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Kurz-Kreuzfahrt: In 1012 Seemeilen von Kiel nach Hamburg

Faszinierende Metropolen, Königskronen, Natur pur und die Welt der Märchen und Sagen, das ist Skandinavien. Um das zu erleben, werde ich mit der Mein Schiff 4 durch die Ostsee und das Skagerrak kreuzen und Kopenhagen, Göteborg und Oslo besuchen. In Kiel geht es los, Zielhafen ist Hamburg. 1012 Seemeilen in fünf Tagen.

Die Mein Schiff 4 liegt vor Anker (Bild: Oliver Richter)

Die Mein Schiff 4 liegt vor Anke.

Also Koffer gepackt und auf nach Kiel, wo der blau-weiße Riese am „Cruise Terminal“ Ostseekai auf mich wartet. „Den Koffer bitte hier abstellen“, sagt eine freundliche, junge Dame mit strahlendem Lächeln, als ich vor dem riesigen Glasbau aus dem Bus steige. Während sie eine Markierung an meinem Koffer befestigt, begebe ich mich in das Innere des Gebäudes. Wie jeder neue Passagier erhalte ich hier meine Bordkarte, das wichtigste Utensil auf dem Schiff. Nur mit ihr kommt man an und von Bord, nur mit ihr kann man seine Kabinentüre öffnen und mit ihr kann man auf dem Schiff – falls nötig – auch bezahlen.

Die Mein Schiff 4 im Hafen von Kopenhagen (Bild: Oliver Richter)

Die Mein Schiff 4 im Hafen von Kopenhagen.

Nach dem obligatorischen Begrüßungsfoto tauche ich ein in die Welt der Kreuzfahrer. Über die Gangway geht es hinein ins Schiff. Vor mir läuft Johanna aus München, es ist ihre erste Kreuzfahrt. „Wow“, ruft sie begeistert, „so groß und glamourös hatte ich es mir nicht vorgestellt.“ Flauschige Teppichböden, modernes Design und Lichtinstallationen beeindrucken nicht nur Kreuzfahrtneulinge. Eine einnehmende, behagliche Eleganz.

Heimisch werden auf dem Schiff

Durchgang zur Schaubar auf Deck 5 (Bild: Oliver Richter)

Durchgang zur Schaubar auf Deck 5 .

Ein Fahrstuhl bringt mich kurz darauf zu meinem Kabinendeck. Die Touchpoints bei den Aufzügen (Liftlandingscreens) und vor allem die kleinen Schilder mit den Hinweispfeilen „Bug“ und „Heck“ und den Kabinennummern sind – nicht nur am ersten Tag – sehr hilfreich, den richtigen Weg einzuschlagen. Mein Koffer wartet bereits vor der Kabinentür auf mich. Mit der Bordkarte gelange ich in die gute Stube beziehungsweise Kabine. Es ist gemütlich.

Sonnenuntergang in der Kieler Förde (Bild: Oliver Richter)

Sonnenuntergang in der Kieler Förde.

Schnell sind die Kleider im Schrank und den Schubladen verstaut. Das Sofa lädt zum Verweilen ein, doch ein durchdringender Signalton kündigt die obligatorische Seenotrettungsübung an. Nach erfolgreichem Abschluss heißt es endlich „Leinen los“. Mit dem tiefen Tuten des Nebelhorns und dem „Lied der Gezeiten“ verabschiedet sich die Mein Schiff 4 aus Kiel. Für alle an Bord ein kollektiver Gänsehautmoment.

Im Licht der untergehenden Sonne nehmen wir Kurs auf Kopenhagen. Trotz der frischen Brise – passende Kleidung sollte in keinem Koffer fehlen – und knurrendem Magen stehen noch viele Passagiere an der Reling, um diesen Augenblick in sich aufzusaugen. Neben mir stehen Irene und Ralph aus Dortmund. „Es ist phantastisch“, sagt sie, „ein ganz besonderer Moment.“ Ralph nickt zustimmend und nippt versonnen an seinem Prosecco.

Eröffnungsparty auf Deck 15 (Bild: Oliver Richter)

Eröffnungsparty auf Deck 15.

Wenig später genieße ich im Restaurant „Atlantik-Mediterran“ die Mittelmeerküche. Wer möchte, kann auch französisch oder japanisch, Fisch oder Steak essen gehen oder sich im „Ankelmannsplatz“ am kalten und warmen Buffet bedienen. Bei 11 Restaurants und Bistros ist da für jeden Geschmack etwas dabei. In einigen Restaurants allerdings gegen Aufpreis.

In der Diamant-Bar lasse ich den Abend ausklingen. Neben der beleuchteten Design-Bar verleiht der von der Decke hängende, funkelnde „Trapeze Artist“ dem Raum eine besondere Atmosphäre. Einer von 6000 großen und kleinen Kunstgegenständen an Bord.

Guten Morgen, Kopenhagen

Der funkelnde „Trapeze Artist“ in der Diamant-Bar auf Deck 5 (Bild: Oliver Richter)

Der funkelnde „Trapeze Artist“ in der Diamant-Bar auf Deck 5.

Keine 12 Stunden später begrüßt uns Kopenhagen mit strahlendem Sonnenschein. Reisen im Schlaf. Die Mein Schiff 4 hat am Langelinie Pier ganz in der Nähe des Stadtzentrums festgemacht. Schnell noch ein Croissant und eine Tasse Kaffe, dann heißt es, Dänemarks Hauptstadt entdecken. Die Angebote sind vielfältig und reichen von organisierten Bus-, Bike- oder Kajaktouren bis hin zum Stadtspaziergang durch die Innenstadt. Wer Dänemarks quirlige Hauptstadt auf eigene Faust erkunden will, kann mit einen der Hop-on Hop-off Busse, die hier halten, in die Innenstadt fahren.

Die große rosarote Brille auf Deck 15 (Bild: Oliver Richter)

Die große rosarote Brille auf Deck 15.

Wer aktiver sein möchte, kann  sich gegen ein Pfand – das System funktioniert wie beim Einkaufswagen – an einer der unzähligen Bycyklen-Stationen auch ein Fahrrad ausleihen, Kopenhagens beliebtestes Fortbewegungsmittel. Ich entscheide mich für den Stadtspaziergang, eine kombinierte Fuß- und Bootstour zu den Highlights in der Stadt. Bis zur Kleinen Meerjungfrau, Dänemarks Nationalsymbol, sind es nur ein paar hundert Meter, bis in die Innenstadt knapp drei Kilometer. Mit Bordkarte, Windjacke und Kamera bewaffnet verlasse ich das Schiff.

Rendezvous mit einer Dame

Der gelbe Pinguin im Ausguck über Deck 15 (Bild: Oliver Richter)

Der gelbe Pinguin im Ausguck über Deck 15.

Draußen auf dem Pier wartet Stadtführerin Astrid auf ihre Truppe. Nach einer kurzen Einweisung in die Route geht es auch schon los. Astrid reckt das türkisblaue Mein-Schiff-Täfelchen in die Luft, ein Orientierungspunkt im Touristenmeer, wie einst die Fahne im Getümmel der Schlacht. Wir folgen.

Die Kleine Meerjungfrau in Kopenhagen (Bild: Oliver Richter)

Die Kleine Meerjungfrau in Kopenhagen.

Auf dem Weg zu Kopenhagens weltberühmtem Wahrzeichen kommen wir vorbei an einer recht üppig geratenen Nixe aus Granit. In Sachen Anmut kann der Marketing-Gag eines findigen Geschäftsmannes dem Original allerdings nicht das Wasser reichen. Keine 300 Meter entfernt sitzt die kleine Dame aus Bronze aus Hans Christian Andersens Märchen auf ihrem Granitstein und schaut, umringt von einer Schar von Touristen, melancholisch auf das Wasser des Øresunds.

Die königliche Yacht „Dannebrog“ (Bild: Oliver Richter)

Die königliche Yacht „Dannebrog“ .

Brauereibesitzer Carl Jacobsen, der 1909 die Ballettaufführung „Die Kleine Meerjungfrau“ gesehen hatte, war von der traurigen Geschichte, aber auch von der Primaballerina Ellen Price sehr angetan. So gab er die Statue bei dem bedeutenden Bildhauer Edvard Eriksen in Auftrag. Für das Gesicht stand Ellen Price höchstpersönlich Modell, für den Oberkörper Eriksons Ehefrau Eline. 1913 wurde die 125 cm große Skulptur feierlich eingeweiht. Seitdem wurde sie leider immer wieder Opfer von Vandalismus. Sie wurde bemalt und gleich zweimal geköpft, im Meer  versenkt und einmal verlor sie ihren rechten Arm. So ist es nicht verwunderlich, dass man mittlerweile überlegt, den Platz der kleinen Dame weiter ins Meer zu verlegen.

In Ochsen verwandelt

Die Frederikskirche in Kopenhagen (Bild: Oliver Richter)

Die Frederikskirche in Kopenhagen.

Ganz in der Nähe befindet sich das Kastellet, die über 300 Jahre alte Befestigungsanlage Kopenhagens mit Gefängnis, eigener Kirche und Windmühle zur Selbstversorgung. Nicht weit davon entfernt liegt der – im wahrsten Sinne des Wortes – sagenhafte Gefion Brunnen, einer der schönsten Brunnenanlagen der Stadt. Der über 100 Jahre alte Brunnen zeigt die Göttin Gefion mit einem Pflug und vier vorgespannten Ochsen. Der Sage nach hat Gefion ihre vier Söhne in Ochsen verwandelt und vor einen Pflug gespannt.

Die futuristisch anmutende königliche Oper (Bild: Oliver Richter)

Die futuristisch anmutende königliche Oper.

Beim Pflügen sei dabei ein großes Stück Land aus der Mitte Schwedens gerissen und in die Mitte der Ostsee geschleudert worden. Daraus, so die Legende, ist Seeland, Dänemarks größte Insel, entstanden. Auf der Westseite des Brunnens steht die St. Alban’s Church aus dem 19. Jahrhundert, die einzige anglikanischen Kirche in Dänemark.

Soldaten der Königlichen Leibgarde vor Schloss Amalienborg (Bild: Oliver Richter)

Soldaten der Königlichen Leibgarde vor Schloss Amalienborg.

Am Wasser entlang führt die Tour zum Larsen’s Plads, wo früher einmal die Dampfschiffe nach Amerika ablegten, und von hier zur kleinen Parkanlage Amaliehaven. Einen Steinwurf davon entfernt liegen Schloss Amalienborg und die Frederikskirche, deren wuchtige, dem Petersdom nachempfundene Kuppel, die Wasserfontänen des Springbrunnens überragt. Genau gegenüber, auf der anderen Seite des Hafenbeckens, steht auf der einstigen Militärinsel Holmen ein futuristisch anmutender Bau aus Stein, Stahl und Glas: Die königliche Oper.

Der Nyhavn, Kopenhagens Touristenmagnet (Bild: Oliver Richter)

Der Nyhavn, Kopenhagens Touristenmagnet.

Davor ankert die „Dannebrog“. Das nach der Flagge Dänemarks benannte Schiff ist zusammen mit der norwegischen „Norge“ eine der beiden verbliebenen Königsyachten Europas. Wie bestellt verbreitet ein mit königlichen Matrosen besetztes Beiboot, das majestätisch an uns vorübergleitet, einen Moment lang royalen Glanz.

Ein Kanal in Christianshavn (Bild: Oliver Richter)

Ein Kanal in Christianshavn.

Astrid reckt das Täfelchen in die Höhe. Schloss Amalienborg, die Stadtresidenz der dänischen Königsfamilie, ist das nächste Ziel. Nach wenigen Minuten erreichen wir einen weitläufigen Platz mit vier Rokoko-Palais. In der Mitte das Reiterstandbild Fredericks V. Vor den Gebäuden patrouillieren Soldaten der Königlichen Leibgarde. Wie in Großbritannien ist die Bärenfellmütze ihr Markenzeichen. In einem der schmalen, rot lackierten Wachhäuschen steht ein Posten mit unbewegter Miene und erinnert ein bisschen an Hans Christian Andersens standhaften Zinnsoldaten. Auf einem der Dächer weht die königliche Standarte, ein Zeichen, dass die Königin zu Hause ist. Manch ein Tourist schaut suchend nach oben, doch kein gekröntes Haupt zeigt sich am Fenster.

Weiter zum Nyhavn

Der mintgrüne Jazzclub „The Standard“ (Bild: Oliver Richter)

Der mintgrüne Jazzclub „The Standard“.

Weiter geht es zum Nyhavn. Mächtige historische Fassaden säumen den Weg zu Kopenhagens ältestem Hafen, der eigentlich „Neuer Hafen“ heißt.  Mit seinem historischen Kanal, den alten Kähnen und den bunten Giebelhäusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert ist Nyhavn ein pittoresker Ort, an dem man sich gar nicht sattsehen kann. Das einstige Hafen- und Vergnügungsviertel ist heute einer der Touristenmagnete der Stadt. Die zahllosen Kneipen und Restaurants locken Besucher aus aller Welt an. Eine gute Gelegenheit, um Dänemarks bekannteste Speise, ein Smørrebrød – die dänische Sandwich-Variante – zu probieren. Nach einer Verpflegungspause geht es weiter Richtung der Hafenpromenade Havnegade, wo das Boot auf uns wartet.

Der Weg führt über den Kongens Nytorv (Königs-Neu-Markt) mit dem Reiterstandbild Christians V. Um Kopenhagens größten Platz wurden im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche stattliche Prachtbauten errichtet, wie das Schloss Charlottenburg im holländischen Barockstil, das neoklassizistische Königliche Theater und das altehrwürdige Kaufhaus Magasin du Nord. Keine 200 Meter entfernt liegt die Holmens Kirke, die Kirche der Marine und Hauskirche der Königsfamilie, gegenüber die Børsen, die alte Börse, ein Renaissancebau mit seinem kuriosen Turmdach aus vier ineinander verschlungenen, spitz zulaufenden Drachenschwänzen.

Schnurrend schippern

Die Diamant-Bar auf Deck 5 (Bild: Oliver Richter)

Die Diamant-Bar auf Deck 5.

An der Havnegade steigen wir in unser Elektroboot. Leise schnurrend schippern wir durch Christianshavn, wo Häuser und Kanäle ein wenig an Amsterdam erinnern. Nicht ganz zu unrecht, denn viele dänische Könige hatten eine Vorliebe für die holländische Baukunst. Bei den zahlreichen Brücken heißt es, vor allem für die Fotografen, öfter einmal: „Vorsicht Kopf runter!“ Die abwechslungsreiche Route führt vorbei an alten Lagerhallen, an der barocken Erlöserkirche mit ihrer auffällig gewundenen Turmspitze, an der Königlichen Bibliothek mit dem modernen Anbau, wegen seiner dunklen Fassade aus poliertem schwarzen Granit auch „Schwarzer Diamant“ genannt, und am „Standard“, einem eigenwilligen, mintgrünen Gebäude mit kapselförmigen Grundriss. Dort, wo früher einmal Fährtickets nach Schweden verkauft wurden, befinden sich heute drei Restaurants und der namensgebende Jazzclub „The Standard“. Die Route führt vorbei am neuen Schauspielhaus und alten Militäranlagen, die zu luxuriösen Wohnanlagen wurden, und an der alternativen Wohnsiedlung „Freistadt Christiania“. Noch einmal passieren wir Holmen und die „Dannebrog“, die nun zum Greifen nahe ist. In der Ferne erhebt sich die riesige Silhouette der Mein Schiff 4. Das Boot fährt eine letzte Schleife, dann machen wir nach gut einer Stunde am Langelinie Pier fest. Eine äußerst interessante und abwechslungsreiche Tour findet ihr Ende. Mit vielen neuen Eindrücken im Gepäck geht es zurück an Bord, wo ausgedehnter Nachmittagssnack und später ein schönes Abendessen auf uns wartet. Am frühen Abend stechen wir Richtung Göteborg in See.

Schwedens Tor zur Welt

Die „Viking“ – Skandinaviens größter Windjammer (Bild: Oliver Richter)

Die „Viking“ – Skandinaviens größter Windjammer.

Gut 12 Stunden später machen wir in Nordeuropas größtem Exporthafen fest; Schwedens Tor zur Welt. Der Empfang ist allerdings etwas verregnet. Über der Bucht und dem Schärengarten mit seinen unzähligen großen und kleinen Granitinseln hängen graue Wolken. Im Norden keine Seltenheit. Hier kann schnell einmal regnen, aber auch genauso schnell wieder sonnig sein. Heute allerdings scheint der Wettergott kein Einsehen zu haben, es bleibt grau und regnerisch. Das kann mich jedoch nicht davon abhalten, auf Tour zu gehen und mir selbst ein Bild von der zweitgrößten Stadt des Landes zu machen.

) Robben in Göteborgs Schlosspark „Slottsskogen“ (Bild: Oliver Richter)

Robben in Göteborgs Schlosspark „Slottsskogen“.

Da der Hafen außerhalb des Zentrums liegt, empfiehlt es sich, hierfür den Bus oder das schiffseigene Fahrrad zu nehmen. Ich habe mich für eine geführte Tour mit Pedelecs entschieden. Bei den Pedal Electric Cycles, wie sie eigentlich heißen, wird das Treten durch einen Elektromotor unterstützt. 24 Stück gibt es neben Mountain- und Crossbikes an Bord. Gut 40 Kilometer Fahrstrecke rund um und mitten durch die Stadt liegen vor mir und meinen Mitstreitern.

Auf der Pier warten Florian und Simon, unsere Bikeguides, mit den Pedelecs. Nach dem Anlegen der Regenumhänge und einer Einweisung fahren wir los Richtung Stadtzentrum. Da Göteborg in eine sanften Hügellandschaft eingebettet ist, erreichen wir schon bald die erste Steigung. Dank der Pedelecs ist das allerdings kein Problem. Entspannt radeln wir zu einem Aussichtspunkt, der den Blick über die Stadt eröffnet, die Schwedenkönig Gustav Adolf einst als Festungsstadt errichten ließ. Von hier geht es hinab in den alten Hafen „Lilla Bommen“, auf Deutsch „Kleiner Schlagbaum“.

Fischhandel in der Kirche

Die Café Lounge im Diamant (Bild: Oliver Richter)

Die Café Lounge im Diamant.

Dass Schiffe in Göteborg schon immer eine große Rolle gespielt haben zeigt sich an der „Viking“, die hier vor Anker liegt. Die stählerne Viermastbark aus dem Jahr 1906 ist Skandinaviens größter Windjammer. Auf den Weltmeeren ist das alte Segelschulschiff allerdings nicht mehr unterwegs. Heute ist es Museum, Restaurant und Hotel. Auch das gegenüberliegende Opernhaus aus dem Jahr 1994 erinnert mit seiner markanten Fassade an Göteborgs Schiffbautradition. Daneben prägt noch ein anderes, markantes Bauwerk das Bild des Hafens: Das Bürohochhaus Skanskaskrapan („Wolkenkratzer“), das seit 1989 am Lilla Bommen steht. 86 Meter hoch ragt das auffällig rot-weiß-rote Gebäude in den Himmel, von den Göteborgern wegen seiner abgeschrägten, roten Spitze liebevoll „Läppstiftet“ („Lippenstift“) genannt. Einige hundert Meter davon entfernt liegt ein weiteres Wahrzeichen Göteborgs, das von außen ein wenig an eine gotische Kirche erinnert. Allerdings wird hier nicht gebetet, sondern seit 1874 mit Fisch gehandelt. Der Name der Markthalle: Feskekôrka (Fischkirche). Fisch hat in Schweden mit seinen vielen Seen und seiner langen Küste einen großen Stellenwert.

Ein Sonnenbad mit Blick auf die Ostsee auf Deck 5 (Bild: Oliver Richter)

Ein Sonnenbad mit Blick auf die Ostsee auf Deck 5.

Von hier aus fahren wir zum Gôtaplatsen, wo auch das berühmte Kunstmuseum zu finden ist. Zeit für eine Kaffeepause, fikapaus wie die Schweden sagen. Nachdem wir uns aufgewärmt und ausgiebig gestärkt haben, geht es weiter in das historische Stadtviertel Haga, wo früher einmal die Werftarbeiter wohnten. Heute ist das Viertel mit seinen malerischen Häusern aus Holz und Stein eine angesagte Gegend mit vielen kleinen Läden und Kaffees. Von hier führt der Weg hinauf zur „Skansen Kronan“, zur „Schanze Krone“. Dank der Pedelecs sind auch einige Steilstücke problemlos zu bewältigen. Die „Skansen Kronan“ ist eine von drei Festungen, die einst den alten Hafen sicherten. Warum das Fort aus dem 17. Jahrhundert diesen Namen trägt, wird deutlich, wenn man die wuchtigen Mauern des achteckigen Turmes hinaufschaut, wo eine riesige goldene Krone auf dem Dach zu sehen ist. Von hier fahren wir weiter zur Oscar Frederiks kyrka (Oskar-Frederik-Kirche), ein neugotischer Kirchenbau aus rotem Ziegelstein und mintgrüner Patina auf dem Dach, und zum Slottsskogen (Schlosspark) nebst Tierpark. Hier gibt es Elche und andere nordische Tiere zu sehen. Der nordische Hirsch gehört zu Schweden wie Pippi Langstrumpf oder Köttbular. Gesehen haben wir leider keinen. Die Zeit war einfach zu knapp. Dafür aber Robben und Pinguine. Von hier geht es an Skandinaviens größtem Vergnügungspark Liseberg vorbei zurück zum Hafen, wo auch das Volvo-Museum zu finden ist.

Kurz vor Erreichen des Schiffes erwischt uns noch ein kräftiger Regenschauer. Der guten Stimmung schadet das nicht. Nass, aber glücklich gehen wir an Bord. Eine heiße Dusche und ein ebenso heißer Kaffee wecken verbrauchte Lebensgeister. Die Sportmassage, die ich mir eine Stunde später gönne, ist dann noch das besagte Tüpfelchen auf dem „i“.

Kurs auf Oslo

Die Mein Schiff 4 im Hafen von Oslo (Bild: Oliver Richter)

Die Mein Schiff 4 im Hafen von Oslo.

Als ich beim Abendessen sitze, hat die Mein Schiff 4 bereits Kurs auf Oslo genommen. Durch das Skagerrak geht es nach Norden. Nach ein paar Stunden Fahrt erreichen wir den über 100 Kilometer langen Oslofjord. In Schleichfahrt schiebt sich der Kreuzfahrtriese durch die Fahrrinne. Das Ufer scheint zum Greifen nah. Langsam gleiten die von bunten Häuschen durchsetzten, bewaldeten Hänge vorüber. Kabinenfenster werden da schnell zum Flatscreen. Kurz bevor wir Oslo erreichen, passieren wir die Festung Oscarsborg, wo der Schwere Kreuzer Blücher, der 1940 hier im Zuge der deutschen Besetzung Norwegens versenkt wurde, auf dem Grund des Fjordes liegt. Ein gespenstischer Moment. Bald darauf öffnet sich der Fjord und gibt den Blick frei auf die weit geschwungene Osloer Bucht, an deren Ende Norwegens Hauptstadt liegt.

Der Dreimaster „Christian Radich“ im Hafen von Oslo (Bild: Oliver Richter)

Der Dreimaster „Christian Radich“ im Hafen von Oslo.

Wenig später machen wir mitten in der Stadt fest. Die alte Burgfestung Akershus liegt direkt gegenüber. Das mächtige Rathaus aus rotem Klinker mit seinen zwei wuchtigen Türmen, das königliche Schloss oder die neue Oper sind nur wenige hundert Meter entfernt und gut zu Fuß zu erreichen. Nach einem kräftigen Frühstück mit einem wunderbaren Blick auf die Bucht geht es los. Ich habe mich an diesem Morgen zunächst für eine Bustour entschieden, denn ich möchte unbedingt auf den Holmenkollen, um die wohl berühmteste Skisprungschanze der Welt zu sehen. Die Fahrt führt vorbei an der mondänen Fjordbyen, der Fjordstadt mit dem futuristisch anmutenden Opernhaus aus Beton, Marmor, Glas und Holz, am wuchtigen Rathaus, in dem alljährlich der Friedensnobelpreis verliehen wird, und der klassizistischen Börse.

Bronzeskulpturen im Vigelandspark (Bild: Oliver Richter)

Bronzeskulpturen im Vigelandspark.

Bei dem im Frogner Park gelegenen Vigelandspark (Vigelandsanlegget) machen wir den ersten Stopp. Hier findet sich ein riesiges Konzeptkunstwerk des berühmten norwegischen Bildhauers Gustav Vigeland. Auf 32 Hektar hat er über 212 Granit- und Bronzeskulpturen – mehr als 600 lebensgroße Menschen – versammelt, die den Kreislauf des Lebens symbolisieren.

Das Spiel von Licht und Schatten lässt die Skulptur zum Leben erwachen (Bild: Oliver Richter)

Das Spiel von Licht und Schatten lässt die Skulptur zum Leben erwachen.

Allein der 17 Meter hohe Monolit aus Iddefjords-Granit besteht aus 121 ineinander verschlungenen Steinfiguren. Bereits beim Betreten der Anlage – der Eintritt ist kostenlos – wird man von der besonderen Atmosphäre eingefangen. Das Spiel von Licht und Schatten lässt die Skulpturen bald zum Leben erwachen. Von hier geht es hinauf auf den Holmenkollen mit seiner berühmten Skisprungschanze Holmenkollbakken. Die älteste Sprungschanze der Welt erhielt 2011 ein neues, spektakuläres Gesicht aus Stahl und Beton. Eine wahre Design-Sprungschanze, die sich da 60 Meter hoch in den Himmel erhebt. Oben gibt es eine Aussichtsplattform mit einem wunderbaren Panoramablick, unten ein Skimuseum und einen realitätsnahen Skisimulator – auch etwas für Nichtskifahrer.

Granitskulptur im Vigelandspark (Bild: Oliver Richter)

Granitskulptur im Vigelandspark.

Vom Holmenkollen fahren wir zur letzten Station der Bustour nach Bygdøy. Hier befinden sich das Volkskunde-Freilichtmuseum, das Norwegische Seefahrtsmuseum, das Frammuseum über die Geschichte der norwegischen Polarforschungsreisen und das Kon-Tiki-Museum über den norwegischen Wissenschaftler und Abenteurer Thor Heyerdahl. Ein Stück entfernt liegt das Vikingskiphuset, das Wikingerschiffmuseum, wo man gut erhaltene Drachenboote aus dem 9. Jahrhundert und weitere Gegenstände aus dem rauen Leben der „Nordmänner“ bewundern kann.  Die Halbinsel ist vom Zentrum aus gut mit dem Bus oder noch besser mit der Fähre zu erreichen.

Skispringer bei Skisprungschanze Holmenkollbakken auf dem Holmenkollen (Bild: Oliver Richter)

Skispringer bei Skisprungschanze Holmenkollbakken auf dem Holmenkollen.

Von Bygdøy geht es zurück aufs Schiff, denn am Mittag steht die 4-stündige Wanderung zu Oslos geheimen Ecken auf dem Programm. Als wir von Bord gehen, wartet Erik schon auf uns. Vorbei an alten Schiffen geht es Richtung Rathaus. Vor allem die „Christian Radich“, ein 80 Jahre alter, schneeweißer Dreimaster, auf dem man auch heute noch Segeltörns machen kann, springt sofort ins Auge. Die U-Bahn bringt uns hinauf in den Stadtteil Nydalen, Ausgangspunkt der Wanderung. Von hier folgen wir dem Flüsschen Akerselva, das sich durch Wohnviertel, Park- und alte Industrieanlagen bis hinunter zur Osloer Bucht schlängelt. Zwischen alten, grauen Fabrikgebäuden und einem rot getünchten Holzhäuschen, dem Hønse-Lovisas Hus, wird der schmale Fluss zu einem breiten Wasserfall, der sich über felsige Treppen donnernd ins Tal stürzt.

Mit Ibsen am Tisch

Teil eines Drachenbootes im Wikingerschiffmuseum „Vikingskiphuset“ (Bild: Oliver Richter)

Teil eines Drachenbootes im Wikingerschiffmuseum „Vikingskiphuset“.

Im Zentrum angekommen, biegen wir auf die „Karl Johans gate“, Oslos Hauptstraße, ein.  In der Mitte der Prachstraße steht das Grand Hotel mit reich verzierter Fassade. Im Cafe gibt es einen Henrik-Ibsen-Tisch, an dem der Dichter zu sitzen pflegte. Auf dem Tisch, der immer frei gehalten wird, liegen eine Zeitung und ein Hut. Auch auf der Straße begegnet man dem Schriftsteller auf Schritt und Tritt, denn auf dem Gehweg sind Zitate aus seinen Werken in die grauen Steinplatten eingelassen. Am Ende der „Karl Johans gate“ grüßt das königliche Schloss vom Hügel herab. Sein Baustil erinnert stark an Schinkel-Bauten aus dem alten Berlin. Kein Zufall, denn ein Architekt, der in Oslo baute, lernte sein Handwerk bei Karl Friedrich Schinkel, Preußens Superbaumeister. Auch hier weht die königliche Standarte auf dem Dach des klassizistischen Gebäudes.

Das Grand Hotel in Oslos Prachstraße „Karl Johans gate“ (Bild: Oliver Richter)

Das Grand Hotel in Oslos Prachstraße „Karl Johans gate“ .

Bewacht wird das Schloss von der Hans Majestet Kongens Garde, der Leibgarde des norwegischen Königshauses. Ihr Markenzeichen ist ein Hut mit Federbusch nach dem Vorbild der italienischen Bersaglieri. Bestürmt von Touristinnen, die sich nur zu gerne mit ihnen fotografieren lassen, huscht schon einmal ein Lächeln über die ernst dreinblickenden Gesichter. Drei Damen des Königshauses, die, mit Einkaufstüten bepackt, von einer Shoppingtour zurückkehren, bilden den krönenden Abschluss des Besuchs der norwegischen Hauptstadt.

Zitate Henrik Ibsens auf dem Bürgersteig der „Karl Johans gate“ (Bild: Oliver Richter)

Zitate Henrik Ibsens auf dem Bürgersteig der „Karl Johans gate“.

Am Abend treten wir die Heimreise nach Deutschland an. Die Ausfahrt ist noch einmal ein besonderes Erlebnis. Im warmen Licht der Abendsonne schiebt sich der blau-weiße Riese durch die Osloer Bucht, vorbei an kleinen grünen Inseln mit blau, gelb und rot getünchten Häuschen darauf. Wie bunte Farbkleckse liegen sie im tiefblauen Wasser. Davor weiße Segelboote, die sich sanft in den Wellen wiegen.

Das königliche Schloss in Oslo (Bild: Oliver Richter)

Das königliche Schloss in Oslo.

Auf Augenhöhe einige Möwen, die uns auf der Fahrt durch die Bucht begleiten und uns neugierig beäugen. Wahre Flugkünstler in der Hoffnung, dass der ein oder andere Happen für sie abfällt.

Die Hans Majestet Kongens Garde, die Leibgarde des norwegischen Königshauses (Bild: Oliver Richter)

Die Hans Majestet Kongens Garde, die Leibgarde des norwegischen Königshauses.

Auf dem Ausguck, einer kleinen Aussichtsplattform oberhalb von Deck 15, treffe ich Johanna wieder. „Diese Natur und diese Farben“, sagt sie und macht dabei eine ausladende Handbewegung, „atemberaubend schön.“ Sie hat recht, eine phantastische Kulisse, einfach traumhaft. Man könnte meinen, dass der  große gelbe Pinguin, der hier oben neben dem Fernrohr steht, das gleiche denkt..

Eine Möwe begleitet die Ausfahrt der Mein Schiff 4 (Bild: Oliver Richter)

Eine Möwe begleitet die Ausfahrt der Mein Schiff 4.

Durch den Oslo-Fjord geht es zurück ins Skagerrak. Bei Krabben und Fisch genieße ich an einem der großen Panoramafenster die Einfahrt, später bei einem Cocktail das Showprogramm auf dem Pooldeck. Der folgende Seetag bietet genügend Zeit für Müßiggang.

Die Osloer Bucht (Bild: Oliver Richter)

Die Osloer Bucht.

Möglichkeiten gibt es genug, Sport, ein Besuch in der Sauna mit Blick aufs Meer, das Schiff erkunden oder in eine flauschige Decke eingewickelt seinen Gedanken nachhängen. Wer möchte, kann die Welt durch die rosarote Brille betrachten. Ein überdimensionales Exemplar steht oberhalb der Arena auf Deck 15. Am nächsten Morgen erreicht die Mein Schiff 4 den Hamburger Hafen. Eine Reise voller Abwechslung und unvergesslicher Eindrücke findet ihr Ende. Es war mit Sicherheit nicht  meine letzte Kreuzfahrt in den hohen Norden.

Fotos: Oliver Richter

 

Raushier-Reisemagazin

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