Steinmetz zu sein war vor nicht einmal 150 Jahren ein überaus harter Job und eine in hohem Maße staubige Angelegenheit. Wer sich für diese Arbeit entschied, wusste, dass seine Lebenserwartung selten mehr als 40 Jahre betrug. Die meisten Steinhauer starben an Staublunge, weil sie ungeschützt – wer hatte damals schon Ahnung von einem Mundschutz – den Stein bearbeiteten.
Besonders gefährdet waren diejenigen, die mit dem Buntsandstein zu tun hatten. Im Gebiet rund um Miltenberg am Main in Nordbayern war die Sterberate häufig noch höher als in anderen Gegenden, weil dort sehr viel dieses feinkörnigen Gesteins abgebaut und verarbeitet wurde. Die inneren Bereiche des Buntsandsteins sind nämlich vorwiegend pulverig und verursachten beim Hauen und Klopfen sehr viel mehligen Sand – die Arbeiter hatten zeit ihres Berufslebens mit starken Hustenanfällen und schleimigen Auswürfen zu kämpfen.
Das Bier floss in Strömen
Um ihr Schicksal besser zu ertragen, ließen sie es vor allem an den arbeitsfreien Sonntagen gründlich krachen – das Bier, damals sehr preiswert, rann, vor allem in den Sommermonaten, in Strömen die trockenen Kehlen hinunter. Oft kam der Durst beim Bechern. Steinarbeiter waren nämlich eine trinkfeste Gesellschaft.
Glück hatten dabei diejenigen Steinmetzbetriebe, die auch Wirtshausbesitzer waren. Denn so floss der Lohn (damals wurde immer am Ende einer Woche ausbezahlt), der den Arbeitern überreicht wurde, umgehend, im wahrsten Sinne des Wortes, zurück zum Arbeitgeber. Oft genügte der Sonntag nicht und es wurde der „Blaue Montag“ eingeführt. So ist auch der Spruch zu verstehen, der im Museum Bürgstadt zu lesen ist: „Zu Lebtag wird kein Steinmetz reich; was er verdient, versäuft er gleich!“
Und weil in den Wintermonaten wegen Eis- und Schneeglätte der Betrieb ruhte, „feierten“ die Arbeiter ohne festes Einkommen. Das Wort „pumpen“ wurde hoffähig.
Der Fels bestimmt das Landschaftsbild
Wo immer man in Mainfranken unterwegs ist, trifft man auf Buntsandstein. An den Ufern des Mains rund um Miltenberg, Bürgstadt, Kirschfurt, Collenberg oder Stadtprozelten ragen die roten Felsformationen unübersehbar hervor, bestimmen neben dem Fluss das Landschaftsbild mit ihren zerklüfteten Felsformationen und geben hin und wieder sogar kleine bis mittelgroße Höhlen frei.
Hunderte von Beschäftigten
Diese Steinbrüche sind Zeugnisse der vergangenen beiden Jahrhunderte. Damals hatte das rote Gestein eine hohe Bedeutung, prägte und ernährte die Menschen der Region zwischen Spessart und dem Odenwald.
Durch Abbau, Verarbeitung und den daraus folgenden Handel konnten große Gewinne erzielt werden . Hier war deutschlandweit das Zentrum des roten Sandsteins. Der Stein an sich und auch das Können der hiesigen Handwerker und Bildhauer waren hoch geschätzt.
Die Hochblüte war zwischen den Jahren 1870 und mit Beginn des Ersten Weltkrieges 1914. In der Gründerzeit (im engeren Sinne die Jahre 1871-1873) hatten die großen Steinbruchbetriebe im deutschsprachigen Raum Hunderte Beschäftige.
Wie ein Canyon
Ab etwa Mitte des 19. Jahrhunderts nahm der Abbau von Sandstein industrielle Formen an. Die am gesamten Mainknie (so nennt man den Knick des Mains bei Miltenberg) gelegenen Hänge wurden förmlich aufgerissen und mussten dem Betrachter einen Anblick wie Canyons in den Vereinigten Staaten geboten haben.
Noch heute sind die Spuren deutlich sichtbar, auch wenn allmählich die Zweige und Äste der Bäume auf der Steilkante der Steinbrüche die Oberhand gewinnen.
„Am Untermain“, so berichtet Dorothea Zöller, Stadtführerin in Miltenberg, „war der Buntsandstein der Dominator. 70 bis 75 Prozent der Menschen in den Ortschaften waren davon berufsbedingt abhängig.“
Ein vielseitiges Material
Buntsandstein ist ein sehr vielseitiges Material: Hart genug, um außerordentliche Bauwerke wie Kirchen, Burgen oder einen Herrschaftssitz, wie es Schloss Johannisburg in Aschaffenburg darstellt, zu errichten. Auch massive Bildstöcke und robuste Grab(denkmale).
Ebenso die Sockel vieler Monumente und Brunnen, Brücken, Gewölbekeller und Futtertröge, selbst Gebrauchsgegenstände. Und weich genug, um Skulpturen, Statuen oder Büsten zu gestalten, wie das Jesus-Kruzifix im Museum Bürgstadt. Der Buntsandstein beherrscht das Ortsbild der Dörfer und Gemeinden. Sandstein, wohin man schaut!
Unübersehbar ist auch der Wohlstand, der damals, in der Blütezeit des Buntsandsteins, herrschte. Immer wieder kommt man an den großzügigen Sandstein-Villen der sogenannten „Steinbarone“ vorbei; die Fassaden öffentlicher, herrschaftlicher und privater Häuser lassen den damaligen Reichtum erahnen.
„Ohne Buntsandstein kein Spätburgunder“
Nicht vergessen werden dürfen bei obiger Aufzählung die unzähligen Kilometer an Mauerwerk der Weinbergterrassen, denn, so erklärt Winzerin Helga Stich vom gleichnamigen Weingut in Bürgstadt: „Ohne Buntsandstein kein Spätburgunder.“ Die Königin unter den roten Rebsorten gedeiht auf Buntsandsteinböden hervorragend, „weil sich die Reben frühzeitig im Jahr entwickeln können.“
Der Boden erwärmt sich mit den ersten Sonnenstrahlen im Frühjahr relativ rasch und wird vom Sandstein gespeichert. Das kommt natürlich dem Endprodukt, das im Fass vom Herbst an vor sich hin reift und dann in die fränkischen Bocksbeutel abgefüllt wird, sehr gelegen. „Buntsandsteinböden sind nämlich Witterungsböden“, verrät Helga Stich.
Anfänge gehen zurück in die Römerzeit
Die Anfänge des Abbaus und die Nutzung des Sandsteins reichen bis in die Römerzeit zurück. Der Sandstein ist zirka 250 Millionen Jahre alt und entstand an küstennahen Flach- oder Binnenmeeren. Der Sand stammte aber meist vom Festland und wurde durch Flüsse und Meeresströmungen an seinen endgültigen Ablagerungsort transportiert. Stadtführerin Zöller berichtet: „Der Abbau von Sandstein in Mainfranken ist so alt, wie der Mensch hier lebt.“
Heute hat sich das Sandstein-Gewerbe in eine wirtschaftliche Nische zurückgezogen.
Buntsandstein-Erlebnisweg
Um quasi dem Sandstein die Ehre zu erweisen, wurde im Mai 2022 der Buntsandsteinweg über sieben Etappen (von Miltenberg nach Faulbach) und 40,3 Kilometern der Öffentlichkeit übergeben. Ein Erlebnis für alle, die sich der Geschichte der „leuchtenden Wände“ annähern wollen und dabei Bau-, Kunst- und Kulturdenkmälern in den Mainorten in ihre Erkundigungen einfließen lassen möchten.
Etappenplan
1. Etappe: Miltenberg (leicht, 4,6 km), 2. Etappe: Bürgstadt (leicht, 4,7 km), 3. Etappe: Mainhelle-Kirschfurt (leicht, 7,1 km), 4. Etappe: Kirschfurt – Collenberg (mittel, 8,6 km), 5. Etappe: Collenberg-Dorfprozelten (mittel, 6,8 km), 6. Etappe: Dorfprozelten-Stadtprozelten (mittel, 5,2 km), 7. Etappe: Stadtprozelten-Faulbach (leicht, 3,2 km).
Neben dem Erlebnisweg ist ein Stopp auf halbem Weg im Collenberger Ortsteil Reistenhausen zu empfehlen. In einer ehemaligen kleinen Kirche wird alles, was irgendwie mit dem Thema Sandstein zusammenhängt, thematisiert.
Durch den Erlebnisweg und die Ausstellung soll der Sandstein wieder in das Bewusstsein rücken, welches mit seiner Geschichte verbunden ist.
Informationen: Churfranken e.V., Mainstraße 83, 63897 Miltenberg, Tel.: (09371) 6 60 69 76; Internet: www.churfranken.de, E-Mail: info@churfranken.de
Gastro-Tipps
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Landhotel Adler: Hauptstr. 20, 63927 Bürgstadt, Tel.: (09371) 9 78 80; Internet: www.adler-buergstadt.de; E-Mail: reservierung@adler-buergstadt.de
- Gasthaus zum Riesen: Hauptstr. 99, 63897 Miltenberg, Tel.: (09371) 98 99 48; Internet: www.riesen-miltenberg.de; E-Mail: info@riesen-miltenberg.de
- Häckerwirtschaft des Weinguts Stich, Freudenberger Str. 73, 63927 Bürgstadt, Tel.: (09371) 5705; Internet: www.weingut-stich.de; E -Mail: info@weingut-stich.de
- Gasthaus zur Krone , Miltenberger Straße 1, 63920 Großheubach, Tel.: (09371) 2663; E-Mail: lecker@gasthauskrone.de; Internet: www.gasthauskrone.de
Museum-Tipps
- Museum „BuntSandSteinGeschichten“ in der Alten Kirche, An der Alten Kirche 1, 97903 Collenberg
- Museum Bürgstadt, Am Mühlgraben 1, 63927 Bürgstadt
Die harte und gefährliche Arbeit der Steinmetze in der Vergangenheit ist wirklich erschütternd. Es ist traurig zu hören, dass viele ihr Leben aufgrund der extremen Bedingungen und der mangelnden Schutzmaßnahmen verloren haben. Diese Erinnerung unterstreicht die Bedeutung von Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz in allen Berufen.