Wer in Corona-Zeiten in den Urlaub fährt, zum Beispiel an die Ostsee, der wird wissen, worauf er sich einlässt. Manches, nein vieles, wird anders sein als in den Jahren zuvor. Wer sich aber auf das Pandemie-Szenario vorbereitet hat, der wird es so schlimm nicht empfinden. Außer das Wetter spielt nicht mit.
Ein Sommer ohne Strandkorb
Im Städtchen Eckernförde (23 000 Einwohner, am Ende der Eckernförder Bucht gelegen) – und das wird in anderen Tourismus-Destinationen an Deutschlands Küsten genauso sein –, geben sich die Menschen allergrößte Mühe, dem Gast den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Einheimische, Gastronomen, Servicekräfte, Ladeninhaber, Stadt- und Kirchenführer, Strandaufseher – einfach alle – sind außerordentlich freundlich und zuvorkommend.
Eckernförde (sowie die gleichnamige Bucht mit flachen Sandstränden und imposanten Steilküsten) mit seinem maritimen Flair und dem belebten Hafen mit alten Fischerbooten hat auch in diesen schwierigen Zeiten allerhand zu bieten, auch wenn die Strandkörbe von den Urlaubern nicht benutzt werden können. „Denn 700 Strandkörbe jeden Tag zu desinfizieren, dazu sind wir nicht in der Lage, da haben wir nicht genügend Personal“, sagt Stefan Borgmann, Geschäftsführer der Eckernförde Touristik & Marketing GmbH. Dazu muss man wissen, dass die begehrten Sitzmöbel fast ausschließlich von der Tourismus & Marketing GmbH verliehen werden. Nur 100 sind im privaten Verleih.
Bleibt eine Decke oder das Badehandtuch, um es sich am vier Kilometer langen feinsandigen Strand (die Strandpromende ist 2,5 Kilometer lang) bei mehr oder weniger frischer, salzhaltiger Ostseeluft und einem Bad im kühlen Nass gemütlich zu machen. Platz gibt es genug. Und viele andere Dinge, damit es einem in Eckernförde nicht langweilig wird.
Die Kieler Sprotte kommt nicht aus Kiel
Im 18. Jahrhundert lebte der Ort hauptsächlich vom Fischfang (Borgmann: „Die Fischfangflotte hier war größer als die in Kiel“) und auch noch bis vor etwa 100 Jahren war Eckernförde einer der bedeutendsten Fischerei- und Fischräuchereistandorte an der Ostsee. 1890 etwa hatte der Ort 250 Berufs- und 110 Nebenerwerbsfischer. Heute ist der Hafen zwar auch noch von Booten und Möwen „bevölkert“, aber es gibt nur noch vier hauptberufliche Fischer; wenigen anderen dient die Fischerei als Nebenerwerb. Liebhaber können frischen Fisch und Räucherfisch direkt vom Kutter erwerben.
Und um gleich mit einer Mär aufzuräumen: die bis in den Süden der Republik bekannte Kieler Sprotte – Kiel und Eckernförde liegen nur knapp 30 Kilometer auseinander – kommt eigentlich aus Eckernförde. Die Räucherfischspezialität aus Eckernförde erhielt ihren Namen nur, weil sie im 19. Jahrhundert bei der Verfrachtung den Frachtstempel des Kieler Bahnhofs erhielt. Die Kieler Sprotte ist eines der Räucherfischprodukte, auf die sich der Spruch „In Eckernför, dor hebbt se’t rut, ut Sülver Gold to maken“ (In Eckernförde haben sie’s raus, aus Silber Gold zu machen) bezieht: gemeint ist die goldene Farbe, die die silbernen Fische durch den Räuchervorgang bekommen.
Kalle und Krischan
In der Gasse „Am Kattsund“ können Besucher Kalle und Krischan bestaunen. Die beiden stehen als bemalte Holzskulpturen über dem Eingang eines roten Backsteinhauses. Lässig lehnen sie an einem Schild, einst Kennzeichnung des Eingangs zur Fischräucherei Daniel Jarck. Mit Kinnbart und Hut, der eine ein Ruder, der andere einen Käscher in der Hand, handelt es sich bei den beiden Figuren eindeutig um zwei Fischer. Darunter steht der Spruch: „In Eckernför, dar hebbt wi’t rut ut Sülwer Gold to maken.“ Übersetzt: „In Eckernförde, da haben wir es raus, aus Silber Gold zu machen.“ Dabei geht es um das Räuchern der Sprotten. Früher gab es im Ort sage und schreibe 60 Fischräuchereien. Die meterhohen Räuchertürme ragten in den Himmel und bestimmten das Stadtbild, die Luft war von qualmenden und beißenden „Rauchschwaden“ erfüllt. Eckernförde war zu einer Räucherei-Metropole geworden.
Am Rundsilo kommt niemand vorbei
Das imposanteste Gebäude der Stadt, weil an einem markanten Ort, nämlich im Hafengelände, errichtet, ist ein 42 Meter hoher Backsteinbau, der in seiner Form wohl einmalig ist: der in nur zwei Jahren (1931/32) erbaute Getreidespeicher; gearbeitet wurde rund um die Uhr, Tag und Nacht. An seinem Anblick kommt man nicht vorbei. Auch wenn man wollte, das auffällige Bauwerk sticht sofort ins Auge. Der Speicher wird auch als Rundsilo oder Rundspeicher bezeichnet. 3500 Tonnen Getreide konnten dort gelagert werden. 1986 hatte er zu diesem Zweck ausgedient. Heute befindet sich im Erdgeschoss eine Gaststätte.
In Eckernförde blühte bis Anfang der 1930er-Jahre der Handel, die Bürger der Stadt waren geschäftstüchtig und umtriebig. Neben der Fischereiflotte und den Werften am Hafen waren im näheren Umfeld viele Handwerksbetriebe angesiedelt, besagte Räuchereien und mehrere Getreidespeicher. Der Getreidehandel spiegelte den Reichtum der Region wieder; die landwirtschaftlichen Güter im Hinterland bauten die Nutzpflanzen vorwiegend für den Export an. Hierdurch entstand der Bedarf an Silos in Hafennähe.
Erste Erwähnung im Jahr 1197
Erste Hinweise auf (städtisches) Leben in Eckernförde gehen zurück ins Jahr 1215. Das genaue Gründungsdatum der Siedlung Eckernförde ist unbekannt; der Name „Ekerenvorde“ wurde erstmals im Jahr 1197 erwähnt. Dass Menschen sich hier niedergelassen hatten, verdeutlicht die Tatsache, dass auf der gegenüberliegenden Seite von Eckernförde, nur ein paar Schritte entfernt, die Kirche des ehemaligen Seebades Borby, bereits gebaut war. Der Baubeginn wird zwischen 1150 und 1180 angegeben. Das evangelische Gotteshaus, eine prächtige spätromantische Feldsteinkirche, deren schlanker Turm weit herausragt, ist weithin sichtbar, steht es doch auf einem Hügel, einem ehemaligen Burggelände. 1302 wurde Eckernförde erstmals zweifelsfrei als Stadt erwähnt. Ende des 14. und zu Beginn des 15. Jahrhunderts war Eckernförde ein berüchtigtes Piratennest.
Borby (6500 Einwohner) war lange eigenständig und wurde erst im Jahr 1934 eingemeindet. Die kürzeste Möglichkeit, von Eckernförde dorthin zu gelangen, ist über eine hölzerne Klappbrücke – kurz Holzbrücke genannt – möglich. Sie ist ein Unikum in Schleswig-Holstein; entstanden ist sie nach einer großen Sturmflut im Jahr 1872, um die zerstörte Verbindung beider Orte wieder herzustellen. Sie hat bis heute ihr Aussehen nicht verändert.
Zwei gewaltige Sturmfluten
Mitten in den Dreißigjährigen Krieg (1618-1638) hinein wurde Eckernförde 1629 von der Pest überrollt – zwei Drittel der Bevölkerung überlebte nicht. Und gut 60 Jahre später, 1694, überschwemmte eine erste Sturmflut die Stadt. Nicht genug damit: 112 Familien verloren ihr Dach über dem Kopf, als 1872 ein zweites Sturmhochwasser große Schäden verursachte. Das gesamte Stadtgebiet war tagelang meterhoch überflutet, 78 Häuser zerstört, 138 Häuser beschädigt.
Die Bürger ließen sich aber durch die Unbillen der Natur nicht in ihren Grundfesten erschüttern und arbeiteten daran, sich neben der Fischereiwirtschaft und dem Getreidehandel ein drittes Standbein aufzubauen – den Tourismus. Das benachbarte Borby war da schon weiter und durfte sich bereits 1833 „Seebad“ nennen. Eckernförde konnte sich mit dieser Klassifizierung erst ab 1922 rühmen, profitierte aber auch von den Gästen, die Mitte des 19. Jahrhunderts in Borby Quartier nahmen. Spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg kam der Tourismus so richtig in Schwung.
Wehrtechnische Dienstelle 71
Seit 1912 ist Eckernförde Garnisonsstadt und Marinestützpunkt sowie Sitz einer Torpedoversuchsanstalt. Die Wehrtechnische Dienstelle (WTD 71) für Schiffe, Marinewaffen, maritime Technologie und Forschung hat ihren Sitz einige Kilometer außerhalb der Stadt und beschäftigt 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hinzu kommen 200 diplomierte Fachkräfte aus Wissenschaft und Ingenieurwesen. Eckernförde ist der größte Militärstandort für U-Boote in Deutschland.
Regelrecht aus allen Nähten platzte Eckernförde in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg – die Stadt gehörte zur Britischen Besatzungszone. Die Militärverwaltung richtete ein DP-Lager ein (DP-Lager waren Einrichtungen zur vorübergehenden Unterbringung von Displaced Persons, also von Menschen, die nicht an diesem Ort beheimatet sind).
Aufgenommen wurden über 10 000 Flüchtlinge aus den Ostgebieten Deutschlands. Bestehende Flüchtlingslager wurden ausgebaut und erweitert, schnell kamen weitere Lager hinzu. Der Menschenstrom ebbte nicht ab. Nach der Kapitulation am 8. Mai 1945 sollen sich 60 000 Menschen in Eckernförde aufgehalten haben. Bis in die 1970er-Jahre herrschte in Eckernförde große Wohnungsnot.
250 000 Übernachtungen pro Jahr
Heute ist davon natürlich nichts mehr zu spüren, obwohl sich immer noch viele Menschen in der charmanten Stadt aufhalten, auch oder gerade zu Corona-Zeiten. „Wir sind ein Ort ohne Halli Galli“, sagt Touristiker Borgmann, „wir haben auch nur 2500 Gästebetten, und die meisten davon stehen in Privatquartieren.“
Die 80 000 Übernachtungsgäste (die meisten davon, 27 Prozent, kommen aus Nordrhein-Westfalen, zirka jeweils zwölf Prozent aus Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein), bleiben im Schnitt zirka 3,5 Nächte, unter dem Strich sind das weit über 250 000 Übernachtungen. Eckernförde lebt auch von den vielen Tagesgästen – zwei Millionen sind es Jahr für Jahr.
Die teilweise engen Gassen der historischen Altstadt mit den schön anzusehenden Fischerhäuschen verzaubern den Gast vom ersten Moment an. Kultureller Mittelpunkt ist der Rathausmarkt; die Kieler Straße (Fußgängerzone) und die St.-Nicolai-Straße laden zum Shoppen und Schlendern ein und die St. Nicolai-Kirche (gebaut um 1210) zur inneren Einkehr (der Heilige Nikolaus ist Schutzpatron der Seefahrer und Kaufleute). Das Kontorhaus in der Frau-Clara-Straße 15 steht sogar auf der Liste der Kulturdenkmäler in Eckernförde.
Besuch des OIC ist ein Muss
Unbedingt einen Besuch abstatten sollten Familien, vor allem die, die mit Kindern und Jugendlichen anreisen, dem Ostsee Info-Center (OIC), das direkt an der Hafenmole (Hafenspitze), am Beginn der Strandpromenade, errichtet wurde. Der Besucher erfährt unter anderem wie die Ostsee entstanden ist, was dieses besondere Meer von allen anderen unterscheidet, etwas über Fischer und Fischerei und jede Menge mehr, zum Beispiel, wie Schweins¬wale leben. Meerwasser-Aquarien bieten einen Einblick in die geheimnis¬volle Unterwasser¬welt der Ostsee, in der Seehasen, Aalmuttern, Knurrhähne und Seeskorpione zu Hause sind. Spannend ist ein Abstecher zum Fühlbecken, das den direkten Kontakt mit Seesternen und Strand¬rabben ermöglicht. 40 000 Besucher im Jahr zeugen davon, dass das OIC sehr gut angenommen wird.
Informationen: Eckernförde Touristik & Marketing GmbH, Am Exer 1, 24340 Eckernförde, Tel.: (04351) 7 17 90; Internet: www.ostseebad-eckernfoerde.de.
Gastrotipps
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Taverne Rhodos: Schiffbrücke 7, 24340 Eckernförde, Tel.: (04351) 6122
- Ratskeller: Rathausmarkt 8, 2434 Eckernförde, Tel.: (04351) 2412; E-Mail: info@smutje.de; Internet: www.ratskeller-eckernförde.de
- Ristorante Pizzeria La Taverna al porto: Frau-Clara-Straße 15, 24340 Eckernförde, Tel.: (04351) 8 89 09 12; E-Mail: info@la-taverna.eu; Internet: www.la-taverna-al-porte.de
- VinChi: Asiatisches Restaurant & Sushi, Hafenspitze 2, 24340 Eckernförde, Tel.: (04351) 8 92 05 43; E-Mail: restaurant@vinchi.info
- Hotel-Restaurant Siegfrieds Werft: Vogelsang 12, 24340 Eckernförde, Tel.: (04351) 7 57 70; E-Mail: info@hotel-siegfried-werft.de
- Luzifer: Frau-Clara-Str. 19, 24340 Eckernförde, Tel.: (04351) 47 06 61
- Bonbonkocherei und Schokoladen: Frau-Clara-Straße 22, Tel.: (04351) 88 99 86; Internet: www.bonbonkocherei.de