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Florian Aberl: Jeder ist seines Glückes Schmied

Wie er so dasteht, unrasiert, ausgesprochen lässig, und mit einem überaus skeptischen Blick, wirkt er unmotiviert, fast lustlos. Doch der erste Eindruck täuscht gewaltig. Das tut ein erster Eindruck ja meistens. Florian Aberl trägt dicke, rote Kopfhörer um den Hals, und behält bei der Begrüßung seine graue Leder-Schiebermütze, aus der einige Haarsträhnen herausschauen, auf dem Kopf. Dennoch ist das erste „Grüß Gott“ überaus herzlich. Allerdings ohne Handschlag. Denn seine Hände mit den feingliedrigen Fingern vergräbt der Meister in der zerschlissenen Jeans, die viel zu groß erscheint, aber weite Taschen hat. Um eben Hände zu vergraben, schmutzige meist. Die schüttelt man nicht seinem Gegenüber – das verbietet der Anstand.

Passend zu der abgenutzten und abgegriffenen Arbeitshose ist auch das verschwitzte T-Shirt nicht das Allersauberste. Aber darüber wundert sich der Betrachter nicht mehr. Weit mehr jedoch über die Statur des 32-Jährigen.

„Das ist reine Technik“

Florian Aberl: "Schmied zu sein hat nichts mit Kraft zu tun". - Foto: Dieter Warnick

Florian Aberl: „Schmied zu sein hat nichts mit Kraft zu tun“. – Foto: Dieter Warnick

Florian Aberl ist Schmied, aber er erfüllt so gar nicht das Klischee eines muskelbepackten Handwerkers. Denn Aberl ist gertenschlank, um nicht zu sagen dürr. Wie schafft es dieser schmächtige Mann nur, diese schwere Arbeit zu verrichten? Um die geht es doch, oder? „Schmied zu sein hat nichts mit Kraft zu tun,“ klärt Aberl auf, „das ist reine Technik“. Das eine oder andere Fragezeichen bleibt dennoch. Einen Schmied stellt man sich eben ganz anders vor – so einfach ist das.

Mit scharfer Klinge und eisernem Willen stellen sich diese Allzweckhelfer Zweigen entgegen, oder auch kulinarischen Schmankerln, wie etwa Landjägern. - Foto: Dieter Warnick

Mit scharfer Klinge und eisernem Willen stellen sich diese Allzweckhelfer Zweigen entgegen, oder auch kulinarischen Schmankerln, wie etwa Landjägern. – Foto: Dieter Warnick

Wie sich bald herausstellt, ist Florian Aberl nicht nur jung, sondern auch innovativ („kreativ muss man halt sein“) und in hohem Maße künstlerisch. Schmied aus Leidenschaft. Ein Feingeist. Und doch ein hammerharter Typ!

Florian Aberl stellt sein „Meisterprojekt“ vor, einen sogenannten Kochgalgen. Das Wort Meisterstück ist bei Metallbauern unüblich geworden. – Foto: Dieter Warnick

Er schmiedet nur ganz selten grobe Stücke, eher schon Schmuck- und Taschenmesser, gusseiserne Pfannen, fein ziselierte Balkon- und Treppengeländer, Außenleuchten, Messinglampen, Wandfackeln, häufig auf Wunsch von Privatleuten, oft von Architekten, die im Auftrag ihrer Häuslebauer unterwegs sind. Und Gebrauchsgegenstände aller Art. Jedes Stück ist ein Unikat, keines gleicht dem anderen. Alle tragen seine individuelle Handschrift. „Wir haben Kunden auf der ganzen Welt“, sagt der 32-Jährige schüchtern. Sogar Wagnerarbeiten werden wieder ausgeführt.

Das Schmiedehandwerk ist eines der ältesten und traditionellsten der Welt. Schon in der Antike war es unverzichtbar. Im Mittelalter gehörte ein Schmied zu jeder Ritterburg, um Gegenstände aus Eisen zu fertigen oder zu reparieren. Später wurden vor allem Werkzeuge und Waffen hergestellt.

Der Betrieb existiert seit 1813

Diesen Blasebalg schaffte sich die Familie Aberl im Jahr 1910 an. - Foto: Dieter Warnick

Diesen Blasebalg schaffte sich die Familie Aberl im Jahr 1910 an. – Foto: Dieter Warnick

Die Schmiede der Familie Aberl besteht seit 1813 und ist damit der älteste Handwerksbetrieb in Garmisch-Partenkirchen. Der Ursprung geht aber bis ins 16. Jahrhundert zurück. 1649 wurde die Arbeitsstätte erstmals schriftlich erwähnt. Florian ist dort jetzt in elfter Generation tätig – als wahrer Gestaltungs-Allrounder.

Die Schmiede der Aberls besteht seit über 200 Jahren, genau genommen seit 1813. - Foto: Dieter Warnick

Die Schmiede der Aberls besteht seit über 200 Jahren, genau genommen seit 1813. – Foto: Dieter Warnick

Wenn man den historischen Raum betritt, durch eine 200 Jahre alte Tannentür, liegt ein gewisser Zauber in der Luft, der Zauber vergangener Zeiten. Und der Geruch von Metall und Feuer. Inmitten ansehnlicher Wohnhäuser und gepflegter Vorgärten ist die Aberlsche Schmiede ein wohltuendes Gegenstück zum Hier und Jetzt. Hier also werkelt Florian so vor sich hin, oft zusammen mit seinem Vater Hans, dem jungen, erst 20-jährigen Hannes Klöck und seiner Frau Martina, die als Hufschmied arbeitet. Inmitten von Esse, Blasebalg, Amboss, Hämmer, Zangen und anderen Werkzeugen wie Zwinge, Klammer, Meißel, Feile, Sichel, Schere und Winkel – teilweise noch aus Zeiten seines Ur-Ur-Großvaters.

Es ist laut geworden

Das Feuer, mit dem geschmiedet wird, kann bis zu 1000 Grad heiß werden. - Foto: Dieter Warnick

Das Feuer, mit dem geschmiedet wird, kann bis zu 1000 Grad heiß werden. – Foto: Dieter Warnick

Das Feuer im Herzstück der Schmiede, dem großen Ofen, ist schon geschürt, die Vorführung kann beginnen. Florian Aberl nimmt ein Stück Eisen heraus. Dann geht er ein paar Schritte zur Seite, setzt sich auf einen kleinen Schemel an den Amboss und beginnt mit einem Schmiedehammer heftig drauflos zu schlagen. Das 1000 Grad heiße Eisen beginnt sich zu verformen. Mörderisch laut ist`s geworden in den alten Gemäuern. Formgefühl ist jetzt gefragt, Geschicklichkeit natürlich auch, und die nötige Routine, die er trotz seiner erst 32 Jahre reichlich hat. Schnell wird einem auch klar, dass Schmieden Sport ist, wenn man sieht, welche Techniken angewendet werden müssen, um ein Stück Eisen so hinzubekommen, so zu strecken und biegen, so zu dehnen und stauchen, wie man es sich vorstellt.

Kochgalgen als Meisterstück

Mit Aberls Holzfällerpfannen kann sowohl auf dem Induktionsherd als auch über dem offenen Feuer gebruzelt werden. - Foto: Dieter Warnick

Mit Aberls Holzfällerpfannen kann sowohl auf dem Induktionsherd als auch über dem offenen Feuer gebruzelt werden. – Foto: Dieter Warnick

Seit 16 Jahren ist Florian Aberl als (Kunst-)Schmied tätig. 2008 schloss er die Meisterprüfung in München ab. Dreieinhalb Jahre dauert die Ausbildung zum – wie es heutzutage heißt – Metallbauer.

Das Eisen muss geschmiedet werden, so lange es noch heiß ist. - Foto: Dieter Warnick

Das Eisen muss geschmiedet werden, so lange es noch heiß ist. – Foto: Dieter Warnick

Sein Meisterstück („das darf man nicht mehr sagen, es heißt Meisterprojekt“) war der Teil einer Abzugshaube in einer Rauchkuchl (Rauchküche), ein sogenannter Kochgalgen. „Eine Woche Zeit hatte ich dazu, in 42 Stunden war ich fertig“.“

Beinahe hätte Florian aber ein ganz anderes Handwerk erlernt, das des Konditors. Bald jedoch kam er zu der Erkenntnis, dass „mir das zu bazig war, zu weich.“ Das Schmiedehandwerk macht ihm da viel, viel mehr Spaß. „Wenn auch nicht immer“. Sagt`s und schlendert so gelassen, wie man nur schlendern kann, zurück an die Feuerstelle. In der Ruhe liegt die Kraft.

 

Raushier-Reisemagazin

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