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„Da soll noch einer sagen, ich mach‘ keine eigenartigen Sachen“

In Bad Bayersoien steht das größte hängende Museum Deutschlands und sein Initiator ist sogar im Guinnessbuch der Rekorde verewigt. Der Altbayer sagt auf seine unnachahmlich herzliche Art „A oids Glump“ und der oft vorlaute Franke „Su a Graffl“. Der Norddeutsche dagegen würde sich nicht ganz so despektierlich ausdrücken, es vielleicht mit „ziemlich alte Sachen“ umschreiben, aber genau dasselbe meinen und genauso darüber denken. Wer also auf „Raritäten“ der vergangenen 170 Jahre steht, der muss den Maier Sepp besuchen und dem größten hängenden landwirtschaftlichen Museum Deutschlands einen Besuch abstatten.

Zu Lebzeiten schon in Holz verewigt: Sepp Maier, rechts das Original. - Foto: Dieter Warnick

Zu Lebzeiten schon in Holz verewigt: Sepp Maier, rechts das Original. – Foto: Dieter Warnick

Die Rede ist natürlich nicht vom ehemaligen Nationaltorwart selbigen Namens, der mitunter auch den einen oder anderen Spleen hat(te), sondern vom Maier Sepp aus Bad Bayersoien, einem 1200-Einwohner-„Nest“ im Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Unweit des idyllischen Soier Sees liegt der Lötschmüllerhof, der seit 1840 von der Familie Maier in vierter Generation bewirtschaftet wird. Dort also hat sich der heute 75-Jährige Unruhegeist, den jeder nur Lötschmüller Sepp nennt, eine Örtlichkeit geschaffen, die den Besucher voller Erstaunen den Kopf schütteln lässt. Zeit sollte man auf jeden Fall mitbringen. Und sogar bis ins Guinnessbuch der Rekorde hat es der Sepp geschafft! Davon später mehr.

Der Lötschmüllerhof – hier ein Nebengebäude – ist seit 1840 im Besitz der Familie Maier. - Foto: Dieter Warnick

Der Lötschmüllerhof – hier ein Nebengebäude – ist seit 1840 im Besitz der Familie Maier. – Foto: Dieter Warnick

Der Lötschmüller Sepp (Jahrgang 1942) ist ein richtiges Original, und er hat von 1975 an bis zum Jahr 2007 alles, was auch nur im Entferntesten mit Werkzeugen zu tun hatte, selbst zusammengesammelt oder sich von Freunden und Bekannten, die mit dem „oidn Glump“ nichts mehr anfangen konnten, schenken lassen. „Die waren froh, wenn sie das Zeug los hatten,“ lacht Maier. Dann hat er das Meiste davon – denn Mauern und Wände gibt es in dem Anwesen zuhauf – aufgehängt, angeheftet, anmontiert, angenagelt. Und den Rest, ja auch nicht gerade wenig, in jeder zur Verfügung stehenden Ecke und in jedem noch so entfernten Winkel aufgestellt, gestapelt, angeknotet, festgeschraubt. Ein Sammelsurium der besonderen Art. „Ich hasse einfach leere Wände“, sagt der Sepp trocken.

Marianne zieht die Reißleine

Dieser Eisenräderzaun ist mit 100 Metern in seiner Art der Längste in ganz Europa. - Foto: Dieter Warnick

Dieser Eisenräderzaun ist mit 100 Metern in seiner Art der Längste in ganz Europa. – Foto: Dieter Warnick

Bis seine Frau die Reißleine gezogen hat. „Mit 65, also im Jahr 2007, hab` ich meiner Marianne versprechen müssen, dass ich mit dem Sammeln aufhöre. Das hab ich dann auch getan.“ Ob er das ganz freiwillig gemacht hat, oder ob vielleicht der häusliche Frieden auf dem Spiel gestanden hätte, wenn er sich nicht an das Machtwort seiner Gattin gehalten hätte, verrät der rastlose und umtriebige Mittsiebziger nicht. Auch nicht, dass die Sammelleidenschaft ja eigentlich eine Lebensaufgabe ist. Ein bisschen schwer ums Herz muss ihm damals vor zehn Jahren schon gewesen sein, wenn er wehmütig sagt: „Wenn andere etwas wegwerfen, sollte es jemanden geben, der das aufhebt.“

Selbst dieser knorrige Baum dient als Ausstellungsobjekt. Er steht in einer alten Hütte und wächst aus dem Dach heraus. - Foto: Dieter Warnick

Selbst dieser knorrige Baum dient als Ausstellungsobjekt. Er steht in einer alten Hütte und wächst aus dem Dach heraus. – Foto: Dieter Warnick

„Ich bin ja Landwirt“, sagt das ‚Soiener Urgestein‘ ganz pragmatisch, „ich wollte kein Sammler werden.“ Aber erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. „Wenn andere im Dorf entrümpelt haben, dann hab‘ ich die Sachen halt genommen.“ Diese ungewollte Besessenheit des Lötschmüller Sepp hat sich dann in Windeseile in der ganzen Gegend herumgesprochen, und so sind in über 30 Jahren unzählige, oft auch unnütze Dinge, zusammengekommen.

Eine luftgetrocknete Katze hängt seit 40 Jahren an dieser alten Holzwand. - Foto: Dieter Warnick

Eine luftgetrocknete Katze hängt seit 40 Jahren an dieser alten Holzwand. – Foto: Dieter Warnick

„Ich weiß nicht, wieviele Gegenstände es sind, ich kann nicht mal raten.“ In der Tat, es können 10 000, 500 000 oder noch viel mehr Objekte sein, „auf jeden Fall“, so Maier, „hat sich noch niemand gefunden, der das alles zählt.“ Im Übrigen auch niemand, der nach seinem Ableben dieses Vermächtnis verwaltet. „Wer das Ganze irgendwann einmal weiterführt, darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht.“

Am Lötschmüllerhof gibt es also nichts, was es nicht gibt. Zum Beispiel ein Fahrrad, das oval fährt (es eiert gewaltig), und ein Feuermelderrad. Oder eine Kutsche, mit der Sepps Eltern zu ihrer Hochzeit gefahren sind, im Jahr 1941 war das. An einer Wand hängt eine luftgetrocknete Katze, und das schon seit 40 Jahren, und an einer anderen Mauer unzählige Schilder mit den skurrilsten Sprüchen wie „Bauer sucht Frau mit Traktor – Bild von Traktor erwünscht“.

Wurstspritze, T Odelschieber, Mistbreiter

Diese Werkzeugsäule wurde vom Lötschmüller Sepp selbst konstruiert und mit den verschiedenartigsten Utensilien zusammengeschweißt; sie ist gut zweieinhalb Meter hoch. - Foto: Dieter Warnick

Diese Werkzeugsäule wurde vom Lötschmüller Sepp selbst konstruiert und mit den verschiedenartigsten Utensilien zusammengeschweißt; sie ist gut zweieinhalb Meter hoch. – Foto: Dieter Warnick

Zu begutachten sind ferner Raritäten wie Handbohrmaschine, Wurstspritze, Torfschubkarre, Odelschieber, Mistbreiter, Lederpresse, die kleinste Melkmaschine der Welt und eine zweieinhalb Meter hohe Werkzeugsäule mit Werkzeugen aus den Jahren 1850 bis 2000, die der „Meister“ selbst konstruiert und zusammengeschweißt hat. Und einen Grabstein mit der Aufschrift, dass der Verstorbene „Rollmüller“ gewesen sei. Selbst das Internet kann bei dieser Berufsbezeichnung keine Antwort geben…

An anderen Gerätschaften mangelt es ebenfalls nicht, ganz im Gegenteil. Zu Hunderten hängen Sägen, Hufeisen, Zangen, Hämmer, Feilen, Zahnräder, Riemenscheiben und vieles andere mehr herum. Alles aufzuzählen geht überhaupt nicht. Und an nicht-handwerklichen „Ausstellungsgegenständen“ gibt es Wurzeln und Schuhe, Radios und Fernseher, Leuchten und Lampen, und, und, und…

Bis unter das Dach ist jeder Winkel mit alten und uralten Gerätschaften "vollgestopft". - Foto: Dieter Warnick

Bis unters Dach ist jeder Winkel mit alten Gerätschaften „vollgestopft“. – Foto: Dieter Warnick

Besonders stolz ist der Lötschmüller Sepp auch darauf, dass es ihn schon als Holzstatue gibt („das ist schon selten, dass ein Bauer, wie ich einer bin, zu Lebzeiten geschnitzt und damit verewigt ist“) und vor allem auf einen Zaun, der der längste Eisenräderzaun in ganz Europa ist. Auf 100 Metern hat er die Räder von 100 Gabelheuwendern und Schwaderechen zu einem Gartenzaun verbaut. Eine wahre Glanzleistung, auf die der Landwirt mit recht stolz ist. „Da soll noch einer sagen, ich mach keine eigenartigen Sachen“.

Eintrag ins Guinnessbuch

Dieses alte Gefährt diente im Jahr 1941 als Hochzeitskutsche für Sepp Maiers Eltern. - Foto: Dieter Warnick

Dieses alte Gefährt diente im Jahr 1941 als Hochzeitskutsche für Sepp Maiers Eltern. – Foto: Dieter Warnick

Jetzt zum Eintrag im Guinnessbuch: Die Maiers, soviel sollte man wissen, wohnen auf historischem Grund und Boden. Die Herren des nicht allzu weit entfernten Klosters Ettal hatten nämlich im Jahr 1691 dort, wo heute das Bauernhaus und diverse Scheunen und Schupfen stehen, ein Erholungsheim errichtet, das die Ettaler Mönche (auch deren Gäste) und die Adeligen der Ritterakademie des Klosters (und ihre Lehrer) bis 1803 mit großer Freude nutzten. Die Örtlichkeit war sehr geschickt gewählt, wurde das Heim doch zwischen den beiden Seen, die es damals in Bayersoien gab – heute gibt es nur noch den unteren See – errichtet. Bald wurde das Anwesen nur noch „Seeburg“ genannt. 1803, nach der Säkularisation, ging der Besitz an den bayerischen Staat über, der ihn bald darauf versteigerte. Als die Liegenschaft an die Familie Maier überging, wurde der Hausname in Lötschmüllerhof geändert.

Vom Hufeisen bis zur Zange, vom Hammer bis zur Feile: im Lötschmüllerhof gibt es nichts, was es nicht gibt. - Foto: Dieter Warnick

Vom Hufeisen bis zur Zange, vom Hammer bis zur Feile: im Lötschmüllerhof gibt es nichts, was es nicht gibt. – Foto: Dieter Warnick

Die Besonderheit des Hauses bestand nun darin, dass es unter der „Seeburg“ einen Verbindungskanal aus Holz zwischen den beiden Seen gab, dessen Wasserverlauf sich zu eigen gemacht wurde und als eine Art Plumsklo genutzt wurde. Für die damalige Zeit ein hochmodernes Abwassersystem. Maier, schon immer ein wissbegieriger und neugieriger Zeitgenosse, dachte zuerst, es sei ein Fluchtweg („Vielleicht haben die Kirchenherren auch etwas Wertvolles vergraben“) und machte sich mit Herzblut daran, den Gang freizulegen. In mühevoller und anstrengender, ja regelrechter Knochenarbeit – der enge Gang ist nur einen halben Meter breit und lediglich etwa 1,40 Meter hoch – grub und buddelte das Soiener Unikum zwei Winter lang, ehe es im Jahr 1993 geschafft war und die beiden Ausgänge zu den Seen gefunden waren. Und damit kam der Lötschmüller Sepp zu seinem Eintrag im Weltrekordbuch. Und zu seinem Spitznamen „Maulwurfgräber“.

Der Tunnel ist 70 Meter lang und kann besucht werden – Platzangst sollte man aber nicht haben. Natürlich bietet Sepp Maier (Dorfstr. 79, 82435 Bad Bayersoien) auch in seinem hängenden Museum Führungen an. Gebucht werden können diese unter der Telefonnummer (08845) 204.

Raushier-Reisemagazin

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