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Souvenirs, Souvenirs

Eine lange Nacht im Zug, dann eine Stunde Autofahrt. Über schmale Bergstraßen, vorbei an grünen und gelben Reisterrassen, der Nebel hängt tief. Es ist halb 8 Uhr morgens. Die Augen sind klein und versuchen sich zu orientieren. Doch morgendliche Lethargie  hat in Sa Pa keine Chance.

Geschäftstüchtige Händlerinnen in Sa Pa.

Geschäftstüchtige Händlerinnen in Sa Pa.

„Buy from me“, säuseln die Händlerinnen in den Ohren, schon nach wenigen Schritten durch den kleinen vietnamesischen Bergort nicht weit von der Grenze zu China. Kauf bei mir. Es bildet sich eine Traube. Jede zieht ihr Sortiment aus den Taschen. Schals, Umhängebeutel, bestickter Krimskrams – alles Handarbeit.

Aber für eine Bergtour wäre das ja nur Ballast. Also: kein Bedarf, bloß nichts kaufen. Doch die Standhaftigkeit schwindet schnell. Und unversehens ist man mittendrin: feilschen, prüfen, handeln. Und natürlich kaufen. Der Rucksack füllt sich ohne Unterlass.

Das St. Moritz von Vietnam

Sa Pa, etwa 350 Kilometer nordwestlich von Hanoi, versprüht einen durchaus alpinen Charme. Das Bergstädtchen mit seinen Häusern in Pastelltönen liegt auf 1600 Metern. Darüber thront der Fan Si Pan, mit 3143 Metern der höchste Berg Indochinas. Manchen gilt Sa Pa gar als St. Moritz von Vietnam. Mondän ist es hier freilich nicht. Und dass jemand mitten im Dorf einen Schweinefuß, noch  blutig und mit schwarzem Fell, auf einer schmutzigen Plastikplane feil bietet, kommt im noblen Schweizer Skiort wohl auch eher selten vor.

Touristen werden in Sa Pa grundsätzlich belagert.

Touristen werden in Sa Pa grundsätzlich belagert.

Dafür haben die geschäftstüchtigen Kauf-bei-mir-Damen aber kein Auge. Sie gehören dem Bergvolk der Schwarzen Hmong an, eine der ethnischen Minderheiten, die in der Umgebung von Sa Pa lebt. Sie kauen gerne Zuckerrohr, tragen Turmfrisur und Silberschmuck. Ihre Tracht ist indigofarben, Ärmel und Schürzen reich bestickt. Die Röcke reichen bis zu den Knien, Wadenwickel schützen die nackten Beine vor der Kälte in Vietnams Norden.

Dass Folklore bei Touristen ankommt, wissen sie nur zu gut. Sie bieten ihre bunte Handarbeit an, verkaufen ihr Gesicht für ein Foto und ein bisschen auch ihre Würde. Immer aber mit einem herzlichen Lachen, in bestem Englisch – gelernt von Touristen – und sehr gewitzt. Eine Ehefrau, die einwendet, sie könne nun wirklich nichts mehr kaufen, ihr Mann habe es verboten, bekommt zu hören: „Sag ihm: Honey, ich brauch‘ mehr Money.“

Vietnamesische Berglandschaft.

Vietnamesische Berglandschaft.

Etwas zurückhaltender sind die Roten Dao mit ihren imposanten roten Turbanen. Aber auch sie wollen ihre Waren losschlagen. Und auch die Probleme der Minderheiten sind meist gleich. „Sie können nicht mit Geld umgehen, geben meist alles gleich wieder aus“, erklärt Reiseführer Dong. Auch schickten sie ihre Kinder statt in die Schule häufig zum lukrativen Trubel nach Sa Pa.

Weitaus gelassener als dort geht es in den Dörfern der Umgebung zu. Dafür aber vor atemberaubender Bergkulisse. In Lao Chai, etwa zwei Stunden Fußmarsch entfernt, leben Schwarze Hmong. Das Dorf liegt in einem Flusstal, umgeben von beigegrünen Hügeln, an deren Hänge sich Reisterrassen schmiegen. Dahinter erheben sich die Tonkineser Alpen.

Das Dorf wirkt seltsam aus der Zeit gefallen. Die Hütten und Häuser sind aus Holz, teils ohne Fenster, aber jeder Haushalt hat eine Satellitenschüssel.  Schweine und Hühner laufen frei herum und wühlen im Müll. In den Reisfeldern waten Wasserbüffel.

Das Dorf Lao Chai.

Das Dorf Lao Chai.

Durch das Dorf schlängelt sich ein unebener Weg, immer wieder große Steine als Hindernis. Ein Wasserlauf verwandelt ihn meterlang in Morast. Ein Mofafahrer spritzt ungerührt mittendurch und holt die Szenerie in die Neuzeit. In der Dorfmitte werden zwei Schweine geschlachtet, einer der Männer, keiner von ihnen trägt Tracht, telefoniert mit dem Mobiltelefon. Und auch hier kommen immer wieder Händlerinnen des Weges. Der Rucksack füllt sich weiter.

Eine Nacht später, etwa 100 Kilometer weiter und mit einer Mountainbike-Tour in den Beinen wartet ein Kontrastprogramm. Der Tourist rückt aus der Haupt- in eine Nebenrolle. Der Markt in Can Cau: mitten im Nirgendwo. Keine Siedlung weit und breit, dafür direkt an einer Durchgangsstraße. Die feuerrote Erde hat der Regen in Schlamm verwandelt. Doch das stört hier niemanden. Aus der ganzen Region sind Blumen-Hmong zum wöchentlichen Markt gekommen. Die Frauen tragen weite Faltenröcke, dazu eine Tunika, oft mit Glasperlen verziert. Die Tracht ist bunt und abwechslungsreich wie eine Blumenwiese: rot, gelb, orange, rosa, verschiedene Blautöne. Das Haar bedeckt ein Kopftuch in pink oder türkis.

Trachten in allen Farben des Regenbogens: der Markt in Can Cau.

Trachten in allen Farben des Regenbogens: der Markt in Can Cau.

Auch hier handeln und feilschen die Frauen, aber untereinander. Sie kaufen und verkaufen Salat und Kartoffeln, Lauch und Chili, Zuckerrohr und Kleidung. Immer wieder bahnen sich Lkw mit lautem Hupen und Mofafahrer im Slalom ihren Weg durch den Markt, der während der Woche eine Landstraße ist. Die wenigen Langnasen, sprich Ausländer, finden kaum Beachtung – ganz anders als in Sa Pa.

Reisschnaps aus Kanistern

Die Männer widmen sich vor allem dem Viehhandel. Ein Schwein wechselt den Besitzer und verschwindet laut quiekend in einem Sack. Wasserbüffel und Pferde warten heute vergeblich auf Interessenten. Doch die Männer sind auch der Gesellschaft wegen auf dem Markt. Sie sitzen auf kleinen Hockern an niedrigen Tischen und schenken sich Reisschnaps aus Plastikkanistern ein. „Manche von ihnen wird man heute Nachmittag nach Hause tragen“, erklärt Dong.

Die Frauen handeln, die Männer trinken.

Die Frauen handeln, die Männer trinken.

Und schon winkt einer dieser lustigen Gesellen und macht eine einladende Bewegung. Reisschnaps am Vormittag? Aber nur der Völkerverständigung wegen. Ein beherzter Schluck, die Kehle brennt. Alle lachen und die neue Freundschaft wird mit einem herzlichen Händedruck besiegelt. Derart beschwingt wandern wenig später noch drei Schals in den Rucksack mit den Reisemitbringseln.

Informationen: Ein seriöser Anbieter für qualitativ hochwertige und individuell zusammengestellte Touren in die vietnamesischen Berge ist die Firma Handspan aus Hanoi. Mehr Informationen unter www.handspan.com oder per E-Mail unter info@handspan.com.

Fotos: Kathrin Schierl

Raushier-Reisemagazin

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