zurück



Tongariro: Grüße aus dem Inneren der Erde

Der Tag ist kristallklar, die Lungenflügel blasen sich mit frischer Bergluft auf, die Sonne schickt warme Strahlen. Am Horizont zeichnet sich der Gipfel des Mount Taranaki ab, schneebedeckt und mehr als 150 Kilometer entfernt. „Das ist selten”, sagt Bergführer Stewart Barclay. „Wir haben heute traumhafte Bedingungen.”

Knapp 20 Kilometer sind auf der Tongariro Crossing zu bewältigen. Hinten der Mount Ngauruhoe, der Schicksalsberg aus dem Film "Der Herr der Ringe". Foto: Kathrin Schierl

Knapp 20 Kilometer sind auf der Tongariro Crossing zu bewältigen. Hinten der Mount Ngauruhoe, der Schicksalsberg aus dem Film „Der Herr der Ringe“. Foto: Kathrin Schierl

Die Tongariro Crossing gilt als schönste Tageswanderung Neuseelands. Als Kulisse im Zentrum der Nordinsel dienen der knapp 20 Kilometer langen Tour die drei Vulkane Mount Ruapehu, Mount Ngauruhoe und Mount Tongariro.

Die Tour startet auf 1100 Höhenmetern, die ersten eineinhalb Stunden gleichen einem lockeren Spaziergang nach dem Kaffee am Sonntagnachmittag. Der Weg führt durch eine Landschaft aus schwarzem Vulkangestein. Der Mount Ngauruhoe kommt immer näher, ein Bilderbuchvulkan mit perfektem Kegel. An seinen Hängen liegt Schnee – obwohl Ende Oktober schon der Sommer der Südhalbkugel vor der Tür steht.

Noch drei Tage zuvor hatte es geschneit, alle Routen im Nationalpark waren gesperrt. „Unter diesen Bedingungen zu gehen, wäre verrückt“, hatte ein freundlicher Herr in der Touristeninformation gewarnt. Nun ist die Wanderung aber möglich. Und außerdem ist ja Stewart, kurz Stew, dabei. „Wir geben euch Eispickel mit. Wahrscheinlich braucht ihr sie gar nicht, aber auf Fotos sieht das super aus”, hatte er vor dem Start gescherzt.

„Langweilig ist die Strecke nie“

Stew hat schwarzes, kurzgeschorenes Haar, an den Schläfen ist es graumeliert. Er ist vielleicht Mitte 40, trägt eine lässige Sonnenbrille, auf dem Rücken einen großen Bergsteigerucksack und natürlich kurze Hosen. Wie sich das eben für einen Neuseeländer gehört.

Die Tongariro Crossing gilt als der schönste Eintageswanderweg Neuseelands. Geheimnis ist dies keines. Weil die Strecke häufig überlaufen ist, wird sie oft als "Wanderautobahn" verspottet. Foto: Kathrin Schierl

Tongariro Crossing gilt als der schönste Eintageswanderweg Neuseelands. Geheimnis ist dies keines. Weil die Strecke häufig überlaufen ist, wird sie oft als „Wanderautobahn“ verspottet. Foto: Kathrin Schierl

Die Tongariro Crossing geht er mit Wanderfreunden aus aller Welt fast jeden Tag – wenn es das Wetter erlaubt. „Langweilig wird die Strecke nie. Für mich ist das einer der schönsten Arbeitsplätze der Welt.“

Langsam wird der Atem für ausführliche Gespräche knapp. Es wird steiler: Devil’s Staircase, des Teufels Treppenhaus. 45 Minuten in Serpentinen nach oben, durch erstarrte schwarze und rostbraune Lavaströme, die von längst vergessenen Ausbrüchen künden. Der Schweiß fließt. Über lange Passagen gibt es Stufen. Die Strecke ist beliebt, oft überlaufen, der Weg deshalb gut präpariert.

Die Vulkane sind aktiv

Der Mount Ngauruhoe raucht gemächlich vor sich hin. Foto: Kathrin Schierl

Der Mount Ngauruhoe raucht gemächlich vor sich hin. Foto: Kathrin Schierl

Oben angekommen werden die Augen zu schmalen Schlitzen. Die Sonne blendet, im South Crater, den alle Wanderer durchqueren müssen, liegt Schnee. Eine weite, weiße Ebene, die Eiskristalle reflektieren erbarmungslos. Wo die Strahlen des Planeten schmale Streifen in die Schneedecke gebrannt haben, durchbricht der dunkle Kraterboden die weiße Wüste – eine marmorierte Vulkanlandschaft bei Kaiserwetter. An der rechten Flanke thront der Ngauruhoe, der Schicksalsberg im Filmepos „Der Herr der Ringe“. Er raucht in den blauen Himmel. Alle drei Vulkane sind aktiv. „Bald bricht er aus”, lacht Stew. 1977 war das zum letzten Mal kein Scherz, beim Ruapehu ist es gar erst gut drei Jahre her.

Der Abstieg zu den Emerald Lakes. Foto: Kathrin Schierl

Der Abstieg zu den Emerald Lakes. Foto: Kathrin Schierl

Noch einmal geht es hinauf, über den schmalen Grat braust der Wind. Der Weg wird zum Pfad, immer wieder verschwindet er mehrere Meter lang unter Schnee. Das macht die Tritte unsicher, manchmal kommt der Pickel nun doch zum Einsatz – und sei es nur, um sich an etwas klammern zu können. Bei knapp 1900 Metern ist der höchste Punkt der Tour erreicht, der Red Crater. Wie roter Samt spitzt sein Schlund durch den Schnee.

Seen wie Smaragde: die Emerald Lakes

Der Blick fällt auf die Emerald Lakes. Die drei Seen schimmern als grünblaue Farbtupfer im Kontrast zum gleißenden Weiß. Der Hang zu ihnen hinunter ist ein perfekter Platz für die Mittagspause: windgeschützt, frei von Schnee und mit eingebauter Sitzheizung. Die Erde ist wohlig warm – dem Vulkan sei Dank. Vielleicht zwei Kilometer in der Ferne wird der Blue Lake seinem Namen nicht gerecht. Er ist zugefroren und sieht aus wie eine Autoscheibe nach einer langen Winternacht. Bei solch einer Aussicht wird jedes noch so pappige Sandwich zu einem Festmahl.

Red Crater (vorne) und Mount Ngauruhoe. Foto: Kathrin Schierl

Red Crater (vorne) und Mount Ngauruhoe. Foto: Kathrin Schierl

Vorbei an den Ufern des sonst so blauen Sees, dann folgt ein langer Abstieg, hinunter auf 700 Höhenmeter. Der Schnee wird zu Matsch, die Wanderstiefel patschen hindurch. Irgendwann verschwindet er. Dafür dringt nun ein beißender Geruch in die Nase. Aus Löchern in der Erde steigt Dampf empor. Heiße Quelle bringen einen Gruß aus dem Erdinneren mit nach oben, es stinkt erbärmlich nach Schwefel. So verabschiedet sich eben ein Vulkan.

Informationen: Der Tongariro Nationalpark liegt etwa 320 Kilometer nördlich der Hauptstadt Wellington auf Neuseelands Nordinsel. Übernachtungsmöglichkeiten gibt es etwa im Ort Nationalpark Village. Bei optimalen Wetterbedingungen kann man die Tongariro Crossing auch alleine wandern, muss sich aber einen Transport organisieren, da der Startpunkt nicht gleich dem Ziel der knapp 20 Kilometer langen Wanderung ist. Bei einer geführten Tour ist der Transport genauso wie etwaige Ausrüstung und Verpflegung inklusive. Viel Erfahrung bringt Stewart Barclay mit, seine Touren (auch bei Schnee möglich) kosten 199 neuseeländische Dollar (etwa 110 Euro), deutlich weniger aber, wenn man sich einer Gruppe anschließt. Kontakt unter: adriftnz@xtra.co.nz

Raushier-Reisemagazin