Dass die Holländer ein reiselustiges Völkchen sind, ist hinlänglich bekannt. Dass sie auch sportlich sind, ebenso. Und dass sie verrückt sind auf Eisschnelllaufen, ist auch kein Geheimnis. Aber dass sie einmal im Jahr den Weissensee in Kärnten in Beschlag nehmen, ist bei uns noch nicht so richtig angekommen.
Der Weissensee in Kärnten ist in den Wintermonaten ein beliebtes Ziel, vor allem für die Freunde des Eisschnelllaufs.
Denn immer dann, wenn der See zugefroren ist, fallen dort friesische Heerscharen ein wie hierzulande Stechmücken an subtropischen Sommertagen. Eisschnelllauf ist in unserem Nachbarland der Volkssport Nummer eins. Allein 15 000 Leistungssportler schnallen sich die Kufen unter die Schlittschuhe und hoffen auf einen Einsatz in der Nationalmannschaft. Amateure und Hobbyläufer gibt es ungleich mehr. Die Zahl geht in die Millionen. Jeder zweite Niederländer, so die Schätzungen, geht regelmäßig aufs Eis. Das wären über acht Millionen!
Österreichs höchst gelegener Badesee
Der 6,5 Quadratkilometer große Weissensee, an deren Ufer sich die Ortschaften Praditz, Oberdorf, Gatschach, Techendorf und Neusach wie kleine Mosaiksteine schmiegen, liegt auf 930 Metern und ist Österreichs höchst gelegener Badesee. Er ist 11,6 Kilometer lang und bis zu 900 Meter breit, und birgt mit seinen fjordähnlichen Einschlüssen eine besondere Idylle. Und weil er so hoch gelegen ist, ist er auch schon frühzeitig im Winter zugefroren. Zumindest der Westteil, weil dort die tiefste Stelle nur zwölf Meter beträgt. Ab Ende November wächst an den Ufern bereits die erste Eisschicht heran. Der Ostteil des Sees lässt sich da schon ein wenig mehr Zeit, weil es bis zum Grund 90 und mehr Meter sind. Doch ab Mitte Januar kann auch dort meist gefahrlos das Eis betreten werden.
Profis und Hobbyläufer aus ganz Holland flitzen einmal im Jahr um den Weissensee und machen das Event zur größten Eissportveranstaltung Kärntens.
Diese optimalen Voraussetzungen machen sich die holländischen Eisschnelllauf-Freunde seit 25 Jahren zu eigen. 5000 Friesen und mehr tragen dann nämlich zwischen Mitte Januar und Anfang Februar auf Europas größter beständiger Natureisfläche innerhalb von zwei Wochen über verschiedene Distanzen ihre nationalen Volkslauf-Meisterschaften aus und flitzen um die Wette; es ist die größte Eissportveranstaltung und wichtigstes Wintersportevent Kärntens. Königsdisziplin ist die Strecke über 200 Kilometer; der Rekord liegt bei sagenhaften 5:11 Stunden.
Eine gewaltige Zeit
Dick eingemummt trotzen die Friesen den eisigen Temperaturen.
„Das entspricht 40 Kilometer in der Stunde“, entbindet uns Naturparkführer Wolfgang Wernitznig mit einem leichten Schmunzeln vor eventuell unlösbaren Rechenaufgaben. „Das ist gewaltig.“ Der 44-Jährige muss es wissen, denn er ist selbst Eisschnellläufer und immer noch aktiv. Seine Bestzeit beträgt 5:53 Stunden. Damit ist er Österreichs Rekordhalter auf der 200-Kilometer-Strecke. Und ganz nebenbei erwähnt er überaus bescheiden, dass er im Jahr 2006 alle am Start versammelten Holländer hinter sich gelassen hat. Im Übrigen ist der ehemalige Profi Eislauftrainer, und zwar der einzige am See.
Sportlich rasant und von einer großen Zuschauermenge angefeuert drehen mehr als 5000 Teilnehmer ihre Runden um den See.
Die örtlichen Tourismusverantwortlichen singen natürlich ein Loblied ob dieses Ereignisses und die heimischen Gastronomiebetriebe jubilieren in den höchsten Tönen. Denn die Zimmer in den Pensionen, Gasthöfen und Hotels rund um den See sind in dieser Zeit ebenso ausgebucht wie kleinere Appartments und größere Ferienwohnungen. „In diesen zwei Wochen kommen wir auf 33 000 Übernachtungen,“ berichtet Andrea Ronacher von der Weissensee Information voller Stolz, und ergänzt: „Wenn man bedenkt, dass wir von Dezember bis März zwischen 100 000 und 110 000 Übernachtungen haben, dann sind diese zwei Wochen geradezu überwältigend für uns.“
Früh übt sich, wer ein ganz Großer werden will.
Im Vorfeld der Veranstaltung haben die „Weissenseer“ natürlich alle Hände voll zu tun. Und selbstverständlich auch die Niederländer als Ausrichter dieses gigantischen Spektakels. Der wichtigste Mann ist dennoch ein Einheimischer: Norbert Jank.
James Bond sei Dank
Der 66-Jährige kam quasi wie die Jungfrau zum Kind zu seinem Job. Als nämlich 1987 der James-Bond-Film „Der Hauch des Todes“ auf dem Weissensee gedreht wurde, war Jank für die Sicherheit aller Beteiligten sowie für den Einsatz und die Koordination der einheimischen Hilfskräfte verantwortlich – er wurde als Eismeister auserkoren. Ab sofort war sein „Schicksal“ besiegelt.
Jahr für Jahr die selbe Prozedur
Ohne ihn geht nichts: Eismeister Norbert Jank.
Er und sein Team müssen nunmehr jedes Jahr die Eisfläche so präparieren, dass sie den Menschenmassen standhält. Das Eis sollte spielgelglatt sein, Furchen und Rillen tunlichst beseitigt werden. Jank weiß um sein Tun wie kein anderer: „Diese enorme Verantwortung ist mir bewusst, doch ich kenne das Eis mittlerweile wie meine Westentasche“, versichert er.
Nach dem Kino-Erfolg wurden findige Holländer hellhörig, denn sie hatten schon länger enorme Schwierigkeiten, die Rennen in ihrer Heimat durchzuführen, weil die Kanäle und Grachten nicht mehr zufroren. Und weil eben der Weissensee dieses über Monate ist, entstand 1988 die Idee, dieses holländische Vergnügen fernab der Heimat, das sich „Die alternative Elf-Städte-Tour“ nennt, aufzuziehen.
Wenn der See mit einer richtig dicken Eisschicht versehen ist, dann ist eine Pferdeschlittenfahrt eine ganz romantische Angelegenheit.
Zur Entstehung der Veranstaltung: Vor weit mehr als 200 Jahren dienten die zugefrorenen Wasserstraßen in den Niederlanden als Verkehrsweg. So konnten einigermaßen bequem längere Strecken bewältigt oder auch Transporte auf Kufen einfacher abgewickelt werden. Irgendwann wurde daraus ein volksfestartiges Eisschnelllaufereignis, die Elf-Städte-Tour (Elfstedentocht). Die Städte, nach denen das Ereignis benannt ist, sind die traditionellen elf friesischen Orte mit Stadtrechten. Und nachdem – wie schon gesagt – die Kanäle immer seltener zufroren, suchte man eine Alternative, und fand sie am Weissensee. Ein Vertrag erlaubt es den Holländern, die größte präparierte Natureisfläche der Welt bis zum Jahr 2106 für zwei Wochen im Winter für sich zu nutzen.
Eine fantastische Stimmung
Hundeschlittenrennen sind auch sehr beliebt.
In diesen beiden Wochen, so scheint es, ist halb Holland in Kärtnen unterwegs. Männlein und Weiblein, jung und alt, groß und klein, ziehen zu Trainingszwecken ihre Bahnen auf dem eisigen Untergrund, mal rasend schnell, mal eher kommod, immer jedoch sportlich elegant, geradezu grazil, leichtfüßig und geschmeidig, gut gelaunt und stets für einen kleinen Scherz zu haben. Und mag es noch so kalt und windig sein. Der Stimmung tut das überhaupt keinen Abbruch.
Wolfgang Wernitznig hat im wahrsten Sinne des Wortes alles im Griff.
Wenn der Zeitpunkt der Rennen näher rückt, dann steigt natürlich auch die Nervosität der Teilnehmer. Und plötzlich, mit dem ersten offiziellen Startschuss, wird aus Begeisterung eine Art Hysterie, findet eine riesige Freiluftparty statt, höchstwahrscheinlich die größte außerhalb Hollands.
Musik ertönt aus unzähligen Lautsprechern, die beachtliche Anzahl an Zuschauern entlang des Sees – Einheimische wie Gäste – tanzen und johlen, sind beschwingt und frohgelaunt, unbeschwert und vergnüglich. Und das holländische Fernsehen überträgt live!
Informationen: Weissensee Information, Techendorf 78, A-9762 Weissensee, Tel.: 0043 (0) 4713 22 20 0. Kärnten Werbung Marketing & Innovationsmanagement GmbH, Casinoplatz 1, A-9220 Velden, Tel.: 0043 (0) 4274 5 21 00.