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Versammlungshaus der Maori: Projekt „Rauru“ im Museum für Völkerkunde Hamburg

Im Museum für Völkerkunde Hamburg steht seit 100 Jahren ein Versammlungshaus der Maori. Es trägt den Namen Rauru und kommt von der Nordinsel Neuseelands, wo die Schnitzer der Te Arawa es um 1900 fertig gestellt haben.

Die Restaurierungsmaßnahmen

Das Maori-Versammlungshaus Rauru steht im Völkerkundemuseum Hamburg. Foto: Paul Schimweg

Das Maori-Versammlungshaus Rauru steht im Völkerkundemuseum Hamburg. Foto: Paul Schimweg

Am 7. Oktober ist seine feierliche Neueinweihung in Hamburg geplant. Im Vorfeld der großen Jubiläumsfeier erfolgt derzeit eine umfassende Umgestaltung des Ausstellungsraums. Auch Rauru selbst wird weitreichenden Restaurierungsmaßnahmen unterzogen. Diese werden federführend von Experten aus Neuseeland durchgeführt unter Verwendung von pflanzlichen Materialien, die extra für diesen Anlass in wochenlangem Einsatz in Neuseeland geerntet, aufbereitet und nach Deutschland verschifft wurden. So erhält das Dach des Hauses eine neue Deckung aus „Raupo‛, einem Rohrkolbengewächs, das einst der typische Dachbelag für Versammlungshäuser war und in schweißtreibender Handarbeit in Feuchtgebieten entnommen wird. Heutzutage ist seine Verwendung als Dachdeckmaterial selten geworden. Bereits seit mehreren Jahren wurde kein Dach eines Versammlungshauses mehr mit Raupo gedeckt. Raurus Renovierung gibt den Restauratoren aus Neuseeland somit die Möglichkeit, diese alte Tradition der Maori wieder neu zu beleben und Erfahrungen damit zu sammeln.

Neben diesen Arbeiten gilt das besondere Augenmerk den Flechtpaneelen (turapa / tukutuku) im Inneren des Hauses. Diese Form der Wandverkleidung besteht im Wesentlichen aus einem Rahmengerüst das mit Längs- und Querlatten gitterartig gefüllt ist. Die Latten sind mit einem Farbanstrich versehen und weisen komplexe Muster auf, die mit gefärbten Pflanzenfasern aufgestickt wurden. In den letzten 100 Jahren, haben sich einige dieser Fasern in Raurus Wandverkleidung zersetzt und werden nun sorgfältig von Expertenhand erneuert, damit die Muster wieder ihre alte Strahlkraft entfalten können.
Der Zahn der Zeit zeigt sich zudem in kleineren Rissen und einer dicken Staubschicht. Somit gibt es noch eine Vielzahl von Ansatzpunkten für die Generalüberholung Raurus bevor im Oktober eine Delegation der Te Arawa durch eine Einweihungszeremonie das Haus erneut für die Öffentlichkeit zugänglich machen wird.

Die Ausführenden

All diese Maßnahmen bedurften einer längeren Vorbereitung. Bereits im November letzten Jahres besuchten Jim und Catherine Schuster das Museum, um sich ein Bild vom Zustand Raurus zu machen. Sie listeten die Schäden, ermittelten den Materialbedarf und organisierten von Januar bis März – während des Südsommers – den Ernteeinsatz in Neuseeland. James Schuster ist wie kein anderer prädestiniert für diese Aufgabe. Als Mitarbeiter des New Zealand Historic Places Trust ist er spezialisiert auf die restauratorische Betreuung von Versammlungshäusern. Er hat zudem einen ganz persönlichen Bezug zu Rauru: Er ist einer der Nachfahren von Tene Waitere, dem Schnitzer aus der berühmten Schnitzschule der Ngati Tarawhai, der Raurus Stilgebung und Formsprache maßgeblich geprägt hat.

Auf den Spuren seines Vorfahren betreut James Schuster auch andere Projekte außerhalb Neuseelands. Das Versammlungshaus Hinemihi in Clandon Park in Surrey (UK) genießt bereits seit einigen Jahren seine und Catherines Schusters Fürsorge. Ihr Engagement, das zur Gründung von ‚Toiora Associates’ führte, gilt vor allem der Bewahrung und der Weitergabe der traditionellen handwerklichen Fertigkeiten, die einst für die Entstehung dieser wunderbaren Häuser maßgeblich waren.

“Te ika a Maui” – Holzpaneel aus “Rauru”. Dargestellt ist der Kulturheros Maui beim “Angeln” nach der Nordinsel Neuseelands; Geschnitzt von Tene Waitere. Foto: Brigitte Saal

“Te ika a Maui” – Holzpaneel aus “Rauru”. Dargestellt ist der Kulturheros Maui beim “Angeln” nach der Nordinsel Neuseelands; Geschnitzt von Tene Waitere. Foto: Brigitte Saal

Für Rauru ist es ihnen gelungen, unter den Maori eine hochkarätige Reihe von freiwilligen engagierten Helfern zu mobilisieren und nach Hamburg zu holen. Das Rauru-Projekt war geboren. Gefördert wird es u.a. vom New Zealand Historic Places Trust, vertreten durch Te Kenehi Teira und Jim Schuster. Das New Zealand Maori Arts and Crafts Institute – Te Puia hat die Leiterin der nationalen Webschule, Edna Pahewa, entsandt. Unterstützt wird sie durch die erfahrenen Weberinnen Tina Wirihana und Catherine Schuster. Ihr Beitrag ist kein Selbstzweck. Wichtig ist die Bewahrung und Vermittlung ihres Wissens. Daher besteht ihr Team auch aus Vertretern der jüngeren Generation. Zusammen mit ihnen erhalten auch die Mitarbeiter des Museums Gelegenheit, sich die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten anzueignen, die erforderlich sind, um Rauru für die nächsten Generationen zu bewahren. Die Anwesenheit der acht Experten aus Neuseeland ist für das Museum für Völkerkunde somit ein weitreichendes, großzügiges und nachhaltiges Geschenk. Es untermauert unsere Beziehung zu Neuseeland und stärkt die Bande, die Rauru seit jeher mit seiner Heimat verbinden.

Rauru ist ein Stück Neuseeland im Herzen des Museums und damit auch mitten in Hamburg. Die Botschaft Neuseelands und das Generalkonsulat haben das Rauru-Projekt von Anfang an nach Kräften gefördert, ebenso das Goethe-Institut in Wellington.

Wie kam das Maori-Haus Rauru nach Hamburg?

Außerhalb Neuseelands gibt es nur wenige Beispiele von Maori-Architektur, und das Hamburger Haus ist eines der größten und prachtvollsten. Dass es überhaupt kurz nach seiner Fertigstellung um 1900 in Neuseeland zum Verkauf angeboten wurde, liegt in den außergewöhnlichen Umständen seiner Baugeschichte begründet.

Mitte des 19. Jahrhunderts auf der Nordinsel Neuseelands

Der Anführer eines Maoristammes, Te Waru, beschließt zu Ehren seiner jungen Frau ein reich verziertes, großes Versammlungshaus bauen zu lassen. Hierfür engagiert er die Schnitzer Tara Te Awatapu und Te Poroa. Die Herstellung eines solchen Hauses ist mit vielen Vorschriften bzw. Tabus belegt, die Te Waru jedoch nicht alle beachtet. Obwohl ein Ältester Te Waru warnt, setzt dieser den Hausbau fort. Infolge des Tabu-Bruchs, kommt es zu mehreren Todesfällen. Te Waru nimmt schließlich Abstand von seinem Plan, das große, reich verzierte Versammlungshaus fertig stellen zu lassen.

1897 im Dorf Whakarewarewa, nahe Roturua

Der aus Schweden stammende Hotelmanager Charles E. Nelson zeigt großes Interesse an der Kultur der Maori. Er erwirbt einige der ursprünglich von Te Waru beauftragten geschnitzten Holzpaneele. Nelson will mit diesen gegenüber seinem Hotel ein großes, reich verziertes Versammlungshaus errichten lassen. Hierzu engagiert er die drei Schnitzer Anaha Te Rahui, Neke Kapua und Tene Waitere. Schon während der Bauzeit vermarktet Nelson das entstehende Haus als Touristenattraktion und stellt Überlegungen über den späteren Verbleib von Rauru an.

Die feierliche Einweihungszeremonie im Jahr 1900

Nach Fertigstellung findet eine zweitägige Einweihungszeremonie statt, in deren Rahmen das Haus seinen Namen „Rauru“ erhält. Zwei sehr erfahrene Priester der Maori befreien das Versammlungshaus von seinem Fluch. Die Hauptzeremonie am zweiten Tag leitet Te Rangitahau, der unter Europäern und Maori gleichermaßen als Krieger und Priester Berühmtheit erlangt hat. Auf die Weihung folgt ein gemeinsames großes Fest mit Tänzen und einem großen Festmahl.

Rauru kommt nach Hamburg

Bereits vor dieser Einweihung hatte Nelson dem jungen deutschen Wissenschaftler Georg Thilenius im Herbst 1898 das Vorkaufsrecht für Rauru zugesichert. Bis es tatsächlich nach Hamburg gelangt, vergehen noch acht weitere Jahre. 1912 zahlt Thilenius, inzwischen Direktor des Museums für Völkerkunde Hamburg, die letzte Rate für Rauru ab. Seither ist dieses aufgrund seiner Geschichte, Formensprache, Größe und Vollständigkeit einzigartige Versammlungshaus das herausragende Exponat der Ozeanienabteilung des Museums für Völkerkunde in Hamburg und zentrales Bindeglied zur Maori-Kultur.

„Rauru – Meisterwerk der Maori“, ab 7. Oktober 2012 im Museum für Völkerkunde Hamburg, www.voelkerkundemuseum.com

 

Raushier-Reisemagazin

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