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In Montagnola auf Hermann Hesses Spuren

Am 9. August jährt sich zum fünfzigsten Mal Hermann Hesses Todestag. Wir machten uns auf den Weg ins Tessin, zum letztem Wohnort des Nobelpreisträgers. Unweit von Lugano befindet sich das Hermann-Hesse-Museum. Ein Rundweg führt zu den wichtigsten Plätzen im Leben des Dichters.

Blick von Montagnola auf den Luganer See.

Blick von Montagnola auf den Luganer See.

Von Lugano aus fährt ein Postauto, ein Auto Postale, wie es im Tessin heißt, nach Montagnola, einem Dorf in der Gemeinde Collina d’Oro. Von der Bushaltestelle Bellevue aus sind es nur wenige Meter, bis zur Torre Camuzzi. Eine kleine Steintreppe zwischen zwei Platanen führt uns ins Innere des Museo Hermann Hesse, das uns in heimeliger Atmosphäre empfängt. Kurz darauf stehen wir vor des Dichters Schreibtisch, der bedeckt ist mit Büchern, Stiften und Steinen. In der stattlichen Schreibmaschine “Smith Premier Nọ 4”, die Hesse 1908 gekauft hatte, steckt ein beschriebenes Blatt, daneben liegt die dünne Nickelbrille, die der Schriftsteller auch auf zahlreichen Fotos trägt. In Glasvitrinen befinden sich weitere persönliche Gegenstände, Postkarten, Bilder und handschriftliche Notizen, wie die vom Dichter erstellte Anleitung zur “Benutzung der Ölheizung” und natürlich wurden auch Bücherregale aufgebaut, auf denen man die Buchrücken der Lieblingswerke Hesses bestaunen kann. Sein Leben wird anhand von Fotografien, Tondokumenten und Schautafeln mit den wichtigsten Daten anschaulich dargestellt.

Als Hermann Hesse 1919 nach Montagnola zog, hatte er einen endgültigen Bruch mit seinem bisherigen Leben vollzogen. Von seiner Frau Mia hatte er sich kurz zuvor getrennt, die drei Söhne blieben bei ihr. Beruflich und finanziell befand er sich in einer bedrückenden Situation und das Tessin erschien ihm als eine “vorbestimmte Heimat”, ein “ersehntes Asyl”, in einer Zeit, da er in Deutschland als “Drückeberger” und “vaterlandsloser Gesell” geächtet wurde.

Hesses Grabstein.

Hesses Grabstein.

Hesse zog es in die Natur

Im Tessin fand Hesse eine spärlich besiedelte Landschaft, weitgehend unberührte Kastanienwälder, viel Natur und wenig Spuren der modernen, von ihm als hektisch, marktschreierisch und zerstörerisch empfundenen Zivilisation vor. Auch heute noch bietet die Collina d’Oro ruhige und beschauliche Plätze, Wege und Wälder nur wenige Kilometer abseits der Bankenstadt Lugano.

Den Großteil der Tessin Touristen zieht es an die Ufer der Seen, nach Locarno oder Ascona, die Collina d’Oro bleibt von Touristenströmen weitgehend unberührt. Umso mehr kann man den Hermann-Hesse-Rundweg genießen, den das Museum in Zusammenarbeit mit der Gemeinde eingerichtet hat.

Kaum Menschen, aber Salamander

Das Hermann-Hesse-Museum befindet sich in der Torre Camuzzi.

Das Hermann-Hesse-Museum befindet sich in der Torre Camuzzi.

In wärmender Frühlingsluft gehen wir los. Es sind kaum Menschen unterwegs, dafür sehen wir Salamander, die am Wegesrand flitzen und in Mauerritzen verschwinden. Die erste Station führt uns zur Casa Camuzzi, einem neobarocken Gebäudekomplex, in dem Hesse bis 1931 eine Wohnung gemietet hatte. Leider ist es nicht möglich, die Casa Camuzzi von innen zu besichtigen, man kann jedoch von außen die Terrasse sehen, von der aus der Dichter einen weiten Blick über das Tal, zum Luganer See und zum Monte San Salvatore hatte. Nur ein paar Meter weiter, entlang der Via Ra Cürta kommt man zu einer Bank, von der aus man diesen Ausblick nachempfinden kann. Die heutige Landschaft wird durchschnitten von der A2, die in südlicher Richtung zum Comer See und nach Italien, und in nördlicher durch den Gotthard bis nach Basel führt. Man sieht die Betonklötze von Paradiso und andere Bausünden und übersieht dabei beinahe die Schönheit der Landschaft, die Erhabenheit der satt grünen Hügel und die Ruhe des Sees, die etwas Transzendentales ausstrahlt.

Als wir hinkommen sitzen ein Junge und ein Mädchen auf der Bank, Arm in Arm. Sie sind vielleicht fünfzehn Jahre alt, augenscheinlich sehr verliebt und murmeln leise miteinander. Wir wollen sie nicht stören und stellen uns mit unseren Audioguides etwas abseits.

Der Audioguide erzählt

Hesses Schreibmaschine.

Hesses Schreibmaschine.

Es gibt zu jeder Station sechs Tonspuren. Die ersten drei sind dem Thema „Hermann Hesse und das Tessin“ gewidmet, wobei viele Texte vom Dichter selbst gesprochen sind. Die Tonspuren vier bis sechs liefern Informationen zur Collina d’Oro und sind überschrieben mit “Wege der Kunst”, “Wanderwege” und “Kulinarischer Führer”.

Wir folgen dem Rundweg zur Via Collina d’Oro und erreichen die Kirche von Sant’ Abbondio, zu der eine beeindruckende Allee aus Zypressen führt. In unmittelbarer Nähe liegt der zugehörige Friedhof, mit dem Grab Hermann Hesses. Es ist schlicht gehalten mit einem einfachen Granitstein, auf dem der Name und die Lebensdaten des Dichters eingeschrieben sind. Jemand hat Steine darauf gelegt, und ein feuchter Boden zeugt davon, dass kürzlich die Blumen und Sträucher, die das Grab umsäumen, gegossen wurden. Der Friedhof beherbergt noch weitere große Persönlichkeiten, wie den Dirigenten Bruno Walter sowie den Dadaisten Hugo Ball und dessen Frau, die Dichterin Emmy Ball-Hennings.

Tessiner Grotti

Blick von Montagnola auf den Luganer See.

Blick von Montagnola auf den Luganer See.

Wir verlassen den Friedhof und gehen einige Meter die Landstraße entlang, bis man abbiegt und in einen kleinen schattigen Wald. Hier ist alles grün und freundlich; am Eingang zum Wald wurde ein Schild befestigt mit dem Hinweis, dass auf Sauberkeit zu achten sei.

Der Weg führt uns zu zwei Grotti, jenen berühmten Tessiner Waldschenken, die auch Hesse regelmäßig frequentierte. Ursprünglich wurden in den Grotten Wein und Käse kühl gelagert. Heute sind die Grotti urige Tessiner Lokale, wo man unter Bäumen sitzt und regionale Gerichte genießen kann. Hermann Hesse schätzte ihre Urtümlichkeit. Er würdigt sie in mehreren Gedichten und Aufsätzen und die Titelfigur aus seiner Erzählung “Klingsors letzter Sommer” labt sich am Wein eines Grotto, den man unschwer als das Grotto Morchino in Pazzallo bestimmen kann.

Hesse widmete sich auch der Malerei

Exponate im Hesse-Museum.

Exponate im Hesse-Museum.

Der weitere Weg führt uns über eine Lichtung zu einigen von Hesse bevorzugten Motiven für seine Zeichnungen und Aquarelle. Neben dem Schreiben widmete Hesse sich vor allen Dingen der Malerei. Viele seiner Werke kann man im Museum besichtigen. Dort werden auch seine Malutensilien ausgestellt. Ein hölzerner Farbkasten mit bunter Palette, halb ausgedrückte Farbtuben sowie Stifte und Pinsel machen dein Eindruck, als käme der Maler jeden Augenblick zurück um die Arbeit wieder auf zu nehmen.

Hesse liebte die Landschaft und die Farben des Tessins und auch wenn viele der Motive seiner Bilder heute nicht mehr existieren oder durch Neubauten verschandelt wurden, so hat man noch immer das brennende Rot der Blüten, das vielfältige Grün der Blätter und das satte Blau des Himmels wie zu damaligen Zeiten.

Diesen Blick genoss auch Hesse auf den See von Lugano.

Diesen Blick genoss auch Hesse auf den See von Lugano.

Der Rundweg hat uns zurück nach Montagnola geführt, zur Casa Rossa, dem Haus, in dem Hesse seine letzten Lebensjahre verbrachte. Die Casa Rossa ist heute nicht mehr, wie der Name kündet, rot gestrichen ist, sondern weiß getüncht. Hesse lebte dort mit seiner Frau Ninon weitgehend zurückgezogen. Er widmete einen großen Teil seiner Zeit dem Schreiben von Briefen sowie der Arbeit im Garten. Am Eingang zum Grundstück hatte er ein Schild anbringen lassen: “Bitte keine Besuche”, denn inzwischen war er berühmt geworden und die Ruhe, die er im Tessin gefunden hatte, wurde bedroht durch unzählige Bekannte oder Fremde, Leser oder einfach nur Neugierige, die den Dichter aufsuchen wollten.

Nach zwei Stunden ist der Rundgang zu Ende und wir freuen uns auf einen Cappuccino im Literaturcafé Boccadoro. Im Schatten der Arkaden, nur wenige Schritte vom Museum entfernt, kann man sich erholen und in den Büchern Hesses stöbern, die im Innern des Cafés ausliegen. Schließlich geht es zurück, zur Bushaltestelle Montagnola Bellevue und wenig später sitzen wir im AutoPostale, dass uns zurück ins betriebsame Lugano bringt.

Infos: Museo Hermann Hesse, Ra Cürta, Torre Camuzzi, Casella postale 214, 6926 Montagnola, www.hessemontagnola.ch, Tel. +41 (0)91 993 37 70, Fax +41 (0)91 993 37 72, E-Mail: info@hessemontagnola.ch, Öffnungszeiten: März – Oktober täglich (auch montags und feiertags) von 10.00 – 18.30;  November – Februar: Samstag und Sonntag, 10.00 – 17.30; Für Gruppen: auf Anfrage auch an anderen Wochentagen

Anfahrt: Von Lugano aus fährt der Bus (Auto Postale) 436 in Richtung Agra. Einstieg in Lugano an der Rückseite des Hauptbahnhofes oder im Stadtzentrum im Busbahnhof in der Via Serafino Balestra. Ausstieg in Montagnola an der Haltestelle Bellevue. Dort wenige Meter der Straße folgen und links in die Via del Camuzzi einbiegen. Fahrtzeit ca. 15 Minuten.

Fotos: Matthias Lüttin

Raushier-Reisemagazin

Ein Gedanke zu „In Montagnola auf Hermann Hesses Spuren

  1. Lesen Sie Hesse empfahl mir meine. Zahnärztin!
    Ich habe Hesse mehrmals seitdem gelesen .
    Und dich habe es nie bereut .
    Das,war im Jahr 2012 Seit her bin ich von ihm und seinen
    Büchern begeistert.
    Herzliche Grüße Matthias Unger

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