zurück



Fès: Letzte Ausfahrt Mittelalter

Links baumeln abgetrennte Kamelköpfe am Haken, rechts duftet Safran. Auf den Ständen  türmt sich eine Melange exotischer Gewürze. Es riecht nach Getreide, Seifen, nach süßen Backwaren und duftendem Couscous. Und immer wieder der Geruch eines scharfen Suds in einer Tajine, einem aus Lehm gebrannten Schmorgefäß mit gewölbtem Deckel. Die Talaa Kebira, die große Steige, ist die Hauptader der Medina von Fès. Es herrscht drangvolle Enge. Es türmen sich Bananen, Feigen und Datteln zu waghalsigen, farbenfrohen Pyramiden. Und die Luft vibriert von den aufgeregten Stimmen der Händler.

Die Altstadt erstreckt sich auf hügeligem Gebiet. Hier die alte Stadtmauer von Fes / © Foto Georg Berg.

Die Altstadt erstreckt sich auf hügeligem Gebiet. Hier die alte Stadtmauer von Fes / © Foto Georg Berg.

In den Gassen klingen die Geräusche der Handwerker. Laut gehämmert wird auf dem Djemaa Seffarine, auf dem Platz stellen die Kupferschmiede große Kessel her.  nebenan arbeiten die Messerschärfer.  Ein paar Gassen weiterhaben sich Schreiner auf die Fertigung hölzerner Sänften spezialisiert, in denen die Braut bei Hochzeiten getragen wird.

Die mittelalterliche Medina von Fès zählt zu den faszinierendsten weltweit. Sie gilt als größte Nordafrikas.  Wer auf der Suche nach einer authentischen orientalischen Stadt ist, ist in Marokkos faszinierender Kulturhauptstadt genau richtig.

Tradition ist hier keine billige Kulisse, um Touristen in die Stadt zu locken, sie ist echt. In Fès bleiben alle motorisierten Transportmittel vor den Toren der Stadt – im Gegensatz zu Marrakesch, wo Autos durch die zwei Meter breiten Gassen brettern.

Die autofreien engen Gassen erstrecken sich über eine Fläche, die etwa der von 400 Fußballfeldern entspricht.  Seit 1980 ist die Altstadt Weltkulturerbe der UNESCO, man kann noch erleben, wie im Mittelalter gearbeitet und gelebt wurde. Viel geändert hat sich nicht.

Die Gerber von Chuwwara

Beim berühmten Zislierer Guernani. Ornamente werden einem kleinen Meißel in das Metall gehämmert/ © Foto Georg Berg

Beim berühmten Zislierer Guernani. Ornamente werden einem kleinen Meißel in das Metall gehämmert/ © Foto Georg Berg

Nicht bei den Ledergerbern von Chuwwara, im Nordosten der Medina. In riesigen, farbenfroh leuchtenden Steinbottichen wird Schaf-, Ziegen-, Kuh- und Kamelleder seit Jahrhunderten auf die gleiche Weise gegerbt – mit Taubenkot.  Das Leder stapelt sich zu Jacken, Taschen, Sitzkissen und Schuhen verarbeitet in den riesigen Verkaufsräumen der Gerberei und an den unzähligen Ständen der Stadt.

Nicht beim Messing-Ziselierer Guernani in der Gasse Talȃa Seghira. In dieser Manufaktur hat der Vater des amtierenden Königs bei Ahmed Guernani die Messingarbeiten in Auftrag gegeben, mit denen die hölzernen Tore der Mauer um den Königspalast zwischen 1961 und 1968 verziert worden sind.

Der Verkaufsraum einer Lederkooperative. In ihr haben sich Gerber zusammengeschlossen. ©Foto Georg Berg

Der Verkaufsraum einer Lederkooperative. In ihr haben sich Gerber zusammengeschlossen. ©Foto Georg Berg

Nicht in der Kunst der Kachelherstellung . Anfang des 9. Jahrhunderts wurde diese Fertigkeit von unter Sultan Mulay Idris in Fes angesiedelten muslimischen Familien aus Andalusien mitgebracht. Die berühmten Zierkacheln entstehen seit Jahrhundertern im gleichen manuellen Verfahren. Der „ajjan“, der Mischer, verrührt den Ton mit seinen Händen und mit seinen nackten Füßen in der „zouba“, einem großen runden Erdbassin. Der geschmeidige Ton wird fingerdick ausgestrichen. Nach dem Antrocknen in der Sonne ritzten junge Burschen dann mit Brettern das Quadratmuster ein.

Leder, soweit das Auge reicht. © Foto J. Scheppach

Leder, soweit das Auge reicht. © Foto J. Scheppach

Dann wird die Form in einem rundbauchigen, mit Olivenkernen befeuerten Strohdachöfen gebrannt – und die unregelmäßigen Ränder glattgeschlagen. Auf dem Rücken der Kacheln sind Muster aufgezeichnet. Diese Varianten von winzigen Sternen, Blättern, Sechsecken und Halbmonden werden herausgehämmert – und  später, zu Mosaikbildern zusammengesetzt.

Das ist die Aufgabe des „maalem“, des Meisters. Stück für Stück dreht er  jedes der winzigen Teile auf den Rücken, fügt sie bedachtsam zu einem allein aus der eigenen Fantasie geborenen Muster – ohne dabei eine Skizze zu haben. Allein sein Gedächtnis gestattet ihm, die Farbigkeit des gelegten Motivs zu kennen.

600 Gassenkilometer

Gerberei in Fes: Im ersten Arbeitsschritt werden die Tierfelle in einem der wabenartig angeordneten Becken fünf Tage lang in einer Salzlösung aufgeweicht. © Foto Georg Berg

Gerberei in Fes: Im ersten Arbeitsschritt werden die Tierfelle in einem der wabenartig angeordneten Becken fünf Tage lang in einer Salzlösung aufgeweicht. © Foto Georg Berg

Meist gestaltet der Meister seine Mosaikplatten nicht größer als 100 mal 60 Zentimeter. So können sie auch durch das enge an- und absteigende Wirrwarr der 600 Gassenkilometer der Altstadt  mit Eseln transportiert werden.

Nur durch eines der historischen Tore in der Stadtmauer gelangt der Besucher in diese verwirrende Welt der Königsstadt. Das Stadtmauertor Bab Boujloud  – außen blau, innen grün – gehört zu den bevorzugten Eingängen zur  Medina, in der sich neben den  labyrinthartigen Gassen auch 60 öffentliche Brunnen  befinden und Bauwerke, wie die einstige Koranschule Medersa Bou Inania. Sie begeistert mit  ihrem aufwendig restaurierten Innenhof, der zum Museum umgewandelte Fondouk Nejjarine mit seinen filigranen Holzschnitzereien.

Oder die Kairaouine-Moschee, das zweitgrößte Gotteshaus des Landes – gewaltig zwar, aber in dem Trubel übersieht man sie fast. Als Nichtmuslim bleibt einem der Zutritt zu dem 20.000 Menschen fassenden Gebäude verwehrt. Ein verstohlener Blick durch eines der 14 Tore ist aber gestattet –  u.a. auf die Kachelmuster, die bei längerer Betrachtung Schwindel verursachen.

Höchste Steinmetzkunst: Einer von 60 öffentlichen Brunnen in der Medina von Fes. © Foto  J. Scheppach

Höchste Steinmetzkunst: Einer von 60 öffentlichen Brunnen in der Medina von Fes. © Foto J. Scheppach

Das Gefühl ist beabsichtigt: Die Abbildung von Mensch und Tier gilt in der islamischen Kunst als Nachahmung des göttlichen Schöpfungsprozesses, als Blasphemie.

In der Median von Fès fühlt man sich ein gutes Jahrtausend zurückversetzt. So weit reichen die Wurzeln von Fès, der einstigen Hauptstadt Marokkos, zurück. Die älteste der vier marokkanischen Königsstädte gilt noch heute als geistiges, kulturelles und wissenschaftliches Zentrum des Landes.

Für den Schriftsteller Tahar Ben Jelloun ist sie „die Stadt der Städte, das Gedächtnis der marokkanischen Nation, der Schmelztiegel einer Kultur“. Sie sei so geheimnisvoll „wie eine Nacht an der Seite Scheherazades“, jener Tochter eines Wesirs, die in den persischen Geschichten von Tausendundeiner Nacht eine tragende Rolle spielt.

Fantastische Herbergen

Die Paläste und Herrschaftshäuser, in denen Geschichten aus Tausendundeiner Nacht spielen könnten, haben eine erstaunliche Entwicklung genommen. Die Rede ist von den 168 Riads von Fès mit ihren 670 Zimmern: Vor allem ausländische Investoren haben sich in den vergangenen Jahren den oft heruntergekommenen Palästen und Herrschaftshäusern angenommen.

Liebevoll werden sie zu fantastischen Herbergen umgebaut; wie zum Beispiel das Riad Arabesque. nur wenige Gehminuten vom berühmtesten Bauwerk der Stadt, der Karaouine-Moschee, entfernt. Das traditionell-elegante Haus bietet einen atemberaubenden Blick von der Dachterrasse auf Fes und das Zalagh-Gebirge.

Durch die Restaurierungsarbeiten kommt Geld in die Medina, das traditionelle Handwerk wird gestärkt, eine Entwicklung, die in Marrakesch schon voll im Gange ist.

Höhlenwohnungen und Djellabah-Knöpfe

Höhlenwohnungen Bhalil: im Sommer kühl und im Winter nicht zu kalt. © Foto J. Scheppach

Höhlenwohnungen Bhalil: im Sommer kühl und im Winter nicht zu kalt. © Foto J. Scheppach

Auch in Dörfern in naher Umgebung wird alte Kultur bewahrt; z. B. in  Bhalil. Dort gibt es Höhlenwohnungen, in denen noch immer Menschen leben und es sich recht gemütlich gemacht haben. In den Höhlen ist es im Sommer schön kühl und im Winter nicht zu kalt.

Etwas Besonders ist auch der Bäcker. Er bereitet  keineswegs Brot zu, das wird in den Familien geknetet. Auf flachen Holzbrettern bringen meist die Kinder die fertigen Teigfladen zu ihm in die Backstube und er schiebt sie der Reihe nach in den Ofen.

Und noch eine Besonderheit hat Bhalil. Alle weiblichen Personen ab dem Teenageralter haben eine Beschäftigung, die ihnen ein wenig Geld bringt. Überall sitzen die Frauen – vor dem Haus, auf der Straße, an Plätzen, unter Bäumen  –  und stellen Knöpfe her. Mit den kleinen handgearbeiteten Knöpfen werden die Djellabahs von Männern und Frauen verziert.

Das wichtigste und größte Tor Nordafrikas

Volubulis: eine wichtige Außenstelle des römischen Imperiums im 3. Jhd. v. Chr. © Foto J. Schepapch

Volubulis: eine wichtige Außenstelle des römischen Imperiums im 3. Jhd. v. Chr. © Foto J. Schepapch

Nur 60 km entfernt befindet sich eine weitere Königsstadt: Meknes. Gigantische Mauern umgeben die durch den  mächtigen Sultan Moulay Ismail geprägte Stadt mit dem monumentalsten Tor Marokkos – dem Bab Mansour; das wichtigste und größte Tor Marokkos, ja Nordafrikas.

Errichtet wurde es von Moulay Ismail , der 1672 an die Macht gekommen war.  Er wollte ein ehemaliges Militärlager mit dem Namen Meknes, in eine  Königsstadt verwandeln. Heraus kam ein „marokkanisches Versailles“. Um Meknes herum ließ er 76 Festungen bauen. Mehr als 40 Kilometer Stadtmauer wurden um die Stadt herum gebaut. Innerhalb der hohen Mauern der Stadt erschufen seine Arbeiter einen prächtigen Palast, Moscheen, Medersen, Gärten und Wasserwerke, die durch ihre Vielfalt und architektonische Einheit heute noch beeindrucken. Meknes wurde 1996 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.

Die Souks gehören zu den schönsten und ursprünglichsten des Landes. Zu den meistbesuchten kulturellen Einrichtungen gehört das Museum für Marokkanische Volkskunst. Das Museum beherbergt Sammlungen zu allen Bereichen des marokkanischen Kunsthandwerks, darunter Teppiche, Lederwaren und Schnitzereien aus Holz. Berühmt ist das Museum auch für seine Koranhandschriften.

Ganz in der Nähe von Meknès liegt Volubulis: eine wichtige Außenstelle des römischen Imperiums im 3. Jhd. v. Chr. Dieses außergewöhnlich gut erhaltene  Beispiel für Römisch Afrika erstreckt sich über eine Fläche von über 40 Hektar. Volubilis ist seit 1997 als Weltkulturerbe gelistet und ist besonders bei Sonnenuntergang einen Besuch wert, wenn die Schatten den Ruinen der Stätte eine wahrhaft faszinierende Atmosphäre verleihen.

Informationen:

  • GULLIVER Agence de Voyages & Tourisme SARL ist ein Reiseanbieter mit breiter Palette an Marokko-Erlebnisreisen. www.gulliver-voyages.com
  • Phantastische Aussicht: Das Riad Arabesque liegt nur wenige Gehminuten vom berühmtesten Bauwerk der Stadt, der Karaouine-Moschee, entfernt. www.riadarabesque.com
  • Empfehlenswertes 5-Sterne-Hotel.www.zalagh-palace.ma
  • Empfehlenswerter Stadtführer für Fes:Driss Ouadghiri,Tel.: +212 667 647679, Driss.ouadghiri@gmail.com
  • Staatliches marokkanisches Fremdenverkehrsamt, Office National Marocain du Tourisme, Graf-Adolf-Straße 59,40210 Düsseldorf, Tel.: 0211 370551-2, marokko@mfva.de,www.visitmorocco.com.

 

 

Raushier-Reisemagazin

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert