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Mit Übergewicht auf Montgolfiers Spuren über dem australischen Outback

Das Red Centre ist heiß und beinahe unendlich weit. Den besten Blick auf diesen Part des australischen Outbacks bietet die Vogelperspektive. Besonders majestätisch über die Halbwüste schwebt, wer von Alice Springs aus mit einem Heißluftballon abhebt – so manche Überraschung inklusive.

Roter Ballon über roter Erde.

Roter Ballon über roter Erde.

Eine halbe Stunde zuvor hatte sich der Himmel noch sternenklar gezeigt, nun ist er eintönig grau. Bewölktes Wetter ist in der Halbwüste zwar selten, für den Start eines Heißluftballons aber kein großes Hindernis. Ein einsam dastehender Pfosten als letztes Überbleibsel eines Zauns kann hingegen durchaus zu einer gefährlichen Barriere werden. Besonders wenn der Ballon genau darauf zusteuert und partout nicht an Höhe gewinnt.

Die lebhafte Unterhaltung der Passagiere stockt. Der Korb schleift erst über die staubige Erde, dann fängt er an zu hoppeln. Aber er will einfach nicht abheben. Alle Augen gebannt auf den Zaunpfahl, eine Kollision unvermeidlich. Augenblicke später peitscht ein lauter Schlag durch die Nacht. Der Korb hat den Pfosten an dessen oberen Ende touchiert und kippt, beinahe um 45 Grad. Nur mit viel Mühe fällt niemand hinaus. Kein Aufschrei, nichts. Immer noch bringt keiner der Insassen auch nur einen Ton heraus. Aber zumindest erhebt sich der Ballon nun in die Lüfte, als wäre nichts gewesen.

Basislager Alice Springs

So stellt sich den Start einer geruhsamen Fahrt mit dem Heißluftballon eigentlich niemand vor. Auch nicht, wenn der Tag in Alice Springs um viertel nach drei Uhr morgens schon anstrengend begonnen hat. Alice Springs ist die australische Outback-Metropole. Wobei „Metropole“ auf das 28.000-Einwohner-Städtchen eigentlich nicht so richtig passen mag. Urbane Attraktionen etwa hat Alice kaum zu bieten.

Deshalb kommt aber auch niemand dorthin, wo der Fünfte Kontinent am australischsten ist. Wer nach Alice reist, für den ist die Stadt vor allem der Ausgangspunkt für Touren zu den Naturwundern des Red Centres. Ayers Rock und die Olgas, oder Uluru und Kata Tjuta, wie die Ureinwohner in ihrer Sprache sagen, sind auf jeder Reise nach Down Under ein Muss. Nur rund 450 Kilometer von Alice Springs sind für australische Verhältnisse ein Katzensprung, die Stadt deshalb ein ideales Basislager für einen Abstecher dorthin.

Alles bereit für den Start.

Alles bereit für den Start.

Oder für eine Fahrt mit dem Heißluftballon. Dafür beginnt der Tag aber noch vor dem Morgen­grauen. Wenigstens ist der Himmel endlich klar. Die Tage zuvor waren immer wieder Wolken aufgezogen und noch am Vorabend hatte es geregnet – geregnet im sonst so trockenen Red Centre! Wer den meist ausgetrockneten Todd River, der durch Alice Springs fließt oder eben auch nicht, drei Mal tatsächlich als Fluss gesehen hat, gilt mit einem Augezwinkern als Einheimischer. So selten regnet es. Eigentlich. Während des Wartens auf den Kleinbus des Ballon-Unter-nehmens aber führt der sonst so staubige Strom schon zum zweiten Mal Wasser – und das innerhalb einer Woche. Zumindest ist aber keine Wolke mehr zu sehen. Der ungetrübte Blick auf den Sternenhimmel der südlichen Hemisphäre nährt die Hoffnung auf einen Sonnenaufgang im Outback.

Nach der Ankunft des japanischen Zehnsitzers – fast zwanzig Minuten zu spät, in Australien kein Grund für lange Auslassungen – sind die guten Aussichten aber fürs Erste vorbei. Shawn, der Busfahrer, der sich später auch als Pilot herausstellen sollte, erinnert an einen zu groß geratenen Pfadfinder und macht einen schlechten Witz nach dem anderen.

Schwer beladen

Das wäre sogar noch einigermaßen zu ertragen gewesen, am nächsten Hotel steigen aber drei weitere Passagiere zu. Sie sprechen englisch, aber ohne australischen Akzent. In breitem texanischem Singsang stimmen sie sofort in Shawns peinliches Komikfeuerwerk ein. Schnell dreht sich die Unterhaltung nur noch um ein Thema: die Nahrungsaufnahme. Und diese Vorliebe sieht man dem Trio aus dem Land der Cheeseburger und der koffeinhaltigen, schwarzen Brause auch mehr als deutlich an.

Nachdem das halbstündige nahrhafte Witzprogramm überstanden ist, kommt die bunt zusammen gewürfelte Ballongemeinschaft auf Zeit endlich am Startplatz an. Teils immer noch feixend, teils ob so viel schlechtem Humor zu solch früher Stunde genervt. Auch die Hoffnung, dass die Passagiere vielleicht noch auf unterschiedliche Ballone – es starten zwei – verteilt würden, zerschlägt sich schnell. Doch damit nicht genug. Auch dem Himmel ist das Lachen vergangen. Innerhalb weniger Minuten ist eine dichte Wolkendecke aufgezogen, kein einziger Stern mehr zu sehen. Die Hoffnung auf einen traumhaften Sonnenaufgang dahin.

Roter Schlamm nach heftigem Regen.

Roter Schlamm nach heftigem Regen.

Ob das schwergewichtige US-Team schon bei der Buchung seine Kilos angegeben hat, bleibt offen. Die Verteilung der Passagiere auf die beiden Ballone lässt dies aber vermuten. Der eine Korb ist mit einem Dutzend voll gefüllt, beim anderen mit dem ausnahmslos Latzhose tragenden Trio an Bord bleiben fünf Plätze frei.  Wahrscheinlich ist auch zu siebt das zulässige Gesamtgewicht bereits erreicht – oder sogar überschritten?!

Das Red Centre aus der Vogelperspektive

Die Brenner der Ballone erhellen die Finsternis und füllen die roten Hüllen der Fluggeräte mit heißer Luft. Langsam streben die riesigen Christbaumkugeln auf den Spuren der französischen Heißluftballonpioniere Joseph und Jacques Montgolfier mitten in der australischen Wildnis gen Himmel. Einer der beiden Ballone hebt ohne Probleme ab, der andere hat ein Rendezvous mit einem Zaunpfahl. In welchem die drei Burgerfreunde stecken, bedarf wohl keiner näheren Erläuterung. Auf dem weiteren Weg nach oben touchiert der Ballon noch eine Baumkrone, dann aber entfaltet diese Fahrt durch die Lüfte doch noch ihre Magie.

Australiens Red Centre hat seinen Namen von seiner zentralen Lage auf dem Fünften Kontinent und vom charakteristischen roten Sand dieser Halbwüste. Die Landschaft ist geologisch etwa 800 Millionen Jahre alt und erstreckt sich über mehr als eine Million Quadratkilometer. Wahrscheinlich entstand das Red Centre aus einem riesigen Binnensee. Im Jahr 1985 hat die australische Regierung große Teile des Landes an die Ureinwohner zurückgegeben.

Landung im roten Outback.

Landung im roten Outback.

Und das Land der Aboriginals ist traumhaft schön. Sogar, wenn man wegen der Wolken auf den Sonnenaufgang verzichten muss. Der Blick über die weite Ebene – nur zu Beginn von den Ausläufern der Gebirgskette der MacDonell Ranges unterbrochen – schweift ungehindert von Horizont zu Horizont. Unter dem Ballon gehen in der Dämmerung roter Sand und durch den Regen der Tage zuvor schnell ergrünte Büsche und Bäume eine beeindruckende farbliche Allianz ein. Und noch eine weitere Besonderheit halten die Wetterkapriolen parat: Fußballplatzgroße Wasserpfützen stehen in der Halbwüste. Kängurus versuchen sich dazwischen ihren Weg zu bahnen und ergreifen bei der sporadischen Betätigung des lautstarken Brenners sprunghaft die Flucht.

Wer zuletzt lacht

Doch nach gut einer halben Stunde ist alles vorbei. Und auch das hängt mit dem Wetter zusammen. Weil der Ballon wegen des aufgeweichten Bodens nur von einer befestigten Piste per Jeep und Anhänger abgeholt werden kann, muss Shawn früher als geplant zur Landung ansetzen. Auch der Weg nach unten führt wieder mitten durch die Krone eines Baumes. Vielleicht ist das bei der australischen Variante des Ballonfahrens ja obligatorisch?

Zurück auf festem Boden sind plötzlich sogar die amerikanischen Spaßvögel wirklich witzig – aber eher unfreiwillig. Eine der beleibten Damen aus dem Trio ist beim Aufladen des Korbes derart ungeschickt, dass sie mit Schwung in einer Schlammpfütze landet. Aber sie nimmt es treudumm auf die lockere Art, denn bald dreht sich ja sowieso wieder alles um ihr Lieblingsthema. Zurück in Alice Springs wird die Ballonfahrt genauso begangen wie die Gebrüder Montgolfier im 18. Jahrhundert ihre Jungfernfahrt feierten: Mit Hähnchen, Quiche Lorraine und Schokoladenkuchen. Und das dürfte das Trio an diesem Tag wohl am meisten begeistert haben.

Fotos: Kathrin Schierl

Raushier-Reisemagazin

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