des Abends. Ein Spektakel im Massenbetrieb – nicht unbedingt jedermanns Sache.

Ganz anders die Ultimate Tour: Für die Gruppe mit maximal zehn Teilnehmern ist ein eigener, etwas abgelegener Strand reserviert. Ausgerüstet wie für eine Expedition geht es nach einem kurzen Einführungsvortrag los. Jeder der neuen Pinguin-Freunde bekommt Nachtsichtgerät, Kopfhörer, Regenkleidung und eine Taschenlampe, dann geht es im Auto zum zwei Kilometer entfernten Strand.

Der Geschäftsführer am Steuer

„Ich übernehme diesen Job manchmal, um zu sehen, ob an der Pinguin-Front alles seinen bewährten Gang geht“, erzählt Mark Mankeit seinen im Fond des Mittelklassewagens zusammengequetschten Fahrgästen. Der heutige Chauffeur der Gruppe ist hauptberuflich Geschäftführer des Phillip Island Nature Parks. Dass er sich prompt verfährt, macht ihn nicht weniger sympathisch.

Im Vorgarten der Pinguine.

Im Vorgarten der Pinguine.

Am Strand angekommen, übernimmt Ranger Richard Dakin das Regiment. Er kommuniziert nun über die Kopfhörer mit seinen Gästen, erzählt vieles über Pinguine und deren Lebensgewohnheiten und warnt davor, auf dem Rückweg eines der Tiere zu Tode zu trampeln: „Ihr müsst aufpassen, die kleinen Kerle sind dann überall.“ Die Zuhörer trotten im Gänsemarsch hinterher, durch tiefen Sand geht es an eine Düne am ausgetrockneten Lauf eines Baches. Bester Blick auf das Meer inklusive.

So geordnet wie heute ging es auf den Touren nicht immer zu. Bereits in den zwanziger Jahren begannen geschäftstüchtige Inselbewohner, ihren Gästen aus Melbourne und anderen Regionen Australiens die Pinguine zu zeigen. Nachdem die Insel 1940 durch eine Brücke mit dem Festland verbunden worden war, nahm der Pinguin-Tourismus immer schädlichere Ausmaße an.

Die Erdlöcher der Tiere wurden zerstört, ihr Lebensraum eingeschränkt. Ihre Zahl ging kontinuierlich zurück. Ab den sechziger Jahren wuchs die Einsicht, dem Einhalt zu gebieten. Zäune und Beobachtungsplattformen wurden errichtet, später beschlossen die Behörden, die Summerland-Halbinsel im Südwesten von Phillip Island mehr oder minder komplett den Pinguinen zu überlassen.

Die Ultimate Tour wird nur in kleinen Gruppen durchgeführt.

Die Ultimate Tour wird nur in kleinen Gruppen durchgeführt.

Die Regierung des Bundesstaates Victoria startete ein Schutzprogramm, wodurch die Bewohner des zuvor dicht besiedelten Landzipfels ihre Häuser fortan nur noch an den Staat verkaufen durften, der die Anwesen renaturalisierte. Seitdem wächst die Pinguin-Population auf Phillip Island wieder langsam. Heute stehen auf der Summerland-Halbinsel nur noch eine Handvoll Wochenendhäuser, die Zufahrt ist in der Dunkelheit zum Schutz der nachtaktiven Tiere verboten. Seit 1968 gibt es ein intensives Forschungsprogramm über Eudyptula minor, wie der Zwergpinguin auf Lateinisch heißt.

Gemeinsam stark

„Die Pinguine kehren immer in größeren Gruppen an Land zurück. Das schützt sie besser vor Angriffen von Raubvögeln oder Füchsen“, brummt Ranger Dakins Stimme aus den Kopfhörern. Das erklärt die sich Richtung Strand bewegenden dunklen Flecken auf dem Wasser. Plötzlich erhebt sich im dämmrigen Licht der erste Pinguinkopf aus den Fluten.

Doch nur einer der Vögel schafft es an Land, seine Artgenossen werden von einer Welle zurück ins Meer gespült. Eine gefährliche Situation für den kleinen Flossentaucher, doch nach einem anstrengenden Tag auf Fischfang scheint er schnell in seinen Bau zu wollen und watschelt im Dämmerlicht alleine los. „Das ist selten“, sagt der Ranger. „Normalerweise trauen sie sich nicht alleine über den Strand und kehren eher zu ihrer Gruppe zurück, als dass sie einen Alleingang wagen.“

Auf Phillip Island leben die kleinsten Pinguine der Welt.

Auf Phillip Island leben die kleinsten Pinguine der Welt.

Die nächsten Zwergpinguine warten tatsächlich, bis sich kleine Gruppen bilden. Mit bis zu zwei Dutzend Artgenossen watscheln und schwanken sie die 30 sandigen Meter zurück in ihre Kolonie. Der gerade noch so ruhig und beinahe leblos daliegende Strand verwandelt sich in das Pinguin-Äquivalent zum Feierabendverkehr: überall Zwergpinguine in kleinen oder größeren Trupps.

Auf langsamere Artgenossen wird solidarisch gewartet, so viel Zeit muss sein. Dass die an der Düne lehnenden Beobachter dabei praktisch im Vorgarten der nach Hause Hetzenden sitzen, stört diese gar nicht. Einige watscheln seelenruhig sogar näher als zwei Meter an den Schaulustigen vorbei und beginnen, im trauten Heim angekommen, alsbald mit lautem Quaken und Schnattern. Mit der Ruhe am Strand ist es jetzt endgültig vorbei.

Nachdem die Dunkelheit nun vollends hereingebrochen ist, können Ranger Dakin und seine Gruppe im Mondlicht mit bloßem Auge nur noch die Zwergpinguine sehen, deren Heimweg unmittelbar an ihnen vorbeiführt. Nun kommen auch die Nachtsichtgeräte zum Einsatz. Wie Soldaten auf nächtlicher Spähtour wirken die menschlichen Besucher – wer die Tiere in Grün-Schwarz beobachtet, fühlt sich jetzt doch wie ein Eindringling im Wunderreich der Natur.

Informationen: www.penguins.org

Fotos: Phillip Island Nature Park

Raushier-Reisemagazin

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