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Locker bleiben – die Australier an sich

Schon als wir kurz nach der Landung am Kingsford Smith Airport von Sydney die Zoll- und Visa-Formalitäten hinter uns gebracht hatten, hatte ich das Gefühl, irgendetwas sei gerade anders gewesen, als ich es im Parteiverkehr mit deutschen Beamten gewohnt war.

Lässiges Surfermobil am Bondi Beach.

Lässiges Surfermobil am Bondi Beach.

Nach ein paar Momenten der Besinnung wusste ich auch, was es war: Der Mittfünfziger in Diensten des australischen Staates war gerade ungewohnt nett und freundlich gewesen. Er hatte uns – ohne dass wir ihn gefragt hatten – sogar über die nächsten Schritte aufgeklärt und wie wir den Weg zu den Zuständigen finden würden. Ohne mürrische Grunzlaute oder den Versuch, mit möglichst wenigen Worten auszukommen. Naja, dachte ich, eine positive Ausnahme, hat wohl heute einen guten Tag.

Jetzt, drei Wochen später, weiß ich: Nein, der Herr vom Zoll war gar kein zu vernachlässigender Einzelfall.

Auch wenn ich nach so kurzer Zeit in Sydney sicherlich keine soziologische Studie über das Verhalten der Australier im täglichen Miteinander vorlegen kann, war bisher dennoch auffallend, dass Freundlichkeit und Gelassenheit hier scheinbar zu den kollektiven Charakterzügen gehören.

Selbstgebasteltes für die Busfahrerin

„How are you?“, also „Wie geht es Dir?“, ist hier die Standardformel zur Begrüßung. Andauernd wünscht einer dem anderen einen schönen Tag und auch das Wörtchen „Danke“ wird weitaus häufiger benutzt als woanders. Sogar wer den Bus an der hinteren Tür verlässt, wirft dem Fahrer nicht selten ein „Thank you“ nach vorne. Wer sich ganz besonders hervortun möchte, bastelt der Fahrerin – wie bereits von uns beobachtet – jedoch aus Kaugummipapier ein Vögelchen und schenkte es ihr beim Aussteigen. Auf unseren Wegen quer durch Sydney können wir kaum den Stadtplan zücken, ohne angesprochen zu werden, ob wir denn Hilfe bräuchten. „Are you lost? Can I help you?“, hörten wir schon mehrmals.

Manche Australier sind auch etwas seltsam: der Flaggenmann.

Manche Australier sind auch etwas seltsam: der Flaggenmann.

Doch die Australier – zumindest viele, die uns bisher begegneten – sind nicht nur sehr zuvorkommend, auch anhaben kann ihnen scheinbar so schnell nichts. „Easy Going“, wohl am besten mit „Locker bleiben!“ zu übersetzen, entspricht nicht nur der gelassenen Surfer-Mentalität mit der man alle Australier gerne gleichsetzt, sondern ist auf dem fünften Kontinent tatsächlich so etwas wie ein Leitspruch. Auch „No worries!“, also „Kein Problem“, und „She’ll be right“, „Wird schon klappen!“, hört man hier andauernd. An diese Sprüche haben wir uns recht schnell gewöhnt, auch wenn ich immer noch nicht herausgefunden habe, wer diese „she“ denn eigentlich ist und warum gerade sie es richten soll?! Als wir Guy, unserem Vermieter, letztens ein flapsiges „No worries!“ hinwarfen, hat er uns sogar ein Kompliment gemacht: „Hey, ihr klingt ja wie Einheimische!“

Lässiger Surfer in Handwerkerkluft

Aber diese Gelassenheit kommt nicht nur verbal zum Ausdruck. Von der Bushaltestelle aus konnte ich gut beobachten, wie ein Kleinlaster beim Bremsen einen Teil seiner schlecht gesicherten Ladung verlor. Der Fahrer, Typ „lässiger Surfer in Handwerkerkluft“, entstieg in aller Ruhe dem Wagen, sammelte auf der mehrspurigen Straße seine Einzelteile ein und wirkte eher, als denke er an die nächste Welle, die er zu reiten gedachte, als dass ihn diese Situation großartig beunruhigen würde. Eine Passantin übernahm derweil die Verkehrregelung und lotste alle nachkommenden Fahrzeuge um die verlorene Ladung herum. Während der gesamten Aktion, die gut fünf Minuten dauerte, war kein einziger Ton einer Hupe zu hören. „Easy going“, dachten sich wohl die meisten.

Und sogar Situationen, über die man sich durchaus ärgern könnte, bringen den Otto-Normal-Aussie scheinbar nicht all zu lange aus der Fassung. Eine Radfahrerin, die von der sich öffnenden Fahrertür eines parkenden Autos beinahe vom Drahtesel befördert worden wäre, machte ihrem Unmut zwar schon zunächst mit einem deftigen Fluch Luft. Wenige Meter weiter hatte sie ihren Zorn aber schon wieder unter Kontrolle und entschuldigte sich bei den umstehenden Passanten für ihre verbale Entgleisung mit einem schuldbewussten „Sorry for that“. Ich glaube nicht, dass ich mich so schnell wieder im Zaum gehabt hätte.

Aussies surfen zwar gerne, aber nicht ausschließlich.

Aussies surfen zwar gerne, aber nicht ausschließlich.

Nicht nur Sonne, Strand und Surfen

Dass man in Australien freundlicher ist und alles etwas lockerer sieht als woanders, haben wir bisher recht eindrucksvoll mitbekommen und liegt wohl daran, dass man von den Problemen, die den Rest der Welt so plagen, ganz einfach einige tausend Kilometer entfernt ist oder vielleicht sogar dass Down Under mit so viel Sonnenschein gesegnet ist. Der ganzen Nation deshalb aber gänzlich die Seriosität abzusprechen und die Australier auf Sonne, Strand und Surfen zu reduzieren, wie es viele tun und es häufig zu lesen ist, ist aber wohl doch etwas zu weit hergeholt.

Außerdem erleichtert es einem zwar durchaus den Tag, ein paar Mal „Thank you“ oder „Have a nice day“ zu hören. Die Gefahr von Oberflächlichkeit und Aufgesetztheit schwingt bei so viel gezeigter Freundlichkeit aber natürlich auch immer mit. Und wann Gelassenheit in Ignoranz übergeht und anfängt zu nerven, werde ich sicher auch noch herausfinden.

Aber so schlimm wird es schon nicht werden. Easy going!

Fotos: Kathrin Schierl

Raushier-Reisemagazin

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