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Raushier-Glosse: Geduldsprobe Warteschleife

Wollen Sie sich mal so richtig amüsieren? Dann müssen Sie unbedingt diesen Text lesen – es lohnt sich. Es ist die Geschichte eines Reisejournalisten, der, sagen wir mal, technisch nicht ganz so versiert ist wie ein Computer-Experte.

Trotzdem aber hin und wieder ein kleines bis mittleres Problem in Eigenregie lösen kann. Doch seit Dienstagabend ist der arme Kerl mit seinem Latein am Ende.

Der Grund ist schnell erzählt: Sein Internetzugang funktioniert nicht mehr, ist, martialisch ausgedrückt, mausetot. Kein Internet mehr, keine E-Mails. Der Beginn eines Martyriums in mehreren Akten.

Ein Gedächtnisprotokoll:

Wer bei einer Störung auf die Hotline seines Internetanbieters angewiesen ist, hat es oft nich leicht. Foto: Gabi Schoenemann / pixelio.de

Wer bei einer Störung auf die Hotline seines Internetanbieters angewiesen ist, hat es oft nicht leicht. Foto: Gabi Schoenemann / pixelio.de

Mittwoch, 9 Uhr: Anruf bei meinem Internetanbieter, nennen wir ihn kurz „Kon-Genial“. Warteschleife, Nennung meiner Kundennummer, meines Namens, meiner Adresse, meines Geburtsdatums, Art der Fehlermeldung, dann, nach einigem hin und her, die Ferndiagnose eines Herrn O. aus dem Callcenter an der Ostseeküste: „Der WLAN-Empfänger hat ein Problem.“ Aha, soweit bin ich in meiner Fehleranalyse auch schon gewesen. Problemlösung des Herrn O.: „Besorgen Sie sich ein LAN-Kabel, stecken Sie dieses in Ihren Router und dann sehen Sie weiter.“

Das will ich aber nicht und bitte, mit einem Techniker verbunden zu werden. „Der hilft Ihnen aber nicht weiter“, meint Herr O., „so lange Sie sich weigern, zuerst das mit dem LAN-Kabel zu probieren.“ Hartnäckig wie ich bin, ersuche ich Herrn O. eindringlich, mich zu verbinden. Wir spielen verbal Ping-Pong, und nach 14 Minuten habe ich Herrn O. weichgeklopft. Dieser, nunmehr hörbar genervt, stellt durch, und ich lande hart – in einer Warteschleife. Kurz darauf kommt das Besetzt-Zeichen – ich bin fürs Erste raus aus der Nummer.

Mittwoch, 9.15 Uhr: Erneuter Anruf bei „Kon-Genial“. Wieder Warteschleife, Nennung meiner Kundennummer, meines Namens, meiner Adresse, meines Geburtsdatums, Art der Fehlermeldung. „Ihr Vorgang ist bekannt,“ säuselt eine nette Frauenstimme, ich verbinde Sie mit einem unserer Techniker.“ Und dann? Warteschleife, Besetzt-Zeichen – Ende der Verbindung.

Mittwoch, 9.20 Uhr: Dritter Anruf bei „Kon-Genial“. Dort nichts Neues: Warteschleife, Nennung meiner Kundennummer, meines Namens, meiner Adresse, meines Geburtsdatums, Art der Fehlermeldung. „Ihr Vorgang ist bekannt“, dröhnt es am anderen Ende der Leitung. Immerhin, diese Verbindung klappt.

Ich: „Wo bin ich jetzt gelandet?“
Sie: „Bei Kon-Genial.“
Ich: „Prima. Ich wollte eigentlich wissen, in welchem Ort. Wieder an der Ostsee?“
Sie: „Nein.“
Ich: „Wo dann?“
Sie: „In Pforzheim.“
Ich: „Naja, wenigstens im Süden.“
Sie: „Ja.“
Ich: „Wo kann ich mich denn beschweren, ich bin mit meiner Geduld am Ende.“
Sie: „Schreiben Sie eine E-Mail.“
Ich: „Und wie? Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?“

Schweigen im Walde.

Dass ich kurz darauf mit einem Techniker verbunden werde, der tatsächlich abnimmt, gibt mir ein bisschen Hoffnung. Und Herr F. verspricht mir, sich um mein Anliegen zu kümmern. „Ich rufe Sie in ein paar Minuten zurück.“

Tatsächlich, nach einer guten halben Stunde, ist Herr F. wieder in der Leitung, und teilt mir mit, dass er die Firma, nennen wir sie mal „Addwork“, informiert hat, die einen Techniker vorbeischicken wird. Ich frage schüchtern nach, wann ich denn von „Addwork“ einen Anruf erwarten könne? „In 24 bis 48 Stunden meldet sich mit Sicherheit jemand bei Ihnen. Es soll ja schnell gehen.“ Nur gut, dass ich mir von Herrn F. die Telefonnummer von „Addwork“ habe geben lassen, denn ich liege – so wird es der nächste Tag zeigen – mit meiner Vermutung, dass sich „Addwork“ nicht bei mir meldet, goldrichtig. Ich warte 26 Stunden auf einen Anruf, dann nehme ich das Heft des Handelns wieder selbst in die Hand.

Donnerstag, 11.45 Uhr: Anruf bei „Addwork“. Nette Stimme am anderen Ende, dann der Hinweis, mit dem nächsten freien Gesprächspartner verbunden zu werden, Warteschleife, Besetzt-Zeichen.

Donnerstag, 11.47 Uhr: Zweiter Anruf bei „Addwork“. Nette Stimme am anderen Ende, dann der Hinweis, mit dem nächsten freien Gesprächspartner verbunden zu werden, Warteschleife, Besetzt-Zeichen.

Donnerstag, 11.49 Uhr: Dritter Anruf bei „Addwork“. Nette Stimme am anderen Ende, dann der Hinweis, mit dem nächsten freien Gesprächspartner verbunden zu werden, Warteschleife, Besetzt-Zeichen.

Mit schwillt der Kamm! Ich bin dem Wahnsinn ganz nah! Meine Devise: Runterkommen, Luft schnappen, Hoffnung nicht aufgeben, es in einer halben Stunde nochmals versuchen.

Donnerstag, 12.20 Uhr: Vierter Anruf bei „Addwork“. Nette Stimme am anderen Ende. „Hier spricht Frau S., was kann ich für Sie tun?“ Ich sage mein Verslein auf, und Frau S. ihrerseits ihres, dass sich ein Techniker wegen einer Terminabsprache so schnell wie möglich bei mir melden wird. Frau S.: „Ich weiß, dass es dringend ist. Die Kollegen von ‚Kon-Genial‘ haben uns das schon mitgeteilt.“

Ich harre der Dinge.

Donnerstag, 16.20 Uhr: Fünfter Anruf bei „Addwork“. Nette Stimme am anderen Ende. „Hier spricht Frau L., was kann ich für Sie tun?“

Ich: „Kann ich bitte Frau S. sprechen?“
Frau L.: „Nein.“
Ich: „Warum denn nicht?“
Frau L.: „Frau S. ist nicht mehr im Haus.“
Ich: „Können Sie mir denn dann helfen?“
Frau L.: „Um was geht es denn?“
Ich (immer noch ganz ruhig): „Ich warte seit Stunden auf den Rückruf eines Technikers.“
Frau L.: „Ach Sie sind das. Frau S. hat mich unterrichtet, ich weiß Bescheid. Aber wir können unseren Techniker nicht erreichen. Da müssen Sie Geduld haben.“
Ich: „Sind Sie mir nicht böse, aber jetzt reicht`s. Wer kommt denn für meinen Verdienstausfall auf? Ich bin auf meinen PC angewiesen.“
Frau L.:„Ich melde mich morgen bei Ihnen.“
Ich: „Einen Arzt hätte ich schon längst auf unterlassene Hilfeleistung verklagt.“

Freitag, 9 Uhr: Anruf bei „Kon-Genial“. Keine Warteschleife – gibt es doch noch Wunder? – die Verbindung mit einer Frau M. steht.

Ich: „Sie wissen, um was es geht?“
Frau M.: „Ja, ich sehe es anhand Ihrer Kundennummer.“
Ich: „Und?“
Frau M. (ziemlich unfreundlich): „Wir haben den Vorgang der Firma ‚Addwork‘ gemeldet, mehr können wir für Sie nicht tun.“
Kurzes, schmerzloses Ende eines Telefongesprächs!

Freitag, 9.15 Uhr: Der gefühlte 73. Anruf bei „Addwork“. Warteschleife, Anrufbeantworter. Mit der Bitte um einen Rückruf stoße ich ein Gebet gen Himmel und verziehe mich ins Fitness-Studio – Aggressionen abbauen. Zeit habe ich ja, bin ja zum Nichtstun veurteilt.

Freitag, 12.15 Uhr: Wieder daheim. Ein Anruf ist auf meinem Display. Wahnsinn, schießt es mir durch den Kopf, das gibt`s ja gar nicht. Die nassgeschwitzen Sportsachen noch in der Tasche, greife ich voller Vorfreude zum Hörer. Ich könnte Jubelsprünge machen, wenn ich nicht so groggy wäre. Jetzt geht’s voran. Von wegen.

„Hier Julius Brunner (Name geändert). Was kann ich für Sie tun?“
Ich: „Danke für Ihren Rückruf.“
J.B.: „Ich habe nicht bei Ihnen angerufen.“
Ich: „Doch, Ihre Nummer ist auf meinem Display.“
J.B.: „Das kann nicht sein.“
Ich: „Ich bin doch bei ‚Addwork‘, oder etwa nicht?“
J.B.: „Nein, Sie sind bei der Firma ‚Deskin‘ (Name geändert), der Mutterfirma von ‚Addwork‘ , und ich bin für den Vertrieb zuständig.“
Ich: „Na prima.“
J.B.: „Schildern Sie mir Ihr Problem.“
Ich: „Ich hab die Schnauze voll.“
J.B.: „Beruhigen Sie sich doch, ich versuche ja, Ihnen zu helfen.“
Ich: „Hoffentlich bleibt`s nicht beim Versuch. Sorry, aber Sie müssen jetzt als Blitzableiter herhalten. Ich kann jetzt nicht mehr ruhig bleiben.“
J.B.: „Macht nix, ich kann das ab.“
Ich: „Okay.“
J.B.: „Ich kümmere mich um Ihr Anliegen. Ich rufe Sie in der nächsten halben Stunde zurück.“
Ich: „Nur gut, dass ich Ihre Durchwahl auf dem Display sehe. Wenn Sie sich nicht melden, dann tue ich es.“
J.B.: „Bis gleich.“

Freitag, 13.45 Uhr: Es sind 1 ½ Stunden vergangen, J.B. ruft nicht zurück. Er hat mich vergessen. Ist ja nichts Neues. Ich greife erneut zum Telefon.

Weibliche Stimme: „Firma Deskin, Frau Friedsam (Name geändert) am Apparat.“
Ich: „Kann ich Herrn Brunner sprechen? Er wollte mich vor einer Stunde zurückrufen?“
Frau Friedsam: „Er telefoniert gerade.“
Ich: „Schade, soll ich warten bis er aufgelegt hat?“
Frau Friedsam: „Nein, das kann länger dauern, ich verbinde Sie mit Frau S.“
Ich: „Stopp. Ist das die Frau S., mit der ich gestern schon telefoniert habe?“
Sie: „Ja. Kleinen Moment.“ Warteschleife.
„Hier ist Frau Eden“ (Name geändert).
Ich: „Oh, schon wieder eine neue Stimme.“
Frau Eden: „Ich bin die Projektleiterin. Ich bin über Ihren Vorgang unterrichtet. Das bekommen wir heute noch hin.“
Ich: „Na, dann bin ich aber mal gespannt.“
Frau Eden: „Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir das hinbekommen, ich rufe Sie innerhalb der nächsten Stunde zurück. Ich habe vorher noch einen Termin. Eher geht es leider nicht.“
Ich: „Wie gut, dass ich Ihre Durchwahl auf dem Display sehe.“
Frau Eden: „Ich rufe Sie so bald wie möglich an. Vertrauen Sie mir. Das bekommen wir heute noch geregelt.“

Aus der einen Stunde sind mittlerweile 2 ¾ geworden, Frau Eden hat mich wohl auch vergessen, ich bin der Verzweiflung nah. Service-Wüste Deutschland!

Immerhin macht aber Frau Eden einen kompetenten Einduck, sie vermittelt mir, sich um eine Problemlösung intensiv zu bemühen. Bisher die netteste aller Damen und Herren, mit denen ich in den vergangenen Tagen telefonisch zu tun hatte. Ich habe wieder Hoffnung!

Freitag, 16.30 Uhr: Das Telefon klingelt.
„Hier Frau Eden, ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie.“
Ich: „Zuerst die schlechte.“
Sie: „Heute kann Ihnen nicht mehr geholfen werden. Ist das sehr schlimm?“
Ich: „Jetzt kommt es auch schon nicht mehr drauf an. Obwohl ich am Wochenende einiges zu tun hätte. Wer übernimmt eigentlich meinen Verdienstausfall?“
Sie: „Jetzt die gute Nachricht. Ich habe eine EDV-Beratungsfirma in Ihrer Nähe gefunden, 170 Meter von Ihrer Wohnung weg.“
Ich: „Wie bitte? Mir bleibt die Spucke weg.“
Sie: „Ja, aber ich darf dort heute nicht mehr anrufen.“
Ich: „Und warum nicht?“
Sie: „Ich muss erst noch bei der Firma ‚Kon-Genial‘ nachfragen, ob die Kosten für die EDV-Beratungsfirma übernommen werden, die bei Ihnen vorbeikommen soll? Aber der zuständige Abteilungsleiter bei ‚Kon-Genial‘ ist nicht mehr im Dienst.“
Ich: „Hat er keinen Stellvertreter, der das absegnen kann?“
Sie: „Das weiß ich nicht.“
Ich: „Das darf doch nicht wahr sein.“
Sie: „Das tut mir leid.“
Ich: „Mir auch.“
Sie: „Ich rufe gleich am Montag um 8 Uhr bei ‚Kon-Genial‘ an. Wir bekommen das hin.“
Ich: „Und wenn die Kosten zu hoch sind, und ‚Kon-Genial‘ sich weigert, diese Firma bei mir vorbeizuschicken?“
Sie: „Dann finden wir jemanden anderes in Ihrer Nähe.“
Ich: „Schönes Wochenende.“
Sie: „Ihnen auch.“

Ein arbeitsfreies Wochenende wartet auf mich. Juhu. Ich könnte heulen…

Montag, 9.05 Uhr: Anruf bei „Addwork“, Apparat Frau Eden. Aparte Stimme, dann der Hinweis, mit dem nächsten freien Gesprächspartner verbunden zu werden, Warteschleife, Besetzt-Zeichen nach 10:28 Minuten. Und das, obwohl ich die Durchwahl von Frau Eden angewählt habe. Seltsam.

Montag 9.20 Uhr: Anruf bei „Addwork“, Callcenter, Frau Z. ist zu hören.
Ich: „Kann ich bitte Frau Eden sprechen?“
Sie: „Sie ist momentan nicht zu sprechen.“
Ich: „Sie wollte mich aber heute in aller Früh anrufen.“
Sie: „Ich sage ihr Bescheid, wenn Sie wieder an ihrem Platz ist.“
Ich: „Kann ich mich darauf verlassen?“
Sie (zunehmend unfreundlicher): „Ja, natürlich.“
Ich: „Wann denken Sie denn, dass ich zurückgerufen werde?“
Sie: „Das weiß ich nicht.“
Ich: „Schönen Tag noch.“

Montag, 10 Uhr: „Hallo, hier Frau Eden. Es gibt Neues.“
Ich: „Na, da bin ich ja mal gespannt.“
Sie: „Ich habe heute schon mit der EDV-Beratungsfirma in Ihrer Nachbarschaft Kontakt aufgenommen. Sie setzt sich mit Ihnen in Verbindung.“
Ich: „Wurde auch Zeit.“
Sie: „Jetzt wird Ihnen bestimmt bald geholfen.“
Ich: „Vielen Dank, dass Sie sich gekümmert haben. Bei Ihnen menschelt es wenigstens.“

Montag 10.05 Uhr:  Ich rufe die EDV-Beratungsfirma in meiner Nachbarschaft an. Warum wieder auf einen Rückruf warten, wenn gleich getan werden kann, was getan werden muss. Außerdem bin ich ein gebranntes Kind, wenn es um die Floskel geht, dass ich zurückgerufen werde.

Und dann geht alles ganz schnell. Eine überaus aufgeschlossene, freundliche Dame sagt mir jegliche Hilfe zu. Es entsteht ein lockeres Gespräch von Mensch zu Mensch, und ein Termin für den nächsten Tag ist schnell vereinbart.

Wurde ja auch Zeit, immerhin ist morgen schon wieder Dienstag.

Raushier-Reisemagazin