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San Martino di Castrozza: Im Bann der bizarren Pala

Das Panorama könnte nicht spektakulärer, die Berge nicht majestätischer und die Pisten nicht verlockender sein. Ski zu fahren in San Martino di Castrozza, vor der atemberaubenden und bizarren Palagruppe mit Blick auf die Bergspitzen Vezzana, Rosetta, Sass Maor, Val di Roida, Madonna und des Colbricon, ist ein ganz besonderes Erlebnis. In jeder Hinsicht. Das schroffe Gebirge scheint einen fast zu erdrücken, so nah steht das 3200 Meter mächtige Massiv vor uns. Ein Furioso von Türmen, Zacken, Kanten, Riffen und Graten. Das Skigebiet, im italienischen Trentino gelegen, ist der südlichste Teil der zwölf Talschaften des Skikarussells Dolomiti Superski. Und es rühmt sich seiner niemals eiskalten Temperaturen und unzähliger Tage mit herrlichem Sonnenschein.

Den Anschluss verschlafen

Eine Kulisse wie im Bilderbuch bilden die schroffen Berge ...

Eine Kulisse wie im Bilderbuch bilden die schroffen Berge …

Da stimmt es den Besucher schon ein bisschen traurig, dass die Ortschaft, die zum Naturpark Paneveggio-Pale di San Martino gehört und in einem weiten Talbecken liegt, den Anschluss an moderne Skizentren etwas verschlafen hat. Die teilweise alten und klapprigen Sessellifte entsprechen nicht mehr dem heutigen Standard, ziehen sich endlos lang hin, sind sehr langsam und windanfällig.

... und breiten Pisten rund um San Martino di Castrozza. - Fotos: Silvano Angelani/Archivio APT

… und breiten Pisten rund um San Martino di Castrozza. – Fotos: Silvano Angelani/Archivio APT

Bereits im 19. Jahrhundert war San Martino – der Ort liegt auf 1467 Metern – ein bekanntes Ferienziel. Das Dorf wurde vor allem von Edelleuten und Künstlern besucht, die sich von der grandiosen Landschaft mit den eleganten Bergen und den einzigartigen Ausblicken inspirieren ließen. Und Reisende, die auf dem Weg vom Val Primiero über den Rolle-Pass ins Fleimstal waren, nahmen hier Quartier. Laut Werbung ist San Martino immer noch „einer der bekanntesten Ferienorte in den Dolomiten“.

Deutsche Gäste bleiben aus

Und los geht`s. Bei herrlichem Sonnenschein und perfekten Schneeverhältnissen sollte der Skifahrer früh starten. - Foto: Silvano Angelani

Und los geht`s. Bei herrlichem Sonnenschein und perfekten Schneeverhältnissen sollte der Skifahrer früh starten. – Foto: Silvano Angelani

Heute steuern vor allen Dingen wesentlich mehr Tagesgäste das Gebiet an als Urlauber, die länger hier bleiben. Vor allem Skifahrer aus Deutschland meiden den Ort. Nur noch zwei Prozent kommen aus der Bundesrepublik, es waren schon einmal, vor vielen Jahren, wesentlich mehr: in den 1960er-Jahren waren 70 Prozent der Besucher Deutsche. Jetzt kommen die Gäste vorwiegend aus Italien, Tschechien, Polen und Russland.

Ein Blick zurück: Ausrangierte Gondeln erinnern in San Martino an frühere Zeiten. - Foto: Dieter Warnick

Ein Blick zurück: Ausrangierte Gondeln erinnern in San Martino an frühere Zeiten. – Foto: Dieter Warnick

So berichtet es Valeria Ghezzi. Sie ist Eigentümerin der Lifte der Tognola-Alpe unmittelbar vor der Haustür San Martinos und zugleich die Vorsitzende des italienischen Seilbahnerverbandes ANEF. „Ja, es stimmt, San Martino hat die Zeit verschlafen“, sagt sie und schüttelt den Kopf. Die Signora verweist gerne auf die Nachbarregion Südtirol, die derart gute Wintersportangebote macht, dass für viele eine Weiterfahrt ins Trentino nicht in Frage kommt.

Zu lange dachte man, die Schönheit der Natur wäre ein Selbstläufer, um Gäste zu akquirieren. Und man müsse nicht investieren. Eine schnelle Lösung des Problems sieht Ghezzi nicht, auch wenn sie sagt: „Wir haben uns erst einmal für die Beschneiung der Pisten entschieden. Neue Lifte sollen später folgen.“ 95 Prozent der 45 Pistenkilometer können künstlich beschneit werden.

„15 000 kalte Betten“

Alpinfahrer und Snowboarder finden auf den Pisten der Alpe Lusia beste Bedingungen vor. - Foto: Ralf Brunel

Alpinfahrer und Snowboarder finden auf den Pisten der Alpe Lusia beste Bedingungen vor. – Foto: Ralf Brunel

Einige der großen Hotels machen einen teils unbewohnten oder geschlossenen Eindruck, obwohl sie geöffnet sind. 3500 Betten stehen zur Verfügung, aber es gibt auch „15 000 kalte Betten“, wie Ghezzi sich ausdrückt. Das sind Betten in Zweitwohnungen, die nur an wenigen Wochen genutzt werden. Die meiste Zeit stehen diese Häuser leer. Denn diejenigen, die sich eine Zweitwohnung gekauft oder angemietet haben – und das sind nicht wenige – sind natürlich nur selten vor Ort. Und haben die Rolladen an den Fenstern ihrer Wohnungen heruntergelassen. Keine ansehnliche Optik. Das Leben scheint verreist zu sein. Die „Alpen-Hochburg“ vergangener Tage kommt lange nicht mehr so elegant und belebt daher wie in den 1980er-Jahren. Wehmut kommt eher nicht auf.

Sonnenaufgang in den Bergen von San Martino di Castrozza. - Foto: Daniele Benedetti

Sonnenaufgang in den Bergen von San Martino di Castrozza. – Foto: Daniele Benedetti

Nichtsdestotrotz ist das Skigebiet rund um San Martino di Castrozza einen Aufenthalt jederzeit wert. Allein schon deshalb, weil die Pisten mit ihren unterschiedlichen Hanglagen auf der Sonnenseite liegen und der Schnee bis weit nach Ostern bestens zu befahren ist. Über die sonnige Alpe Tognola beispielsweise schlängeln sich zauberhafte Pisten für alle Könnerklassen. Auch Freerider und Snowboarder finden erstklassige Voraussetzungen vor.

Rolle-Pass und Alpe Lusia

Einen Besuch abstatten sollte man auf jeden Fall auch dem ganz in der Nähe liegenden Skigebiet des Rolle-Passes. Die Pisten auf dem Hochplateau bieten alle Schwierigkeitsgrade, was dieses Gebiet sowohl für Anfänger als auch für Geübte so lohnenswert macht.

Von Moena aus ist es ein Katzensprung ins Skigebiet Alpe Lusia - San Pellegrino. Dort findet sich sogar eine "Piste der Verliebten". - Foto: Angeli

Von Moena aus ist es ein Katzensprung ins Skigebiet Alpe Lusia – San Pellegrino. Dort findet sich sogar eine „Piste der Verliebten“. – Foto: Angeli

Wer jetzt so richtig auf den Geschmack gekommen ist, der sollte unbedingt einen Tag auf der Alpe Lusia – San Pellegrino verbringen. Die berauschenden Pisten dort sind ungewöhnlich breit, sanft abfallend und für den Genuss-Skifahrer geradezu ein Muss. Ideal für all jene eben, die schnelle Kurven mögen. Und für Familien, denn die Strecken sind nicht allzu anspruchsvoll, bequem zu bewältigen und ohne böse Unebenheiten. Der Einstieg ins Skigebiet erfolgt von der Talstation Ronchi aus, die ganz in der Nähe von Moena liegt, mit 2700 Einwohnern der größte Ort im Fassatal.

Mit breiten und nicht allzuschweren Pisten punktet das Skigebiet Alpe Lusia vor allem bei Familien. - Foto: Skiarea Alpe Lusia

Mit breiten und nicht allzuschweren Pisten punktet das Skigebiet Alpe Lusia vor allem bei Familien. – Foto: Skiarea Alpe Lusia

“Zur nächsten Saison”, so verrät Umberto Azelini, der Liftchef der Alpe Lusia, “entsteht direkt von Moena aus eine drei Kilometer lange Umlaufbahn, die bei der Mittelstation Valbona endet.” Moena ist im Übrigen der erste “Alpine Perl” im Trentino. Heißt: Dort wird den Gästen ein Aufenthalt mit jeglichem Komfort, aber stets verantwortungsbewusst und 100 Prozent umweltfreundlich ermöglicht.

Hoch hinaus geht es im Skigebiet Alpe Lusia – San Pellegrini. - Skiarea Alpe Lusia

Hoch hinaus geht es im Skigebiet Alpe Lusia – San Pellegrini. – Skiarea Alpe Lusia

Informationen: Tourismusverband San Martino di Castrozza/Rollepass, Via Passo Rolle 165, I-38054 San Martino di Castrozza, Tel.: (0039 0439) 76 88 67, E-Mail: info@sanmartino.com; Internet: www.sanmartino.com

Ski Area Alpe Lusia – San Pellegrino, Strada Loewi 42, I-38035 Moena, Tel.: (0039 0462) 57 34 40; E-Mail: info@alpelusiasanpellegrino.it; Internet: www.alpelusiasanpellegrio.it

Zur nächsten Saison entsteht direkt von Moena aus eine drei Kilometer lange Umlaufbahn, die bei der Mittelstation Valbona (Foto) endet. - Foto: Skiarea Alpe Lusia

Zur nächsten Saison entsteht direkt von Moena aus eine drei Kilometer lange Umlaufbahn, die bei der Mittelstation Valbona (Foto) endet. – Foto: Skiarea Alpe Lusia

Technische Details von Dolomiti Superski: Gesamtfläche: 3000 km²; Skigebiete: 12; Liftanlagen: 450; Pistenkilometer: 1200; Pistenkilometer mit Beschneiungsanglagen: 1160 (97 %), Schneekanonen: 4700; Wasserspeicher für Beschneiungsanlagen: 150; Maximale Beförderungskapazität: 630 000 Personen/Stunde; Schneeraupen: 324; Investitionen in die laufende Skisaison: 70 Millionen Euro.

Raushier-Reisemagazin

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