Livingstone ist schnell, sehr schnell. Links an seiner Seite hält Darwin gerade noch so Schritt. Nur noch geschätzte zehn Meter sind sie entfernt von ihrer Beute. Sie sind hungrig und steigern ihr Tempo nochmals auf mehr als 70 km/h. Staub wirbelt auf. Lange können die beiden diese hohe Geschwindigkeit nicht mehr halten. Aber die Beute ist in Reichweite, die Belohnung naht und so legen sie einen letzten Endspurt hin, bevor endlich aus der Ladefläche des vor ihnen fahrenden Pick-Ups zwei große Fleischbrocken dumpf auf dem sandigen Boden aufprallen.
Die Geparden schlagen blitzschnell einen Haken und bremsen abrupt ab. Gierig schnappen sie nach ihrem Stück Fleisch und ziehen sich unter einen Baum zurück. Es ist 10 Uhr morgens, endlich Frühstück – ein rohes Stück Fleisch. Die Szene spielt sich fast täglich auf einer Gepardenfarm in Namibia ab, auf dem Cheetah Conservation Fund.
Tiere in freier Wildbahn
Faszinierende Tierfilme, die wir gemütlich zu Hause auf unserer Couch anschauen, prägen unser Bild, wenn wir an Safarifahrten denken. Vor unseren Augen der ultimative Kill eines Zebras durch ein Löwenrudel oder Hyänen. Spektakulär. Nur sind Tierfilmer für solche Bilder mehrere Monate oder länger unterwegs. Realistisch bleibt aber, Raubtiere in freier Wildbahn zu entdecken und zu beobachten. Rund 1,5 Millionen Touristen zieht es deshalb jährlich nach Namibia, in den Süden Afrikas. Sie suchen das Abenteuer, die ursprüngliche Natur, die Wildnis, wie es sie bei uns in Deutschland mit seinen flächendeckend kultivierten Landschaften und ausgerotteten Raubtieren nicht mehr gibt.
Namibia ist eines der tierreichsten Länder Afrikas
Namibia ist fast zweieinhalb Mal so groß wie Deutschland und zählt mit 20 Nationalparks zu den tierreichsten Ländern Afrikas. Wer auf Safari geht und die beeindruckende Tierwelt erleben möchte, fährt zum Etosha Nationalpark in den Norden. Mit einer Fläche von 22.000 Quadratkilometern ist er der älteste und zugleich am meisten besuchte Nationalpark. Vor allem an den zahlreichen Wasserstellen lässt sich hier das rege Treiben von Elefanten, Giraffen, Nashörnern, Antilopen und vielen anderen Tieren beobachten. Weniger bekannt ist der Bwabwata Nationalpark in der Caprivi-Region im Nordosten, der mehrere kleinere Nationalparks vereint. Mit seiner vielfältigen Vegetation avancierte er in den letzten Jahren zu einem beliebten Tipp für Tiersafaris. Besonders schön und erlebnisreich sind die beiden am Fluss Okavango gelegenen Buffalo sowie Mahango Nationalpark sowie die am Fluss Kwando ausgewiesenen Mudumu sowie Mamili Nationalpark.
Gepardenfarm bei Otjiwarongo
Die Kür einer jeden Safari sind Raubtiere. Eine Garantie, sie tatsächlich zu sehen, gibt es natürlich nicht. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte deshalb auf seiner Namibiareise den Besuch einer der zahlreichen Tierfarmen einplanen. Dort leben beispielsweise Geparden, Leoparden oder Löwen in riesigen Gehegen.
Ein Highlight ist der Cheetah Conservation Fund (CCF), eine Farm und Forschungseinrichtung, auf der derzeit rund 30 Geparden leben. Alle vereint sie ein ähnliches Schicksal. Einige von ihnen haben ihre Eltern verloren, meist getötet von Farmern, die ihre Schafe oder anderes Nutzvieh bedroht sahen. Andere wurden schwer verletzt, sind alt oder leiden unter einer Krankheit, so dass sie nicht mehr in der Wildnis überleben können. Diese Geparden haben im CCF eine lebenslange und sichere Zuflucht gefunden. Andere wiederum verbringen dort nur eine gewisse Zeit – solange, bis sie wieder gestärkt und gesund ausgewildert werden. Der CCF liegt rund vier Stunden Autofahrt nördlich von Namibias Hauptstadt Windhoek entfernt. Am nördlichen Ortsausgang von Otjiwarongo geht es rechts ab auf eine nichtasphaltierte Straße, die nach 44 km zum Eingang führt.
Vom Aussterben bedroht
Geparden sind die schnellsten Raubtiere auf unserer Erde. Sie erreichen für wenige Sekunden Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 100 km/h. Die meisten wild lebenden Geparden leben heute in Namibia. Hier ist die Population mit rund 3.000 mittlerweile wieder relativ stabil. Weltweit allerdings sind Geparden vom Aussterben bedroht. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es noch 100.000, heute sind es nur noch knapp 10.000. Hält diese Entwicklung an, könnten Geparde innerhalb der nächsten 20 Jahre weltweit ausgestorben sein. Dies zu verhindern, ist das Lebensziel von Dr. Laurie Marker. Vor 30 Jahren gründete sie deshalb den CCF. Heute ist sie für ihre sehr erfolgreiche Arbeit als „Cheetah Lady“ international bekannt und anerkannt. Für ihr weltweites Engagement und ihren Einsatz für das Überleben von Geparden in ihren Ökosystemen, wurde sie mit unzähligen Auszeichnungen gewürdigt. Wer Geparden in Namibia erleben und von den dort arbeitenden zahlreichen Experten mehr über sie erfahren möchte, sollte auf dem CCF auf jeden Fall einen Tag verbringen.
Geparden und Farmer
Dr. Bruce Brewer arbeitet als General Manager seit vielen Jahren auf dem CCF. Der ehemalige Leiter des Zoos in Chicago erklärt, warum die älteste aller Raubkatzen vom Aussterben bedroht ist. Ein Grund ist, dass sie in den Nationalparks vor allem von den viel stärkeren Löwen und Hyänen verdrängt werden. Sie rauben ihnen die Beute und töten ihre Jungen; 95 Prozent aller Geparden sterben, bevor sie ein Jahr alt sind. Deshalb suchen sie sich vermeintlich sicherere Gebiete und verlassen die Nationalparks in Richtung Farmland. Die Wahrscheinlichkeit, Geparden im Etosha Nationalpark zu sehen, ist also sehr gering. Doch auf dem Farmland lauern schon die nächsten tödlichen Feinde. Dieses Mal sind es nicht Löwen oder Hyänen, sondern die Menschen. Farmer – sie sind der zweite Grund, warum Geparden vom Aussterben bedroht sind – sehen ihr Weidevieh von Geparden massiv bedroht, verjagen oder töten sie. Das ist offiziell erlaubt, solange sich der Gepard auf dem Eigentum des Farmers befindet.
Hunde schützen Geparden
Ein unlösbarer Konflikt? Nein, meint Bianca Jacobs, Tourismusmanagerin des CCF, und berichtet stolz von den Herdenschutzhunden. Der CCF züchtet Kangals, eine Hunderasse, die vor allem in der Türkei eingesetzt wird, um Schafe vor Wölfen zu schützen. Kangals stellen sich zwischen eine Herde und das Raubtier. Wenn das laute Bellen das Raubtier nicht verscheucht, greift der Hund an. Meist reicht aber schon seine imposante Erscheinung aus, um das Raubtier zu verjagen. Rund 300 Herdenschutzhunde hat der CCF bereits an Farmer verteilt, um Geparden zu schützen. Die Farmer berichten von einer Verringerung der Verluste ihres Nutzviehs um bis zu 80 Prozent. Die Züchtung sowie der Einsatz dieser Hunde ist eine von vielen Maßnahmen des CCF, um das Aussterben der Geparde zu stoppen. Weitere sind das CCF-Forschungszentrum, ein Genetiklabor sowie eine Tierklinik. Wissenschaftler aus unterschiedlichen Ländern arbeiten hier mit hohem Einsatz daran, das Verständnis der biologischen Faktoren, die das Überleben der Geparde beeinflussen, weiter zu fördern.
Geparden „fell-nah“ erleben
An vorderster Stelle aller Maßnahmen steht auch die Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Hierunter fällt zum Beispiel, Farmern geparden-freundliche Viehhaltungsmethoden zu vermitteln. Bis heute schulten die CCF-Experten mehr als 8.000 Farmer sowie deren Arbeiter. Im Fokus stehen ebenso Umweltbildungsprogramme für Schulen in ganz Namibia und anderen Ländern. Auch Touristen sensibilisiert der CCF für seine Arbeit und gewinnt sie so als Multiplikatoren, Spender oder Paten für Geparden. Ein besonderes Highlight bietet sie ihnen mit dem „Cheetah Run“ morgens um acht Uhr. Die Biologin Becky Jonston führt eine Gruppe von rund 30 Besuchern in ein riesiges Gehege. Am Boden ist ein mehrere hundert Meter langer Seilzug im Viereck angebracht, an dem ein Tuch befestigt ist. Ein kleiner Motor beschleunigt das Tuch und die Geparden jagen ihrer vermeintlichen Beute mit geschätzten 60 oder 70 km/h hinterher. Die Zuschauer stehen sicher in einem mit Gitter geschützten Bereich. Die Körpergröße der Zuschauer muss mindestens 1,50 Meter überschreiten, andernfalls könnte der Gepard auf dumme Gedanken kommen. Kleine Erwachsene und Kinder passen ins Beuteschema.
Das große Fressen
Äußerst lohnenswert ist auch das „Cheetah Feeding“. Ein Gepard frisst täglich zwischen 1,5 und 2 Kilogramm Fleisch. Auf der Farm werden sie mit Fleisch von alten Eseln und Pferden gefüttert – im Durchschnitt wird jeden Tag ein halber Esel an die hungrigen Geparden verteilt. Sechs Mal die Woche, an einem Tag wird gefastet. Während die Geparden ihre Mahlzeit genießen, trennt die Besucher nur ein dünner Drahtzaun von ihnen. Jeden von ihnen nehmen sie genau wahr, schließlich können sie über fünf Kilometer weit gut sehen. So nahe wie hier beim Cheetah-Feeding kann man den faszinierenden Raubkatzen nirgends sonst kommen. Die Fütterung bietet Gelegenheit für tolle Fotos.
Weitere Informationen
Wer den CCF unterstützen möchte, kann spenden, CCF-Mitglied werden oder eine Geparden-Patenschaft übernehmen. Jungen Leuten und Studierenden bietet der CCF an, als Volunteer einige Zeit auf der Farm zu arbeiten.
Weitere Informationen unter www.cheetah.org. Adresse: Cheetah Conservation Fund, P.O. Box 1755 Otjiwarongo, Namibia.
Fotos: Thomas Bundschuh