zurück



Mühlviertel: Wer reitet so früh durch Tau und Tann?

Auf dem scheckigen Araberhengst über die Hügel in die untergehende Sonne reiten … muss nicht unbedingt das Ende eines Films über „Lonesome Cowboys“ sein. Das kann man auch selbst erleben, nicht einmal drei Stunden von Wien entfernt. Wobei der Cowboy dort zwar meist ein Cowgirl ist, aber die Romantik ist da – zufriedene Kühe, eine reizvolle Landschaft und häufig ein wunderbarer Sonnenuntergang.

Wie die Idee entstand

Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde

Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde

Die Idee zu diesem Reiterparadies an der Grenze zum Waldviertel, nordöstlich von Linz, kam einigen Bauern, als sie überlegten, was diese abgelegene Gegend, lieblich und hübsch, aber ohne besondere Marksteine für den Tourismus, Gästen so bieten könnte. Etwas, das andere nicht haben, attraktiv genug, um extra hierherzufahren.

Mit der Natur auf du und du…

Mit der Natur auf du und du…

Eine Besonderheit dieser Gegend sind die Einzelhoflagen, die vielen, verstreut liegenden Höfe, die sich nur selten zu Ortschaften zusammengefunden haben wie im Waldviertel. Und dazu die vielen unasphaltierten Verbindungswege, die hügelauf, hügelab, durch Täler und entlang verträumter Bachläufe, durch Wald und Feld, Wiese und Au führen. Hie und da eine romantische Ruine auf Bergesgipfeln, meist gutes Wetter, weil die grauen Wolken oft mit dem Ostwind vorbei zur Donau ziehen, und ein schnell trocknender Boden, Flysch genannt, eigentlich zerriebener Granit, als Ausläufer des Böhmisch-Mährischen Granitplateaus – das alles passt perfekt: nämlich als Reitwege. Als Trappelpfade mit vielen Einkehr- und Raststationen.

Und so erfand vor gut zwei Jahrzerhnten19 Jahren der Reitverband gemeinsam mit dem Tourismus die „Mühlviertler Alm“, eine etwa 500 kmgroße „Spielwiese“ für Reiter und alle, die es noch oder wieder werden wollen, mit zuerst – immerhin – bereits 420 Kilometern Reitwegen. Heute sind es beachtliche 700 Kilometer! Mit netten Zielen wie einem Moor mit erschwimmbarem Moorsee, einem Biwakplatz mit Grillmöglichkeit, urzeitlichen Granitmonumenten oder einer verfallenen Burg.

Bauern sind begeistert

Auch Kutschenfahrten und Kutschenfahren wird angeboten

Auch Kutschenfahrten und Kutschenfahren wird angeboten

Möglich war das vor allem, weil viele Bauern der Zweitnutzen ihres Hofes begeisterte. Und manche Jungbauern, die den traditionellen Hof nicht übernehmen wollten, damit eine interessantere Zukunfts-Chance sahen, und einen guten Grund, zu bleiben und etwas für die Entwicklung ihrer Heimat zu tun. So einigten sich 16 Gemeinden, Reitwege zu schaffen und zu pflegen – beileibe keine Selbstverständlichkeit, wenn man die Kommunalpolitik kennt; und die vielen Schwierigkeiten, wenn anderswo Wegerechte von sich gestört fühlenden Bauern erbettelt werden müssen.

Die Pferde haben keinen Stress; sie werden in offenen Ställen gehalten und können hinaus, wann immer es ihnen danach ist

Die Pferde haben keinen Stress; sie werden in offenen Ställen gehalten und können hinaus, wann immer es ihnen danach ist

Es klappt auch wirklich hervorragend. Sogar das Konkurrenzdenken hält sich in Grenzen, wie Thomas Holzweber meint, der zusammen mit Margit Kriechbaumer den Heimelsteiner Wanderreithof führt. Dieser recht typische Hof hält 20 Pferde, alles Araber, versorgt zwölf Gästepferde und bietet Reitern, die ihr Pferd mitbringen wollen, elf Stellplätze. Die Gäste, die gerne drei bis vier Tage bleiben, werden meist von Thomas oder Margit auf Ausritten begleitet. „Wenn die Leute die Gegend nicht gut kennen, ist mir das viel lieber, auch wenn es Markierungen und GPS-Unterstützung gibt. Und wir können die nettesten Plätze, Aussichtspunkte oder Raststationen ansteuern.“ Außerdem ist es sicherer, weil Gäste ihr Können immer wieder überschätzen.

Eine große Gelassenheit

Kinder kommen oft aus dem Staunen nicht hinaus

Kinder kommen oft aus dem Staunen nicht hinaus

Die Reiterhöfe werden ständig bequemer. „Heute will keiner mehr bei seinem Pferd schlafen“, weiß auch Thomas Holzweber. „Heute will man gemütlich Abendessen, womöglich Saunieren.“ Überhaupt scheint diese Gegend große Gelassenheit zu verbreiten. Es wird viel weniger Alkohol getrunken als früher, man möchte die Ruhe und die Nähe zur Natur genießen.  „Auch die Pferde haben hier keinen Stress. Die halten wir in offenen Ställen, die können immer hinaus, wenn ihnen danach ist, und die Hierarchie wird damit schon auf der Koppel geklärt und nicht erst beim Ausreiten – das merkt jeder Reiter sofort, die Pferde sind nicht nervös und daher gut zu führen.“

50 Pferderaststationen kann man ansteuern, mehr als 700 Reitpferde stehen dafür in den Ställen: Die Region hat sich deutlich in Richtung Wanderreiten entwickelt. „Jeder Hof hat seine passenden Gäste“, meint Holzweber, jeder also seine eigene Nische, mehr oder weniger luxuriös, mehr auf Familien eingerichtet, auf Anfänger oder Könner. Ein Wunsch wurde bisher allerdings nicht erfüllt: „Nett wäre es, wenn mehr Männer dieses Pferdeabenteuer teilen würden.“

Kutschenfahrten und Kutschenfahren

Der Schmied, noch vor kurzem ein aussterbender Berufszweig, hat sich wieder etablieren können

Der Schmied, noch vor kurzem ein aussterbender Berufszweig, hat sich wieder etablieren können

Ganz professionell kann man auch trainieren, wie zum Beispiel im Springgarten Hinterwiese, mit viel Platz für Galoppstrecken. Und dann Prüfungen ablegen, wie auf dem familienorientierten Großreithnerhof, vom Hufeisen, Reiterpass und der Reiternadel bis zum Einstieg ins Turniergeschehen.

Auch Kutschenfahrten und Kutschenfahren wird angeboten, das eine für feierliche Gelegenheiten – mit dem Lippizaner-Vierspänner im Landauer zum Beispiel – das andere sportlich und durchaus anspruchsvoll-waghalsig: Auf der Moser Alm findet man ein Fahrercamp, zum Training einen Fahrplatz mit Hindernissen, zum Relaxen einen überdachten Grillplatz, wo eine Gruppe mit Kutschen rundherum eine eigene Wagenburg aufstellen kann, mit Schlaflager für die Nacht – wildwestromantischer geht es wohl kaum mehr.

Beruf Schmied als Nutznießer

In Kürze geht`s los…

In Kürze geht`s los…

Aber auch andere Nutznießer dieses Trends zur errittenen Natur gibt es. Der Schmied, noch vor kurzem ein aussterbender Berufszweig, hat sich wieder etablieren können. Es gibt keine Nachwuchsprobleme, das Handwerk hat wieder Boden unter den Füßen bekommen. Immerhin arbeiten heute 700 Hufschmiede in Österreich (nicht alle hauptberuflich), beraten, arbeiten mit Tierärzten zusammen, wählen aus den 60 verschiedenen Huf-Modellen das Richtige aus, beschlagen und kontrollieren. Gerade hier im Mühlviertel schabt der granitscharfe Flyschboden heftig am Huf. Johannes Picker zum Beispiel beschäftigt zehn Leute. Zu zweit ziehen sie von Hof zu Hof, bieten „Hufservice“ an. Er kennt viele Pferde schon seit Jahren, hat sich auf orthopädische Probleme spezialisiert und arbeitet, wenn nötig, gleich direkt mit den Röntgenbildern vom Tierarzt. Seine Truppe wird bis nach Ungarn und Deutschland gerufen.

Auch Sattler partizipieren

Na dann Servus in einem der Reiterhöfe im Mühlviertel.

Na dann Servus in einem der Reiterhöfe im Mühlviertel.

Sattler partizipieren ebenfalls vom Mühlviertler Trend. Und sogar Psychotherapeuten: Der Reitpark Gstöttner bietet drei- bis viermal im Jahr 2 ½ Tages-Seminare für bis zu acht Personen an, Im Galopp an die Spitze, könnte man sagen, bei denen das Umgehen mit und der Kontakt zu Pferden zu einer Art Persönlichkeitstest wird, der dann für Arbeiten am Verhalten gegenüber Mitmenschen, Untergebenen oder Vorgesetzten genützt wird.

Einige Tipps und Anregungen unter www.pferdereich.atwww.heimelsteiner.atwww.groszreithner.at

Alle Fotos: Elisabeth Hewson

Raushier-Reisemagazin

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert