Kaum zu glauben, aber wahr: In einem ziemlich abgeschiedenen Dorf im Bayerischen Wald steht eines der besten Konzerthäuser der Welt. Das 2000-Seelen-„Nest“ heißt Blaibach, ist fünf Kilometer von Bad Kötzting und 15 Kilometer von Cham entfernt und bringt vor allem die Herzen der Liebhaber klassischer Musik zu einem periodisch wiederkehrenden, rhythmischen Pochen.
Die Akustik der Philharmonie ist überragend und genießt weit über Deutschland hinaus einen erstklassigen Ruf. Und natürlich trägt auch das futuristische Aussehen mit dazu bei, dass Blaibach in aller Munde ist. Der Bayerische Wald besitzt seit 2014 ein kulturelles Aushängeschild!
Ansonsten ist nicht viel los
Im Grunde genommen hat Blaibach nicht viel zu bieten außer Ruhe, wäre da nicht dieser Konzertsaal mit seiner phänomenalen Akustik. Durchaus sehenswert sind dennoch einige Schönheiten wie die katholische Pfarrkirche St. Elisabeth, die als spätbarocke Saalkirche im Jahr 1779 erbaut wurde, oder die Fatimakapelle, bei der es sich um die ehemalige „Seelenkapelle“ handelt.

Blaibach im Landkreis Cham hat ein Konzerthaus, vor dem sich so mache Weltmetropole anerkennend und wohlwollend verneigt. – Foto: Dieter Warnick
Erstmals erwähnt wurde das Heiligtum um 1691. Die Kapelle diente wohl ursprünglich als kurzfristiger Aufbahrungsort für Verstorbene.
Einen Besuch wert ist das Museum Frauenfleiß mit einer informativen Ausstellung historischer Textilien in nostalgischem Ambiente. Die umfangreiche Sammlung erzählt vom Leben und Wirken junger Mädchen, starker Frauen und alter Damen aus vergangenen Jahrhunderten. Und ein beliebtes Ausflugsziel ist der Blaibacher See direkt am Lamer-Winkel-Arber-Radweg gelegen.
Ein Schloss und ein See

In unmittelbarer Nähe des Konzerthauses befindet sich die katholische Pfarrkirche St. Elisabeth. – Foto: Dieter Warnick
In unmittelbarer Nähe zu dem extravaganten Konzerthaus sticht dem Betrachter das Blaibacher Schloss ins Auge. Es wurde in seiner heutigen Form größtenteils 1604/1605 durch Wolf Albrecht Notthafft von Wernberg erbaut. Im Jahr 1935 wurde das Anwesen von Josef Rösch erworben; bis zum heutigen Tag wird es von der Familie Rösch bewirtschaftet. Erwähnenswert ist eine rustizierte (also ein Mauerwerk mit grob behauenen Steinen) versehene Rundbogendurchfahrt mit einer Fußgängerpforte aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Das denkmalgeschützte Objekt wird heute als Hotel-Gasthof genutzt.
Eine verwegene Idee
Wie kommt nun ein verschlafener Ort zu einer derart revolutionären kulturellen Attraktion? Es ist eine längere Geschichte, die an ein klassisches Märchen erinnert.
Nachdem die Ortsmitte von Blaibach aufgehübscht werden sollte und dies auch im Jahr 2012 in die Tat umgesetzt wurde – in Zusammenarbeit mit dem Münchner Architekten Peter Haimerl – kam diesem die verwegene Idee zum Bau eines extravaganten Konzert- und Kulturhauses in der Ortsmitte – der Anfang eines überaus ehrgeizigen Projektes war gemacht. Ein Mitstreiter war in dem vor allem in Ostbayern bekannten Bariton Thomas E. Bauer gefunden.
Zahlreiche Bedenken aus dem Weg geräumt
Natürlich waren nicht alle Blaibacher Bürger von den Überlegungen überzeugt oder gar begeistert – das einzigartige Bauwerk war im Vorfeld heftig umstritten, einige Zeitgenossen reagierten gar mit Unverständnis. Die Meinungen wogten hin und her, die Argumente, ob dafür oder dagegen, wurden in vielen Diskussionen erörtert. Dass das Projekt letztlich trotz aller kontroversen Debatten doch realisiert werden konnte, lag vor allem auch daran, dass die Bevölkerung an der Ausarbeitung dieser Idee beteiligt wurde. Insider sprachen vom „Wunder von Blaibach“. Ziel war es, wieder Leben in die Ortsmitte zu bringen und einen Mehrwert für die Menschen im Ort und einen Anreiz für Feriengäste zu schaffen.
Wie eine gekippte Schuhschachtel

Der Innenraum schaut kompliziert aus und musste sehr genauen akustischen Vorgaben folgen. – Foto: NAARO
Mit dem 560 m² großen Bau wurde im August 2013 begonnen; die Eröffnung fand schon 13 Monate später statt, am 12. September 2014. Die Architektur des Konzerthauses ist minimalistisch gehalten und erinnert an eine gekippte Schuhschachtel oder an eine schiefe Kiste. Die abfallende Topographie der Dorfmitte wurde dahingehend ausgenutzt, als sich das Gebäude wie ein gekippter Kubus in die Erde eingräbt – und das inmitten der ländlichen Dorfidylle. Es entstand ein komplexer Baukörper. Die 20 Tonnen schweren Fassadenteile aus 45 000 Granitsteinen erinnern an die Wurzeln Blaibachs als Steinhauerdorf.

Seit 2014 ragt das Konzerthaus aus dem Dorfplatz und zieht die Besucher in das tiefer gelegene Foyer. – Foto: Dieter Warnick
Seit Jahrhunderten wurde hier nämlich Granit abgebaut und bearbeitet. Die Kunstfertigkeit der Blaibacher Steinmetze zeigt sich auch in zahlreichen Grabsteinen und Flurdenkmälern aus Granit. Der Steinbruch am Ziegelberg beschäftige 1922 immerhin 26 Arbeiter. In Blaibach wurde man zum Steinhauer geradezu geboren.
Die Granitsteine wurden für den Neubau von freiwilligen Helfern in mühsamer Weise in Beton gegossen. In jeder Hinsicht ein steiniger Weg! Der steil aufsteigende Konzertsaal bietet Platz für 200 Zuhörer, und auf der Bühne können bis zu 60 Musiker spielen. Die Innengestaltung ist geprägt durch hellen Glasbeton, der für eine exzellente Akustik sorgt.
Es öffnet sich eine völlig neue Welt

Schloss Blaibach wurde in seiner heutigen Form größtenteils 1604/1605 durch Wolf Albrecht Notthafft von Wernberg erbaut. Die Nebengebäude wurden laut der Giebelaufschrift auf der Nordwand des östlichen Brauereigebäudes 1679 errichtet. – Foto: Dieter Warnick
Neben der aufwändigen Granitsteinbruchfassade fällt besonders die Gestaltung des Innenraums auf – eine völlig neue Welt tut sich auf, in der gefaltete Wandflächen (und auch die Decke) aus leichtem Spezialbeton das neuartige akustische Konzept bestimmen – ein Klangerlebnis der ganz besonderen Art. Die Faltungen sind dabei für die Akustik im Saal ausschlaggebend. Zudem schafft das fein ausgeklügelte Lichtkonzept eine eindrucksvolle Atmosphäre. Der Konzertsaal ist fensterlos und erinnert an eine Felsenhöhle. Beheizt wird das Gebäude mit Flüssiggas durch eine Flächenheizung in den Wänden.
Die Innengestaltung konzentriert sich auf das Wesentliche und ist geprägt durch einen hellen, porösen Leichtbeton mit Glasschaumschotter, der für eben diese exzellente Akustik sorgt. 3000 Schalungselemente waren dafür erforderlich.
Selbst Plácido Domingo war schon da
In Windeseile hatte sich Blaibach in der Szene herumgesprochen. Renommierte Künstler aus dem In- und Ausland gaben sich von Anfang an quasi die Türklinke in der Hand, den Zuhörern wird klassische Musik in höchster Qualität geboten. Am 30. Januar 2025, nur neun Tage nach seinem 84. Geburtstag, gab Plácido Domingo in Blaibach ein umschwärmtes Konzert.
Jährlich 60 Konzerte
Die Kulturwald gGmbH unter Intendant Thomas E. Bauer organisiert jährlich zirka 60 klassische Konzerte. Daneben bietet die Tourismusabteilung der Gemeinde zusammen mit den örtlichen

Das 2005 unter der Mitternachtssonne der Lofoten gegründete Engegård Quartett hat sich schnell zu einem der gefragtesten Ensembles Norwegens entwickelt. Ihre kühnen, frischen Interpretationen des klassischen Repertoires in Verbindung mit einer tiefen Verbundenheit zu ihren skandinavischen Wurzeln haben international viel Anerkennung gefunden. 2024 gastieren die Musiker in Blaibach. – Foto: Christian Palm
Vereinen etwa 25 regionale Veranstaltungen. Das führt dazu, dass jährlich 30 000 Menschen in ein Dorf mit 2000 Einwohnern kommen.
Das gesamte Projekt verschlang 2,7 Millionen Euro, wobei die Gemeinde einen Eigenanteil von 500 000 Euro aufbringen musste. Die Finanzierung wurde gefördert durch das Modellvorhaben „Ort schafft Mitte“ des bayerischen Bauministeriums. In den Jahren 2010 bis 2013 wurden im Rahmen der Städtebauförderung erfolgreiche neue Wege und Instrumente der Ortsmittenstärkung entwickelt und erprobt.
Letztlich haben sich alle Mühen und Diskussionen gelohnt – zahlreiche Preise und Auszeichnungen, die dem Bau zuteil wurden, sprechen eine eigene Sprache.
Informationen: Tourist-Info Blaibach, Kirchplatz 6, 93476 Blaibach, Tel.: (09941) 94 50 13; Internet: www.blaibach.de; E-Mail: tourist@blaibach.de
Veranstaltungstipp: Konzerthaus Blaibach/Kulturwald gGmbH, Kirchplatz 2, 93476 Blaibach, Tel.: (09941) 9 49 50 65; Internet: www.kulturgranit.de; E-Mail: info@kulturgranit.de
Gastrotipp: Hotel-Schlossgasthof Rösch, Kirchplatz 10, , Tel.: (09941) 94670, Internet: www.schlossgasthof-roesch.de; E-Mail: info@schlossgasthof-roesch.de



