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Tour der Kontraste: Mit dem Rennrad durch Portugal

Vom einsamen Bergdorf im Serra de Monchique bis hin zu den Traumstränden der Algarve – Portugals Süden ist extrem vielseitig. Eine fantastische Möglichkeit, viele Facetten dieses Landes in kurzer Zeit kennenzulernen, ist eine Rennradtour. Unsere Autorin Alena Staffhorst hat sich Anfang Juni zusammen mit einer Freundin dem Abenteuer gestellt – und ist noch immer begeistert.

Traumhafter Ausblick über den Stausee bei Odeleite.

Traumhafter Ausblick über den Stausee bei Odeleite.

Entspannt sitze ich in einem kleinen, portugiesischen Café – die Beine hochgelegt, vor mir stehen ein paar Oliven, typisch portugiesischer Ziegenkäse und etwas Brot. Ich lasse den Blick über die beeindruckende Berglandschaft des Alentejo schweifen, während die Temperaturen schon lange die 30-Grad-Marke passiert haben. Es könnte ein richtig schön entspannter Urlaub sein. Könnte …

Denn zum Entspannen bin ich nicht nach Portugal geflogen – ich habe eine Mission! Zusammen mit Pia, einer guten Freundin schon seit ich denken kann, stehen in sechs Tagen rund 450 Kilometer auf dem Plan – mit dem Rennrad! Unsere Tour soll uns von Faro aus die spanische Grenze hoch, einmal quer durch das hügelige Hinterland der Algarve bis zur Westküste und von dort aus am Meer zurück nach Faro führen. Soweit, so gut! Doch wir merken schon am zweiten Tag: Wir haben nicht nur die Temperaturen, sondern auch die Berge deutlich unterschätzt. Und irgendwie kommt sowieso alles anders als gedacht.

Kommt Rui?

Einige Kilometer fahren wir am Guardiana entlang – dem Grenzfluss zwischen Spanien und Portugal.

Einige Kilometer fahren wir am Guardiana entlang – dem Grenzfluss zwischen Spanien und Portugal.

Doch fangen wir vorne an: Wir, zwei 28-jährige, sportbegeisterte und abenteuerlustige Mädels, landen gegen Mittag in Faro. Jeder trägt einen Rucksack auf dem Rücken, bepackt nur mit dem Allernötigsten: Zahnbürste, Deo, ein paar Wechselklamotten. Zielstrebig steuern wir eine Tankstelle unweit des Flughafens an, denn dort sind wir mit Rui verabredet. Etwas mulmig ist mir schon: Wird er wirklich da sein? Klappt alles so wie geplant? Rui ist der Chef des Avalanche Bike Shops in dem kleinen Ort São Brás de Alportel. Wir haben vorher ein paar Mails geschrieben und abgemacht, dass wir uns für die sechs Tage zwei Rennräder leihen können, die er uns zum Flughafen bringt. Keine offizielle Bestätigung. Keine Anzahlung. Als bürokratiegewohnte Deutsche macht mich das schon etwas nervös, aber ich lerne schnell: Es geht auch so – und zwar ziemlich gut.

Natürlich ist Rui da. Entspannt lehnt er an seinem Bulli und blickt uns mit einem amüsierten Grinsen entgegen. „Ihr beide wollt wirklich alleine eine Tour durch Portugal machen? Nur mit den zwei kleinen Rucksäcken?“, fragt er in einem sauberen Englisch – ohne seine Verwunderung zu verbergen. Während er unsere Räder startklar macht, erzähle ich ihm unseren Plan. Die Strecke findet er ziemlich gut, nur das erste Stück sei etwas gefährlich, da die Straßen um Faro ziemlich stark befahren seinen. „Aber ich kann euch gerne noch ein Stück mitnehmen und an einer besseren Stelle raussetzen“, schlägt er vor. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen! Schnell laden wir die Räder wieder in den Bulli, quetschen uns zusammen auf den Vordersitz und los geht’s.

Steigungen von bis zu 14 Prozent sind nicht nur bei heißem Wetter eine echte Herausforderung.

Steigungen von bis zu 14 Prozent sind nicht nur bei heißem Wetter eine echte Herausforderung.

Ein paar Kilometer weiter hält er am Rand der Landesstraße N125, die einmal komplett an der Südküste der Algarve entlang führt, an und lässt uns raus. Wir bedanken uns, bezahlen die Leihgebühr von insgesamt 100 Euro und bekommen spontan auch noch einen kleinen Rabatt. „Der halbe Tag ist ja schließlich schon vorbei“, sagt Rui zwinkernd und steigt wieder in seinen Wagen. Voller Vorfreude setzen wir unsere Helme auf, steigen auf die Räder und fahren los. Die heutige Strecke ist nicht wirklich schön: Es geht hauptsächlich an der recht gut befahrenen N125 entlang, doch das stört uns nur wenig. Total begeistert von den wirklich guten Rennrädern geben wir ordentlich Gas – die Kilometer in Richtung spanischer Grenze fliegen nur so vorbei. Auf dem meist rund zwei Meter breiten Seitenstreifen fühlen wir uns auch sicher, doch auch ein steter Blick auf den Boden ist empfehlenswert – um vereinzelten Schlaglöchern auszuweichen.

Bekannt für die Salzgewinnung

In der alten maurischen Stadt Tavira machen wir unsere erste Pause. Noch im 17. Jahrhundert galt sie als wirtschaftlich und politisch führende Stadt der Algarve, musste diesen Status später jedoch an Faro abgeben. Bekannt ist Tavira – das mit wunderschönen Häusern, Kopfsteinpflasterstraßen und belebten Plätzen besticht – besonders für seine Salzgewinnung: Unmittelbar vor der Stadt sind in ordentlichen Reihen riesige Salzpfannen angelegt – eine jahrhundertelange Tradition dieser Region. Hier entsteht das vielleicht beste Tafelsalz Portugals.

In Mértola genießt Pia den tollen Ausblick über die Stadt und den Guardiana – und dazu ein Sagres.

In Mértola genießt Pia den tollen Ausblick über die Stadt und den Guardiana – und dazu ein Sagres.

Gegen Abend, nach knapp 60 Kilometern, erreichen wir unser erstes Etappenziel: Monte Gordo. Noch bis in die 60er-Jahre als verschlafenes Fischerdorf bekannt, hat sich die Gemeinde – besonders aufgrund ihres herrlichen Sandstrands – zu einem beliebten Ferienziel entwickelt. Wir checken schnell im Hostel ein und suchen uns ein nettes Restaurant mit Blick auf den Atlantik – der hier übrigens aufgrund der Nähe zum Mittelmeer wärmer ist als im westlichen Teil der Algarve. Wir lassen uns frisch gefangene Sardinen, eine der Spezialitäten Portugals, schmecken, ehe wir erschöpft ins Bett fallen.

Ganz altmodisch mit Karte und ohne GPS unterwegs: In Portugal kein Problem!

Ganz altmodisch mit Karte und ohne GPS unterwegs: In Portugal kein Problem!

7 Uhr am nächsten Morgen: Der Wecker klingelt. Etwas verschlafen wälzen wir uns aus dem Bett und keine 30 Minuten später stehen wir startklar vor dem Hostel. Wir fahren durch Vila Real de Santo António. Die Stadt an der spanischen Grenze wurde Mitte des 18. Jahrhunderts bei einem Erdbeben komplett zerstört und 1774 innerhalb von nur fünf Monaten – nach dem Vorbild Lissabons mit einer schachbrettartigen Struktur – wieder aufgebaut. Von dort aus fahren wir weiter gen Norden. Die Straßen werden leerer, die Anstiege steiler – und sehr schnell steigen auch die Temperaturen. In Azinhal, einem kleinen Dörfchen, in das sich nur selten ein Tourist verirrt, gibt’s Frühstück. Zum Glück haben wir schon am Abend vorher ein paar Äpfel, Müsliriegel und Milchbrötchen eingekauft, denn einen „Minimercado“ können wir auf die Schnelle nicht entdecken. Also setzen wir uns zu zwei älteren Portugiesen, die entspannt und seelenruhig auf einer Bank sitzen und uns nur freundlich anlächeln. Das ist ein Phänomen, das wir in den folgenden Tagen noch häufiger zu sehen bekommen: In Gedanken versunkene Portugiesen, die mit einem verträumten Blick in die Ferne schauen und einfach nur dasitzen. Wir lassen uns schnell von dieser Gelassenheit anstecken und erwischen uns im Laufe des Urlaubs immer häufiger dabei, wie wir stundenlang in einem Café sitzen und einfach nur das Hier und Jetzt genießen – ganz ohne Zeitdruck und den Stress des Alltags. Herrlich!

Hochinauf bei 35 Grad

In den Weiten des Alentejo trifft man nur selten andere Menschen, die Atmosphäre dort ist einzigartig.

In den Weiten des Alentejo trifft man nur selten andere Menschen, die Atmosphäre dort ist einzigartig.

Nach einigen wirklich tollen Ausblicken – ein echtes Highlight ist der Stausee bei Odeleite mit seinem leuchtend blauen Wasser – erreichen wir den Fluss Guardiana, der die Grenze zu Spanien entlang führt. Wir folgen ihm bis hoch nach Alcoutim, von dort aus geht es nordwestlich in Richtung Mértola – unserem zweiten Etappenziel. Doch der Weg zieht sich: Anstiege von bis zu 14 Prozent und Temperaturen von über 35 Grad harmonisieren nicht wirklich gut, wie wir schnell merken. Die Strecke ist nach wie vor traumhaft schön, auch wenn wir sie nicht mehr wirklich genießen können. Eine Pause reiht sich an die nächste: Von kurzen Stopps unter den rar gesäten Bäumen bis hin zum anderthalbstündigen Relaxen im anfangs erwähnten Café ist alles dabei. Nächstes Mal legen wir unseren Aktiv-Urlaub in den Frühling oder Herbst, da sind wir uns mittlerweile sicher.

Vom Monchique-Gebirge aus genießen wir einen traumhaften Blick Richtung Südküste…

Vom Monchique-Gebirge aus genießen wir einen traumhaften Blick Richtung Südküste…

Als dann aber gegen 18 Uhr die beeindruckende Stadt Mértola, die wie eine riesige Burg gen Himmel ragt, vor uns auftaucht, entschädigt der Anblick für die Strapazen der letzten Stunden. Erschöpft schieben wir unsere Räder durch die schmalen, teils extrem steilen aber stets wunderschönen Gassen bis zu unserem Hostel. Auch wenn wir vermutlich nach wenigen Minuten eingeschlafen wären, lassen wir es uns nicht nehmen, noch kurz durch die Straßen zu schlendern. Nicht umsonst gilt Mértola als Museumsstadt: Verschiedene Zivilisationen haben hier eine erstaunliche Vielfalt an Einflüssen hinterlassen, die sich nicht nur im Stadtbild, sondern auch in regelmäßigen künstlerischen, gastronomischen und multikulturellen Veranstaltungen widerspiegeln.

In einer Seitenstraße entdecken wir zufällig ein kleines Restaurant. Auf der hoch gelegenen Terrasse – mit einem fantastischen Blick über die Landschaft und den Guardiana – genießen wir die letzten Stunden des Tages: Wir lauschen den leisen Fado-Klängen – dem melancholischen Soundtrack Portugals – und lassen uns Gambas und das portugiesische Bier Sagres schmecken.

Verrückt? Definitiv!

… und nutzen das tolle Panorama gleich für ein paar Fotos.

… und nutzen das tolle Panorama gleich für ein paar Fotos.

Planlos? Vielleicht ein wenig. Verrückt? Definitiv! Aber: Durchaus anpassungsfähig! Und so klingelt am nächsten Morgen bereits um 5 Uhr der Wecker und um kurz vor 6 Uhr steigen wir pünktlich zum Sonnenaufgang auf unsere Räder. Ein Zeitplan, den wir von diesem Tag an bis zum Ende des Urlaubs durchziehen. Wir meiden dadurch nicht nur die extrem heißen Stunden zwischen 14 und 18 Uhr, sondern können auch die faszinierende Atmosphäre genießen, wenn die Welt langsam erwacht, die Sonne über die Berggipfel klettert und kaum ein Auto auf den Straßen unterwegs ist. Einfach nur herrlich!

So erreichen wir an diesem Tag – nach gut 90 Kilometern durch die Weiten des Alentejos, während derer wir deutlich mehr Störchen als Menschen begegnen und sich Korkeichen mit Olivenbäumen abwechseln – bereits um 13 Uhr unser Ziel: das kleine Dörfchen São Marcos da Serra, kurz vor dem Gebirge Monchique. Hätten wir gewusst, was uns dort erwartet, wären wir vermutlich noch zwei Stunden früher putzmunter aus dem Bett gesprungen: Wir sind zu Gast bei Christine und ihrem Mann – zwei Franzosen, die ihre Rentenjahre in aller Ruhe genießen wollen. Und das ist wörtlich zu nehmen! Am Rande des kleinen Örtchens, in das sich fast nie ein Tourist verirrt – weshalb es wohl auch kein Hotel und kaum Restaurants gibt – haben sie ein mehrere Hektar großes Grundstück, auf dem nicht nur Hunde, Katzen und Pferde auf uns warten, sondern auch ein großer Pool. Da fällt die Entscheidung natürlich nicht schwer, wie wir den Rest des Tages verbringen …

Schönster Ausblick der Tour

Kein Wunder, dass sich die Surfer hier wohl fühlen: Der Strand von Carrapateira ist riesig und wirklich schön.

Kein Wunder, dass sich die Surfer hier wohl fühlen: Der Strand von Carrapateira ist riesig und wirklich schön.

Am nächsten Morgen erwarten uns die wohl schönsten Ausblicke unseres Urlaubs: Vom Monchique-Gebirge, durch das uns anspruchsvolle Serpentinen an unzähligen Eukalyptusbäumen und kleinen Bergdörfern vorbeiführen, können wir den Blick tatsächlich bis an die Südküste Portugals schweifen lassen – das Meer ist deutlich zu erkennen. Wow! Und das Beste: In zwei Tagen sind wir genau dort! Wir genießen die etwas kühlere Bergluft, halten in jeder zweiten Kurve an und sind einfach fasziniert von dieser unfassbaren Weite.

Die Südküste rund um Alvor besticht mit tollen Stränden, die von beeindruckenden Felsformationen umgeben sind …

Die Südküste rund um Alvor besticht mit tollen Stränden, die von beeindruckenden Felsformationen umgeben sind …

Häufig treffen wir während unserer Tour auf Portugiesen, die uns lachend, teils sogar ungläubig anblicken. Ich kann es ihnen nicht verübeln: Zwei junge Frauen, nur mit einem Rucksack bepackt, die bei 30 Grad durch das portugiesische Hinterland düsen – sowas kommt hier anscheinend nicht so häufig vor. Wie gerne wir uns mit den interessiert nachfragenden, meist älteren Landsleuten unterhalten würden – doch aufgrund unserer fehlenden Portugiesischkenntnisse beschränken sich die Gespräche meist nur auf ein wildes Fuchteln mit Händen und Füßen. Doch es lohnt sich, allein für die herzlichen Blicke, die uns entgegenspringen.

Zwei Kilometer, die sich anfühlen wie 20

… von denen aus sich tolle Fotos machen lassen, für die Alena natürlich gerne posiert.

… von denen aus sich tolle Fotos machen lassen, für die Alena natürlich gerne posiert.

Ziel Nummer vier unserer Reise ist das schicke Carrapateira an der Westküste, das besonders mit seinem modernen Ortskern besticht, in dem sich Cafés und Restaurants aneinanderreihen. Von Carrapateira aus haben früher Walfänger ihre Beutezüge gestartet, heute ist das Städtchen fest in Surfer-Hand – wie spätestens am Strand deutlich wird. „Lasst eure Räder ruhig hier, da kann man gut zu Fuß hingehen“, sagt uns das nette deutsche Mädel an der Hostel-Rezeption. Doch wenn einem nach rund 70 geradelten Kilometern durch die Berge noch die Beine schmerzen, ist das definitiv Ansichtssache: Die zwei Kilometer kommen uns vor wie 20. Aber es lohnt sich: Ein riesiger, wunderschöner Strand taucht vor uns auf. Während sich unzählige Surfer in die Brandung schmeißen, lassen wir uns ein Eis in einer der kleinen Strandbars schmecken, beobachten die Sportler und genießen das raue Klima der Westküste.

Nun ist die Tour fast vorbei: Kurz vor Faro machen wir zum Abschluss noch ein gemeinsames Foto, ehe es dann wieder gen Heimat geht.

Nun ist die Tour fast vorbei: Kurz vor Faro machen wir zum Abschluss noch ein gemeinsames Foto, ehe es dann wieder gen Heimat geht.

Der krasse Kontrast zu der einsamen Bergwelt des Monchique und der unendlichen Weite des Alentejo folgt an unseren letzten beiden Tagen: Die Südküste der Algarve ist ein Paradies für Strandurlauber, Sonnenanbeter und Wohlfühltouristen. Kilometerlange Sandstrände, beeindruckende Felsformationen und belebte Orte sorgen für das richtige Urlaubsfeeling. Eine Übernachtung steht noch in dem quirligen Fischerdorf Alvor an, ehe es an unserem letzten Tag zurück nach Faro geht. Auch wenn die Straßen deutlich voller und weniger reizvoll sind, ist es ein gelungener Abschluss unseres Trips: Einfach mal am Strand liegen, über einen der vielen Märkte schlendern oder auch stundenlang in einem Café sitzen, Bica – einen portugiesischen Espresso – trinken und das bunte Treiben beobachten. Das alles ist Portugal – und wir lieben es genauso wie es ist!

Raushier-Reisemagazin

3 Gedanken zu „Tour der Kontraste: Mit dem Rennrad durch Portugal

  1. Ein wunderbarer Bericht, der genau die Stimmung, die Entspanntheit der Portugiesen und den wunderschönen Süden Portugals wiedergibt. Vielen Dank für diesen tollen Reisebericht

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