Dem neuerlichen Ansturm von russischen und chinesischen Touristen ist die lokale Hotellerie kaum noch gewachsen. Pattaya, Phuket und Phi Phi Island platzen aus allen Nähten. Dabei hat Thailand weit mehr zu bieten. Mit gut 2800 Küstenkilometern ist Thailand reich an Regionen, die zum entspannten Verweilen an der Andamanensee oder dem Golf von Siam einladen. Wahrhaft paradiesische Flecken, die dem Reisenden ein Thailand bescheren, wie es vor zwanzig oder gar dreißig Jahren einmal war, gibt es sonder Zahl.
Wie etwa der Badeort Ban Krut. Nur wenige Kilometer entfernt von der Autobahn, über die mit sonnenhungrigen Touristen gespickt volle Busse von Bangkok Richtung Süden fahren, tickt die Uhr anders. Schon die Anreise lässt sich stressfrei gestalten: Wer nachmittags um zwei den Zug in Bangkok besteigt, ist sieben Stunden später am Ziel. Umgerechnet sechs Euro kostet das Ticket in der zweiten Klasse. Vom Bahnhof kutschieren Tuktuks den Gast für knapp zwei Euro ans etwa zwei Kilometer entfernte Meer. Luxus sucht man hier vergebens: Bis auf einzelne Hotels wie das Arcadia, die Zimmer für knapp 100 Euro feilbieten, braucht man für die meisten Bleiben nicht mehr als ein Viertel davon zu berappen.
Menschenleerer Sandstrand
Der erste Eindruck ist vielversprechend: Obwohl ans Schienennetz angeschlossen, wird Ban Krut kaum von Touristen frequentiert. Der zwei Kilometer lange feinsandige Strand ist menschenleer. Im Schatten von Palmen und Kasuarinen dösen allenfalls vierbeinige Streuner. Lediglich an Wochenenden belebt sich die Szenerie, wenn Einheimische vom Land anreisen und ihre Pickups mit wenigen Handgriffen in eine Strandbar verwandeln. Bisweilen rollen Busse voller Teenager durch Ban Krut. Dann wummern die Bässe bis tief in die Nacht. Karaoke scheint eine siamesische Erfindung zu sein.
Amnadh zuckt mit den Achseln. „Das Feiern liegt uns im Blut.“ Aber in Ban Krut sei das die Ausnahme, sagt der ältere Herr in gutem Englisch. Aus rotem Kokospalmholz hat er eigenhändig die komfortablen Hütten des Proud Thai Beach Resorts gezimmert. „Wer Ruhe sucht, wird sie gewiss in dieser Gegend finden.“ Auch die Gaumenfreuden kommen nicht zu kurz, zum Beispiel im Tam-Mai Restaurant. Jeden Abend stehen Fisch, Krabben und traditionelle Thaiküche auf dem Speiseplan. Die schmackhaft zubereiteten Gerichte sind obendrein unschlagbar preiswert. Meist bleibt der Rechnungsbetrag für zwei Personen deutlich unter zehn Euro.
Wat Tang Sai – Tempel mit sieben goldenen Pagoden
Auf einer Anhöhe am nördlichen Ende der Bucht thront spektakulär Wat Tang Sai. Der Tempel, der mit sieben goldenen Pagoden überregional Beachtung findet, wurde 1994 zu Ehren König Bhumibols errichtet. Eingebettet ist die Anlage in ein Blumenmeer aus Frangipani, auch als Tempelbaum bekannt. Diese wunderbaren Pflanzen sind überall in Thailand zu sehen und werden von Frauen gern zur Zierde ins Haar gesteckt.
Ortswechsel: Knapp eine Stunde dauert die Zugfahrt von Ban Krut nach Prachuap Khiri Khan, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, die sich von Hua Hin im Norden bis Chumphon im Süden erstreckt. Erinnert Ban Krut eher an ein verschlafenes Nest, ist in Prachuap Khiri Khan deutlich mehr los. Schulen, Krankenhäuser, zahlreiche Behörden: Hier nimmt man das Leben etwas ernster.
Aus dem Wasser hochragende Kalksteinfelsen
Das spürt der Reisende aber kaum. Im Gegenteil – zwar ist das Angebot an Hotels, Restaurants und Cafés deutlich größer als in Ban Krut. Weil sich jedoch abgesehen von den Wochenenden kaum Gäste hierher verirren, hat man nie das Gefühl, bedrängt oder übervorteilt zu werden. Für 80 Baht bringt das Taxi die Gäste zum Prachuap Beach Hotel, einem in die Jahre gekommenen grauen Kasten, dessen Zimmer jedoch atemberaubende Blicke über die Bucht mit ihren aus dem Wasser hochragenden Kalksteinfelsen erlauben. Wie in Thailand üblich, kann man den Übernachtungspreis herunterhandeln, sofern man mindestens eine Woche bleibt.
Prachuap Khiri Khan ist ein Ort, in den man sich sofort verliebt. Beim Streifzug durch die Straßen nahe der Seepromenade erhascht man schnell einen Blick auf wild lebende Affen, die den Ort zu Hunderten okkupiert haben. Eigentlich bevölkern sie einen Hügel am Ortsende, auf dem Mönche leben. Doch zu Füssen der Anhöhe, auf einem Parkplatz, finden sich täglich den Kreaturen freundlich zugewandte Einheimische ein, mit Taschen voller Nüsse und sonstiger Leckereien. Kein Wunder, dass die neugierigen Tiere motiviert sind, auf der Suche nach Futter auch die nahe gelegenen Wohngebiete zu durchstreifen.
Zum Baden bietet sich ganz besonders die Bucht Ao Manao an. Der Weg vom Hotel dorthin nimmt mit dem für kleines Geld geliehenen Rad nicht länger als 15 Minuten in Anspruch. Er führt durch eine militärische Sperrzone und kreuzt sogar einen Flugplatz. Wer Glück hat, kann hautnah Start- und Landemanöver alter Weltkriegsflieger erleben, die hier liebevoll in Schuss gehalten werden. Sie erinnern an heftige Gefechte, die sich seinerzeit thailändische und japanische Kräfte geliefert hatten.
Badeparadies Ao Manao
Am Wochenende suchen Einheimische in Scharen das Badeparadies von Ao Manao heim. Tausende in Reih’ und Glied aufgestellte Sonnenstühle unter den riesigen Schatten spendenden Kasuarinen sind dann ausnahmslos besetzt. Die Bucht mit ihrer phantastischen Lage erinnert an die Maya Bay bei Phi Phi Island. Doch im Unterschied dazu sind Touristen zumindest unter der Woche nur vereinzelt anzutreffen. Urlauberherz, was willst Du mehr?
Der dritte Geheimtipp
Vor der Weiterreise zum dritten „Geheimtipp“ lohnt sich ein Abstecher zur nahe gelegenen Grenze nach Myanmar. Denn auf der Höhe von Prachuap Khiri Khan ist Thailand zwischen dem Meer und seinem Anrainer nur etwa 15 Kilometer schmal. An dem mitten im Dschungel gelegenen Grenzposten von Dan Singhkon bieten burmesische Händler täglich Schmuck, Lederwaren und Möbel feil. Darunter sind viele junge Frauen, die täglich aus dem Nachbarland anreisen. Sie sprechen bemerkenswert gut Englisch und freuen sich über jede Gelegenheit, mit Touristen ins Gespräch zu kommen. Noch ist die Grenze für Reisende geschlossen. Geplant ist jedoch, sie in Kürze zu öffnen.
Krönender Abschluss der Tour durch “unknown Thailand” ist Chanthaburi, rund vier Busstunden von Bangkok entfernt. Die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, die das Land als Früchtekammer mit Mango, Ananas und Orangen versorgt, liegt an der östlichen Küste Thailands, auf halbem Wege zwischen Rayong und Trat, dem Tor zur Inselwelt rund um Koh Chang. Mit zahlreichen Minen, aus deren Gestein Rubine sowie Saphire gewonnen werden, ist Chanthaburi seit Jahrhunderten auch bevorzugter Handelsplatz für Schmuck und Edelsteine. Die wohl berühmteste Edelsteinmeile Thailands liegt mitten in der Stadt.
Keine aufdringlichen Händler
Die rund 25 Kilometer von der Stadt entfernte Küste versprüht einen ganz eigenen Charme. An den naturbelassenen Stränden kann man ungestört Muscheln suchen oder mit Blick auf die stets brausenden Wogen einfach nur dahindösen. Unter der Woche verirren sich nur wenige Menschen hierher. Kein Händler versucht, einem Schmuck oder Nippes aufzuschwatzen, eine weit verbreitete Unsitte, die nach Ruhe und Erholung dürstenden Urlaubern den letzten Nerv raubt. Niemand bedrängt einen, Liegestuhl nebst Sonnenschirm zu mieten. Niemand will Cola, Bier oder Cocktails verkaufen. Es herrscht nahezu göttliche Ruhe.
An dem traditionellen südöstlich der Stadt gelegenen Laem Sing Beach, dem etwas mondänen Chaolao Beach oder dem Laem Sadet Beach im Westen kommt jeder auf seinen Geschmack. Vor achtzehn Jahren hat es den Schweizer Thomas Rupprecht hierher verschlagen. „Der Liebe wegen“, wie er sagt. Mit seiner kleinen Reiseagentur richtet er sich an alle, die nach Informationen über Land und Leute suchen, der Landessprache aber nicht mächtig sind.
Seine Agentur liegt zwischen zahlreichen Restaurants, die überraschend hohe Qualität zu niedrigen Preisen anbieten, kleinen Boutique-Hotels und im landestypischen Stil erbauten Herbergen. Zumindest unter der Woche verfügen sie stets über freie Zimmer und sind sehr günstig. Ganz neu ist auch das Cape Go Resort, das mit seinem auffallenden rot-weißen Design ein wenig an eine Tankstelle erinnert. Wie ein Hufeisen umschließen die kleinen Bungalows den Swimmingpool, der wie die gesamte Anlage einen gepflegten Eindruck hinterlässt. Das Frühstück wird den Gästen direkt auf die Terrasse gebracht.
Eines der größten Aquarien Thailands
Das Hotel liegt an einer neuen vierspurigen aber kaum befahrenen Allee, die an ein wenige Kilometer entferntes Kap führt. Mit ihren in kurzen Abständen errichteten Laternen erinnert an sie an eine Privatstraße. Rupprecht lüftet das Geheimnis: „Zweimal im Jahr gibt sich die königliche Familie die Ehre, hierher zu kommen. Geld zum Bau eines solchen Prestigeobjekts spielt daher keine Rolle.“
Ein Thema liegt dem Monarchen besonders am Herzen – der Naturschutz. Täglich fahren Busse voller Schulkinder über die Allee. Ihr Ziel ist das Ao Khung Kraben Nature Reserve mit einem der größten Aquarien Thailands sowie einem Mangroven-Lehrpfad, vom Staat mit Forschungsmitteln in Millionenhöhe unterstützt. Der Nachwuchs soll lernen, dass man mit der Umwelt schonend umgeht und beispielsweise ein einziger achtlos ins Meer geworfener Plastikbeutel sage und schreibe 450 Jahre braucht, bis jegliche Spur von ihm verschwunden ist.
ein sehr interessanter eindrucksvoller Bericht,der die gute Kenntnis des Autors über das Land erkennen läßt und die Reiselust auf Thailand weckt.