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Von Neapel nach Paestum: Eine Handreichung

Eine Reise an die amalfitanische Küste, nach Neapel, auf die Insel Capri und in die als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannte Ruinenstätte Paestum ist ein touristischer Klassiker, birgt aber auch das Risiko, mehr Geld zu lassen als geplant. Denn der Tourismus an der Amalfiküste ist die Haupteinnahmequelle der Bewohner.

Morgenstimmung an der amalfitanischen Küste.

Morgenstimmung an der amalfitanischen Küste.

„Was willst du denn, du bist reich?” Erstens hat mein Freund nicht recht. Ich bin nicht reich, auch nicht nach italienischen Maßstäben. Und unabhängig davon lass ich mich nicht gerne betrügen. Es ist das Land zwischen dem von Roberto Saviano in seinem gleichnamigen Roman beschriebenen Gomorra (dt. Titel:  Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra). Es ist die Stadt Neapel mit ihrem Umland, es ist Capri, die Insel der Reichen, und es ist die Amalfitana, das Paradies auf Erden. Es ist ein Land, unbeschreiblich schön, mit den Perlen Positano, Ravello und Amalfi, und teilweise heruntergekommen wie Neapel und seine brandgefährlichen Vororte, von Barra bis Castellammare di Stabia.

Und es sind die Menschen, die singen, charmant und freundlich sind, vor allem auch hilfsbereit, und andere, die versuchen, sich als Klein- und Gelegenheitskriminelle durchs Leben zu schlagen. Von der Spezies, die Saviano beschreibt, der Camorra und den chinesischen Triaden, die man glücklicher- und üblicherweise nicht zu Gesicht bekommt, bzw. sie als solche nicht erkennt, ganz zu schweigen.

Bestimmte Fehler nicht machen

Über Serpentinenstraßen gelangt man in das malerische Ravello, das sich 350 Meter über dem Meer auf einem Felsvorsprung erhebt.

Über Serpentinenstraßen gelangt man in das malerische Ravello, das sich 350 Meter über dem Meer auf einem Felsvorsprung erhebt.

So ist dieser Text einer Reisebeschreibung auch eine kleine Handreichung, bestimmte Fehler nicht zu machen. Das fängt schon an mit den Mitteln der Anreise. Wer mit dem Auto von Deutschland nach Positano fährt, der wird, wenn er es nach einer mehr als 1000 Kilometer langen Strecke geschafft hat, feststellen, dass ihm sein Auto in Positano nichts nutzt, sondern nur Geld kostet. Es gibt keine freien Parkplätze, so dass man täglich 21 Euro zahlen muss, um sein Auto abzugeben. Und herumfahren kann man auch nicht. Erstens steht das Auto nie in der ersten Reihe, sondern wird auf dem engen Stellplatz irgendwo “vergraben”, und zweitens führt nur eine Ring-Einbahnstraße durch die Stadt, die man besser zu Fuß geht. Ein Auto ohne Beule sieht man nicht, und das eigene wird bald so aussehen wie alle anderen. Mit dem feinen Unterschied, dass eine Beule kein Grund ist, vom Verursacher den Ersatz des Schadens zu verlangen. Selbst wenn dieser versichert ist, wird er für die deutsche Vorstellung, wie ein Auto auszusehen habe, nur homerisches Gelächter übrig und die Polizei in dieser Auffassung auf seiner Seite haben.

Besser mit dem Schiff oder dem Bus

Außerdem sind die Ziele, die von hieraus üblicherweise angesteuert werden, mit dem Schiff oder dem Bus zu erreichen. Wer von Deutschland aus mit dem Caravan kommt, für den gibt es eine Möglichkeit, sein Gefährt in Tramonti abzustellen. Dieser kleine Ort im Gebirge in der Nähe von Ravello ist mit der Küste durch Autobusse gut verbunden.

Der Dom gilt als das symbolische und touristische Zentrum von Amalfi. Der Innenbau wurde dreischiffig angelegt. In seiner Krypta werden die Gebeine des Apostels Andreas aufbewahrt.

Der Dom gilt als das symbolische und touristische Zentrum von Amalfi. Der Innenbau wurde dreischiffig angelegt. In seiner Krypta werden die Gebeine des Apostels Andreas aufbewahrt.

Im Agroturismo Costiera Amalfitana gibt es reichlich Plätze und auch Übernachtungsmöglichkeiten. Außerdem versorgen Wirt Antonio und seine Familie den Gast mit einheimischen Gerichten, die auch ohne Stellplätze ein Grund für einen Besuch sind. Wir haben für das Essen 15 Euro und die Übernachtung 35 Euro bezahlt, was ein guter Preis ist.

Vorsicht bei Leihwagen

Wer mit dem Flugzeug nach Neapel fliegt, wird vermutlich einen Leihwagen nehmen. Es gibt aber auch die Alternative, vom Flughafen Napoli Capodichino mit dem Bus zur Amalfitana zu fahren, was mühsam ist, aber Geld spart. Wer mit dem Leihwagen weiter fährt, der wird, wenn er nicht so reich ist wie mein Freund von mir annimmt, mit einer preiswerten Firma einen Vertrag abschließen.

Das haben wir auch getan. Wir haben bei CarDelMar gebucht; die Firma ist in Neapel mit Locauto vertreten. Jede Leihwagenfirma verlangt bei der Ausgabe des Wagens die Kreditkarte, aber nicht jede verhält sich so wie Locauto. Auf dem Formular waren drei Vorschäden vermerkt. Als wir den Wagen zurückgaben, waren keine Schäden hinzugekommen, weil wir in Positano die 21 Euro pro Tag bezahlt und uns mit Bus und Schiff fortbewegt haben. Bis auf die Exkursion nach Paestum, die Fahrt nach Tramonti zu Antonio, die Rückfahrt nach Neapel ins Hotel und am nächsten Tag zum Flughafen, wo die Suche nach der Mietwagenrückgabe schon eine Suchaufgabe für sich ist.

Der Blick vom Hafen von Positano aus auf die bunten Häuschen, die an die treppenartigen Hänge hingebaut wurden, ist einzigartig.

Der Blick vom Hafen von Positano aus auf die bunten Häuschen, die an die treppenartigen Hänge hingebaut wurden, ist einzigartig.

600 Euro für “danni”

Bei der Abgabe war dann kein Mensch zu sehen, also haben wir den vollgetankten Wagen abgestellt und den Schlüssel in die dafür vorgesehen Box geworfen. Ein Fehler, aber leider unvermeidlich. Denn Tage später hatte sich Locauto bei meiner Kreditkarte mit über 600 Euro für “danni” bedient, also Schäden, die wir verursacht hätten – oder die Vorschäden, und mit 70 Euro fürs Tanken. Der Tipp, der daraus resultiert: Am Besten nicht zu einem Billiganbieter gehen. Und wenn, dann sollte man sich auf jeden Fall bestätigen lassen, dass man den Wagen vollgetankt und ohne neue Schäden abgegeben hat.

Grundsätzlich: Augen auf

Das sind die Empfehlungen zur Anreise. Doch es heißt grundsätzlich: Augen auf. Unsere Expedition führte uns vom Flughafen Neapel nach Pompeii, von dort über Sorrent nach Positano. Eine Schiffsreise von dort nach Capri, ein Busreise wegen stürmischer See nach Amalfi. Von Positano fuhren wir nach Paestum, von dort nach Tramonti ins Costiera Amalfitana, wo wir übernachteten. Von dort nach Neapel ins Hotel Europeo, am nächsten Morgen zum Flughafen.

Die Bougainvillea oder auch Drillingsblume genannt ist bestens geeignet als Vordergrund für einzigartige Foto-Stillleben rund um die Amalfiküste.

Die Bougainvillea oder auch Drillingsblume genannt ist bestens geeignet als Vordergrund für einzigartige Foto-Stillleben rund um die Amalfiküste.

Die Fahrt nach Pompeii und von dort nach Sorrent führt durch Siedlungen, wo weder die Stadtreinigung noch die staatliche Exekutive funktionieren. Also: Unbedingt auf der Autobahn bzw. den Hauptstraßen bleiben, auch wenn das Navi kürzere Routen vorschlägt. Und wenn man den Müll rechts und links unter den Rädern spürt und trotzdem einer im halsbrecherischen Tempo entgegenkommt, rechts ran, Kopf einziehen und jeden Dialog vermeiden. Weg, nichts wie weg.

Im Conca d´Oro

In Positano waren wir im Conca d´Oro, einem Hotel, dessen Blick auf die Stadt und das Meer inzwischen zu den meist fotografierten gehört. Wir sind extra in der Früh aufgestanden, um die Sonne zu sehen, wie sie zuerst mit dem Himmel spielt, dann das Meer und die Küste mit Farbe überzieht und dann selbst ins Bild bricht. Die Bougainvillea auf dem Balkon musste immer wieder den Vordergrund abgeben.

In diesem Hotel stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis auf angenehmste Weise. Nur muss man bereit sein, Treppen auf und Treppen ab zu steigen. Das Gepäck wird von der Garage abgeholt und wieder zurück gebracht.

Die gastronomischen Highlights, die wir bestätigen können, sind das Mediterraneo und das Saraceno d´Oro. Wobei im Mediterraneo wegen des Sängers die beste Stimmung war. Er kannte jede italienische Schnulze aus der Jugendzeit, und selbst die Lieder von Fabrizio di Andrè sang er, dass einem die Tränen kamen.

Das Schönste, was Europa zu bieten hat

Grüne Lunge – Blick aus dem Garten der Villa Cimbrone in Salerno.

Grüne Lunge – Blick aus dem Garten der Villa Cimbrone in Salerno.

Dass man in Amalfi den Dom besuchen muss, ist klar. Auf der linken Seite von seinen Treppen liegt die Pizzeria St. Andrea, die einen Besuch wert ist. Ravello lohnt wegen seines Marktplatzes und wegen der beiden Villen, der Villa Rufolo und der Villa Cimbrone. Der Blick auf die Terrazza del´infinito, über die weißen Büsten hinaus auf das blaue Meer und die grünen Berge ist mit das Schönste, was Europa zu bieten hat.

Die drei griechischen Tempel von Paestum sind für jeden Altsprachler eine lohnende Exkursion, selbst für den, dessen Klassenreise ihn dort hingeführt hat. Ärgerlich, dass der Parkplatz, der jetzt geöffnet ist, weit weg von Eingang und Kasse liegt, die im Museum untergebracht ist.

Pompeii und Herkulaneum konkurrieren um die Gunst der Besucher. Aber sie sind komplett unterschiedlich. Pompei ist eine weitläufige urbane Anlage, die durch den Aschestaub des Vesuvausbruchs untergegangen ist, und Herkulaneum eine Kleinstadt, die durch die Lava überflutet und daher partiell konserviert wurde. Schade, dass die Villa dei Papiri, die Cäsars Schwiegervater zugeordnet wird, gesperrt ist.

Der Tag beginnt – morgendlicher Schnappschuss bei Positano.

Der Tag beginnt – morgendlicher Schnappschuss bei Positano.

In Herkulaneum ist vor der Bar am Eingang der Anlage zu warnen, die für gutes Geld ungenießbaren Kaffee und unessbare Panini ausgibt. Wasser in der Flasche kann man kaufen. Dort, und in Pompeii, sollte man den Wagen in die Garage bzw. auf einen bewachten Parkplatz stellen. Gerne nimmt man den “Reichen” Geldbußen oder gleich das ganze Auto ab.

Gefährliche Videokamera

Das Hotel Europeo in Neapel liegt zentral, verfügt über einen Fahrstuhl, in dem bestenfalls zwei Mann (ohne Gepäck) Platz haben, hat aber gute Preise. Das Problem, das man erst erkennt, wenn man es hat: Es gibt rund um die Altstadt eine Zone, die “videosorvegliata”, also videoüberwacht, ist. Fährt man, ohne es zu ahnen – es fahren alle – unter der Videokamera hindurch, wird man bestraft. Wenn mit den Geldbußen die Schlaglöcher ausgebessert werden würden, in denen Kleinwagen zu versinken drohen, oder die Müllberge abtransportiert werden würden, würde man als Reicher oder auch Nicht-Reicher diesen Beitrag ja gerne berappen.

Vom Wasser aus betrachtet hat die Amalfikuste ihren eigenen Reiz – wir sind auf dem Motorboot unterwegs Richtung Capri.

Vom Wasser aus betrachtet hat die Amalfikuste ihren eigenen Reiz – wir sind auf dem Motorboot unterwegs Richtung Capri.

Neapel hat etwas, jedenfalls viele Eindrücke in petto, auf die hier nicht eingegangen werden soll. Es gibt Besucher, die schwärmen für diese vitale Stadt. Wir waren erstmals in der Kirche St. Maria del Purgatorio wegen der Totenverehrung im Keller, Eintritt drei Euro, und in der Capella San Severo wegen des marmornen Faltenwurfs des Cristo velato. Eintritt acht Euro. Wir versuchten vergebens – Warteplatz 42 – einen Platz in der weltberühmten Pizzeria da Michele zu bekommen, fanden aber auf Empfehlung in der Pizzeria di Matteo einen bestimmt gleichwertigen Ersatz. Was jedoch nicht zu überdecken ist, ist die Stimme der Nase. Und wenn selbst am Belliniplatz, einem Treffpunkt der Jugend, an einem Abend Ende Oktober die olfaktorischen Sensoren vor Not schreien wegen des süßlichen Dufts von Elend, Urin, Kot und Tod, dann tut man sich schwer mit dieser Stadt und ihrer beschworenen Vitalität. Der Sommer muss hier die Hölle sein.

Die Dreifaltigkeit

Soll man deswegen die Dreifaltigkeit aus Luxus, Capri, Paradies, Amalfitana, Gomorra und Neapel meiden, und auf die Erinnerungsstätten der Antike verzichten? Meine Antwort ist nein. Aber da ich nicht reich bin, versuche ich mich davor zu schützen, arm zu werden.

Fotos: Hans-Herbert Holzamer

Raushier-Reisemagazin