Wer im Tiroler Lechtal vom „Duarf“ spricht, der geht davon aus, dass der andere weiß, was damit gemeint ist – nämlich die Gemeinde Elbigenalp; sie ist die älteste Ansiedlung des Tales (urkundliche Ersterwähnung im Jahr 1488), liegt zwischen den Lechtaler und den Allgäuer Alpen auf 1039 Metern, hat 900 Einwohner und ist der Hauptort des Tiroler Lechtals.
Marie von Bayern (1825-1889) war hier zwischen 1865 und 1887 regelmäßig zur Sommerfrische, oft in Begleitung ihrer Kinder Ludwig (dem späteren König Ludwig II. von Bayern) und Otto (nach Ludwigs Tod ebenfalls König von Bayern).
Sie verband eine tiefe Freundschaft mit Johann Anton Falger (9. Februar 1791 bis 15. Dezember 1876), der in Elbigenalp geboren wurde und dort auch verstarb. Und um diesen Johann Anton Falger dreht sich fast alles im Museum Wunderkammer. Kultur und Geschichte der Lechtaler Bevölkerung geben einen einzigartigen Einblick in das Leben der Bevölkerung vor zirka 200 Jahren. Ein Besuch dort gehört unbedingt zum Programm der Urlaubsgäste.
Universalgelehrter Johann Anton Falger
Falger war ein regelrechtes Genie der ausgehenden Klassik. Er war Anthropologe, Brauchtumsforscher, Geologe, Kupferstecher, Lithograf, Maler und ein begnadeter Sammler – er gilt als „Vater des Lechtals“.
Im Museum Wunderkammer können Interessierte nicht nur typische Lechtaler Bräuche nachverfolgen; seine akribischen Niederschriften, peinlich genau protokolliert, sind ein wahrer Schatz und geben so manchen (geheimnisvollen) Einblick in das Alltagsleben der Bevölkerung.
Die Frau im Mittelpunkt der Familie
Die Frau war Dreh- und Angelpunkt der Familie. Sie hatte zwar nicht viele Rechte, dafür aber jede Menge Pflichten. Neben der Kindererziehung war sie natürlich zuständig für Haus und Hof, pflegte meist noch die Großeltern und musste häufig sogar ohne ihren Mann auskommen. Die Männer waren zumeist beruflich im Ausland tätig und versuchten mit ihrem handwerklichen Geschick so die Familie finanziell über Wasser zu halten.
Unter den Litografien, die Falger anfertigte, sind Werke des Pantheons in Athen und des Petersdoms in Rom sowie vom Mainzer Dom. Ferner zahlreiche Kriegsszenen, die Falger Zeit seines Lebens geprägt haben.
Urkunden, Tagebücher (teilweise unleserlich), Chroniken („Lechtaler Chronik“) und vieles mehr versetzen den Besucher in ungläubiges Staunen. Selbst Zeichnungen und Malereien („Totentanz“), Studien über das Wetter und das Klima, Trachten und Fundstücke aus einer vergangenen Zeit gibt es zu sehen – die Wunderkammer hat ihren Namen zurecht.
Anna Stainer-Knittel, die Geierwally
Mit 18 verließ Falger seine Heimat, um in München eine Ausbildung zum Historienmaler zu beginnen. Danach verdingte er sich als Lithograf in Weimar. Von 1821 bis 1831 lebte und arbeitete er wieder in München, ehe es ihn zurück – für immer – ins Lechtal zog. 1835 errichtete er eine Zeichenschule; heute befindet sich dort, in seinem ehemaligen Haus, die Schnitzerschule.
Natürlich widmet das Museum einen Großteil seiner Schau Johann Anton Falger, aber auch die Geierwally ist verewigt. Seit 2020 gibt es einen Ausstellungsraum, das Geierwally-Zimmer. Ja, die Geierwally gab es real. Nicht, wie viele denken mögen, nur als Roman- und Filmfigur. Sicherlich: Anna Stainer-Knittel erlangte erst als Romanfigur durch die Schriftstellerin Wilhelmine von Hillern (1836-1916) Kultstatus, doch umgibt die 1841 in Elbigenalp geborene und 1915 in Wattens bei Innsbruck verstorbene Frau in ihrer Heimat ein besonderer Mythos.
Eine bekannte Porträtmalerin
Stainer-Knittel war eine zu ihrer Zeit über die Grenzen Tirols hinaus bekannte Porträt-, Landschafts- und Blumenmalerin. Ihr Mentor war Johann Anton Falger. Und ihr Bekanntheitsgrad stieg, als sie (als Frau!) 1858 einen Adlerhorst in felsiger Höhe ausnahm (wie ein zweites Mal fünf Jahre später), weil sich sonst niemand fand, der dieser Mutprobe gewachsen war. Im 19. Jahrhundert musste auf diese Weise die Adler-Population eingedämmt werden, um etwaige Attacken der Greifvögel auf die Schafherden eines Dorfes zu verhindern.
Stolz sind die Verantwortlichen des Museums auch, dass es noch nicht ausgestellte Bilder und handbemaltes Porzellan von Anna Stainer-Knittel aus dem Privatbesitz einer Ururenkelin sowie Dauerleihgaben des Kulturvereins und von Privatpersonen zeigen darf.
Informationen: Museum Wunderkammer, Dorf 47, A-6652 Elbigenalp, Tel.: +43(0) 5634 – 200 24; E-Mail: info@wunderkammer.tirol; Internet: www.wunderkammer.tirol und Tourismusbüro Elbigenalp, Tel. +43(0) 5634 5315.