Es hat sie schon immer gegeben – diese faszinierende Ruhe mitten im Ötztal, das immerhin zu den bekanntesten Wintersport-Destinationen des Alpenraums zählt. Normalerweise jedoch haben die meisten Sölden im Blick – und daher kaum ein Auge für versteckte Naturschönheiten auf dem Weg dorthin. Zeit für Entdeckungen abseits des Mainstreams.
340 Einwohner genießen die Abgeschiedenheit
Schon mal von Niederthai gehört? Der Weiler zählt zur Gemeinde Umhausen, dem geographischen Zentrum des Ötztals, das die ersten Siedler bereits vor 1000 Jahren anzog. Heute ducken sich geschichtsträchtige Bauernhäuser im Schnee und eine stolze Kirche behauptet ihren Platz auf dem weitläufigen Sonnenplateau in 1550 Meter Höhe. Die gut 340 Einwohner genießen die Aussicht auf das mächtige Geigenkamm-Massiv mit Fundusfeiler (3079 Meter) und Polleskogel (3035) vis-a-vis – und die Abgeschiedenheit.
„Es ist wunderbar, ein wenig weg vom Schuss zu sein“, sagt Martin Scheiber. Der 45-Jährige liebt die Natur und ebnet auch anderen den Weg zur Achtsamkeit. Vor einigen Jahren hat er mit drei Kollegen aus dem Dorf die Alpinschule Ötztalauftalab (www.alpinzeit.tirol) eröffnet. Zusammen decken die Bergprofis sommers wie winters die gängigen Sportarten ab und setzen dabei ihre Vision um: Klasse statt Masse, individuelle Angebote, nachhaltige Erlebnisse und in gewisser Weise: zurück zu den Wurzeln.
Langlauf ist eine natürliche Bewegung
Martin Scheiber ist Bergwanderführer, Gesundheitstrainer und Diplom-Langlauftrainer. Wer mit ihm in die Loipe geht, spürt rasch am eigenen Leib, dass es sich beim Langlaufen um eine natürliche Bewegung handelt; um Gehen in der dynamischen Variante, die bei der richtigen Technik ins Gleiten führt. „Nach drei bis vier Stunden Unterricht können Gäste eine leichte Loipe schon wirklich genießen, kommen vielleicht sogar in einen lässigen Flow“, sagt er und betont den Fitness-Faktor dieser Sportart, die nicht zuletzt auch von der Industrie lange stiefmütterlich behandelt worden sei. „Aber da tut sich jetzt einiges“, weiß er.
70 Kilometer Loipe
In Niederthai stehen 70 Loipenkilometer unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade zur Auswahl (39 für den klassischen Langlauf, 31 zum Skaten). Damit bietet das idyllische Dörfchen knapp die Hälfte der Strecken, denen die Freunde des nordischen Sports durchs Ötztal folgen. Martin Scheibers Lieblingsspur führt ins tief verschneite Horlachtal: „Sie ist anspruchsvoll, daher kaum frequentiert und einfach ideal zum Abschalten.“ Romantikern dagegen empfiehlt er die Nachtloipe Tellerboden, auf der man entspannt in den Abend gleiten kann.
Neben Langlaufen sind auch Ski- und Schneeschuhtouren geniale Alternativen für Individualisten. Beides wunderbare Möglichkeiten, die stillen Seiten des Ötztals und die Faszination der unberührten alpinen Natur zu genießen. „Die Lebensräume von Steinbock, Fuchs und Hase nicht stören und zugleich zur eigenen Sicherheit die Lawinensituation im Blick haben.“ Das sind für die Jungs von „Ötztalauftalab“ wesentliche Aspekte, wenn es ums eigene Erlebnis in der Einsamkeit geht. „Es gibt viele schöne Touren, die am Ende des Tages niemanden schaden“, sagen sie und versuchen, Gästen das Bewusstsein zu schärfen.
„Die Natur zieht sich zurück“
Martin Scheiber selbst hat ein offenes Ohr für die Ruhe im Winter. „Die Natur zieht sich zurück, sammelt neue Kräfte“, sagt er. Und freut sich immer wieder über einzigartige Momente und besondere Beobachtungen, die er gern mit anderen teilt. Sein Tipp: Die geführten Fackel-Wanderungen entlang des Stuibenfalls. Er ist mit 159 Metern Fallhöhe und bis zu 2000 Liter Wasser, die im Sommer pro Sekunde in die Tiefe stürzen, der imposanteste – und am eindrücklichsten inszenierte – in ganz Tirol. Im Winter verstummt das Rauschen, bizarre Eisformationen bilden vergängliche Naturdenkmale und ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Damit niemand ausrutscht, statten die Bergprofis ihre Gäste mit Snow-Spikes für die Wanderschuhe aus. Wer lieber allein unterwegs ist, hat 250 Kilometer beschilderter und präparierter Wege zur Auswahl: Von Haiming am Anfang des Ötztals bis zum Talschluss in Obergurgl-Hochgurgl beziehungsweise Vent schlängeln sich aussichtsreiche Routen durch die Abgeschiedenheit, darunter zahlreiche Rundwege.
Winterwunderland Piburger See
Oberhalb von Oetz lockt der Piburger See, der von tief verschneiten Wäldern umgeben mitten im Winterwunderland liegt. Wenn es lange genug frostig war, können Gäste hier die Wanderschuhe gegen Schlittschuhe tauschen und ein paar Runden drehen. „Eismeister“ Ferdl Plattner sorgt vor Ort für die nötige Sicherheit. Vor zwei Jahren übrigens war die gefrorene Schicht 58 Zentimeter dick. Darunter konnte man den Fischen zuschauen. Und sich schon einmal auf das gemeinsame Schwimmen im Sommer freuen.
Infos: Ötztal Tourismus, Gemeindestraße 4, A-6450 Sölden, Tel.: +43 (0) 57200-0, E-Mail: info@oetztal.com, Internet: www.oetztal.com