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Märchenhaftes Wernigerode: Die bunte Stadt im Harz

Eindrucksvolle Fachwerkstädte, denen ein romantisches Flair anhaftet,  gibt es in Deutschland mehr als genug; eine stattliche Anzahl darf sich auch mit dem Titel UNESCO-Weltkulturerbe schmücken. Die Hitliste mit den meisten Fachwerkhäusern, nämlich um die 2000, führt Quedlinburg in Sachsen-Anhalt an. Die Stadt nördlich des Harzes ist eines der größten Flächendenkmäler der Republik.

Mehr als 800 Fachwerkhäuser gibt es im malerischen 34 000- Einwohner-Städtchen Wernigerode (ebenfalls in Sachsen-Anhalt gelegen und nur 30 Kilometer von Quedlinburg entfernt) zu bestaunen. Ein Trip, der sich mit Sicherheit lohnt.

Eine Perle mittlelalterlicher Baukunst

Die Sylvestri-Kirche ist nach Papst Silvester I. (285-335) benannt und befindet sich am Oberpfarrkirchhof. Sie steht auf dem ältesten Teil von Wernigerode, dem Klint. – Foto: Dieter Warnick

Die Sylvestri-Kirche ist nach Papst Silvester I. (285-335) benannt und befindet sich am Oberpfarrkirchhof. Sie steht auf dem ältesten Teil von Wernigerode, dem Klint. – Foto: Dieter Warnick

Die größte Aufmerksamkeit bei Einheimischen und Besuchern erregt – neben dem Schloss – das um 1420 entstandene Rathaus, das eines der schönsten in Deutschland ist. Das gotische Fachwerkhaus direkt im Herzen der Stadt am großzügigen Markplatz errichtet, war einst das gräfliche Spielhaus (Spelhus), also ein Ort mannigfaltiger Vergnügungen, diente aber auch als Handelsplatz und Gerichtsort.  Eine Perle mittelalterlicher Baukunst!

Das Rathaus in Wernigerode ist ein wahrer Blickfang und mit Sicherheit eines der schönsten Rathäuser Deutschlands. – Foto: Christine Schiegl

Das Rathaus in Wernigerode ist ein wahrer Blickfang und mit Sicherheit eines der schönsten Rathäuser Deutschlands. – Foto: WTG-Polyluchs

Beachtlich sind die geschnitzten Figuren unterhalb des Daches an den Stützen (Knaggen) des Gebäudes. Gezeigt werden 52 Gestalten – Heilige und Geistliche, Handwerker, Spielleute, Narren, Trinker und Moriskentänzer. Die Fassade ist reich verziert und bildet zusammen mit der prächtigen spitzbogigen Eingangstür und der harmonischen Einbindung in den Marktplatz einen wahren Blickfang. Mitten auf dem Platz steht seit 1848 der Wohltäterbrunnen; er wurde zu Ehren der Gönner der Stadt gefertigt.

Blickfang Nummer zwei – das Schloss

Die Brockenbahn ist eine hauptsächlich touristisch genutzte, meterspurige Eisenbahnstrecke der Harzer Schmalspurbahnen. Sie führt auf den Brocken, der mit 1141 Metern der höchste Berg im Harz und somit in ganz Norddeutschland ist. – Foto: WTG_Polyluchs

Die Brockenbahn ist eine hauptsächlich touristisch genutzte, meterspurige Eisenbahnstrecke der Harzer Schmalspurbahnen. Sie führt auf den Brocken, der mit 1141 Metern der höchste Berg im Harz und somit in ganz Norddeutschland ist. – Foto: WTG_Polyluchs

Blickfang Nummer zwei und ein weiteres äußerst sehenswertes Wahrzeichen ist das hoch über der Stadt thronende Schloss, von dem aus man einen hervorragenden Blick auf die Stadt und das Harzer Umland (bis hin zum Brocken) hat.

Erbaut wurde es wohl in den frühen Jahren des 12. Jahrhunderts als mittelalterliche Burg, urkundlich erwähnt allerdings wurde es erst im Jahr 1213. Im 16. Jahrhundert wurde die Burg zu einer Renaissance-Festung umgebaut, ehe es im späten 17. Jahrhundert zu einem Schloss im Barockstil umgestaltet wurde.

Breite Straße – eher lang als breit

Die Himmelsgucker sind drei Holzfiguren der Künstlerin Sylvia Itzen (Jahrgang 1968) vor dem Gebäude von Stadtbibliothek und Harzmuseum. Die Skulpturen wurden innerhalb weniger Wochen im Herbst 2020 überwiegend mit der Kettensäge gestaltet. – Foto: Dieter Warnick

Die Himmelsgucker sind drei Holzfiguren der Künstlerin Sylvia Itzen (Jahrgang 1968) vor dem Gebäude von Stadtbibliothek und Harzmuseum. Die Skulpturen wurden innerhalb weniger Wochen im Herbst 2020 überwiegend mit der Kettensäge gestaltet. – Foto: Dieter Warnick

Nähert man sich vom Bahnhof in Richtung Altstadt, kommt der Besucher unweigerlich auf die Breite Straße, die eher lang als breit ist.

Brockenhexen sind fiktive Gestalten des Volksglaubens, die durch ihre angeblichen Versammlungen auf dem Brocken, vor allem zum Hexensabbat zur Walpurgisnacht, mit diesem in Verbindung stehen. Sie sind im gesamten Stadtbild anzutreffen. – Foto: Dieter Warnick

Brockenhexen sind fiktive Gestalten des Volksglaubens, die durch ihre angeblichen Versammlungen auf dem Brocken, vor allem zum Hexensabbat zur Walpurgisnacht, mit diesem in Verbindung stehen. Sie sind im gesamten Stadtbild anzutreffen. – Foto: Dieter Warnick

Sie ist die lebendige Hauptgeschäftsstraße und die „Fressmeile“ der Stadt. Ein Restaurant folgt auf das andere, ebenso charmante Cafés und Konditoreien. Die schmucken Fachwerkhäuser sind wie an einer Perlenschnur aneinandergereiht und zusammengebaut – Laden-Leerstände sucht man vergeblich. Bei einem Bombenangriff im Februar 1944 wurden auf der Breiten Straße mehrere historische Gebäude vollkommen oder teilweise zerstört.

Ein Verweilen vor Hausnummer 72 ist Pflicht. Dort steht ein barockes Fachwerkhaus, nämlich das Krummelsche Haus, das der aus Berlin stammende Kornhändler Heinrich Krummel 1674 erbauen ließ. Das hölzerne Fachwerkgerüst ist reich an üppigen Schnitzereien und die Fensterbrüstungen sind mit kostbaren Relieftafeln versehen.

Das kleinste und das schiefste Haus 

Dieses ansehnliche Anwesen ist eines von 800 Fachwerkhäusern in Wernigerode. – Foto: Dieter Warnick

Dieses ansehnliche Anwesen ist eines von 800 Fachwerkhäusern in Wernigerode. – Foto: Dieter Warnick

In der Innenstadt mit seinen engen und oftmals verwinkelten Gassen gibt es das „Kleinste Haus“ (nur 2,95 Meter breit) und das „Schiefste Haus“ (angeblich schiefer als der Turm zu Pisa). Schief deshalb, weil es sich wegen teilweiser Unterspülung durch den unterirdischen, offenen Mühlgraben im Laufe mehrerer Jahrhunderte auf eine Seite abgesenkt hat.

Das Gebäude würde nicht mehr stehen, wenn es nicht auf festes Felsgestein gestoßen wäre. Der einzige Raum des „Kleinsten Hauses“ hat eine Wohnfläche von nur 10 m². In den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts bewohnte es ein Schaffner mit Frau und sieben Kindern. Respekt!

Der heilige Nikolaus beobachtet das bunte Treiben

Dieses ansehnliche Anwesen ist eines von 800 Fachwerkhäusern in Wernigerode. – Foto: Dieter Warnick

Der Wohltäterbrunnen steht mitten auf dem Marktplatz. – Foto: Dieter Warnick

Neben dem märchenhaft anmutenden Marktplatz, auf dem über das Jahr verteilt zahlreiche Veranstaltungen über die Bühne gehen, ist auch der geschichtsträchtige Nicolaiplatz ein beliebter Aufenthaltsort in der Innenstadt. Einst stand hier die im 13. Jahrhundert erbaute Nicolaikirche. Sie wurde 1873 wegen Baufälligkeit abgerissen. Sehenswert ist dort ein Wasserspeier, der die reiche Wernigeröder Historie aufgreift. Auf einem Bogen sind Namen und Jahreszahlen bedeutender Personen und Ereignisse der Stadtgeschichte eingraviert.

Am Rand sitzt der heilige Nikolaus persönlich, der das bunte Treiben um sich herum beobachtet. Seinen Blick kann der Betrachter so richtig nicht einschätzen, irgendetwas zwischen kritisch-prüfend und spöttisch-schadenfroh trifft es wohl am besten.

Liebfrauenkirche als Konzerthaus Liebfrauen

Die Liebfrauenkirche ist ein entwidmetes Kirchengebäude und ein Kulturdenkmal der Stadt. Es wird seit 2022 als Konzerthaus Liebfrauen genutzt. – Foto: Dieter Warnick

Die Liebfrauenkirche ist ein entwidmetes Kirchengebäude und ein Kulturdenkmal der Stadt. Es wird seit 2022 als Konzerthaus Liebfrauen genutzt. – Foto: Dieter Warnick

Dass Kirchen mit die ältesten Gebäude einer Stadt sind, ist logisch, und in Wernigerode nicht anders. Ein kurzer Überblick über die wichtigsten Gotteshäuser: Die Sylvestrikirche steht direkt hinter dem Rathaus auf der Klint genannten Anhöhe am Oberpfarrkirchhof. Dieser ist einer der bedeutungsvollsten Plätze der Stadt.

Mächtig thront Schloss Wernigerode über der Stadt. – Foto: Christine Schiegl

Mächtig thront Schloss Wernigerode über der Stadt. – Foto: Christine Schiegl

Der Klint gilt als Ausgangspunkt der Ortsgründung durch die Benediktiner vor etwa 900 Jahren. Am 17. April 1229 folgte die Verleihung des Stadtrechts. Die Johanniskirche ist in ihrer Gesamtsubstanz die älteste erhaltene Kirche der Stadt. Sie wurde im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts gebaut – noch ganz im romanischen Stil.

Eine ganz besondere Bewandtnis hat es mit der imposanten Liebfrauenkirche auf sich. Sie wurde im Jahr 2019 entwidmet und dient jetzt als Konzertsaal (offiziell Konzerthaus Liebfrauen). Eine Entwidmung ist die Voraussetzung dafür, dass sakrale Gebäude wie Kirchen für andere Zwecke genutzt werden können. Grund für die Entwidmung war die gesunkene Zahl der Gemeindemitglieder. Das Gotteshaus wurde von Januar 2020 bis Dezember 2021 zur Proben- und Konzertstätte umgebaut – entstanden ist ein hochwertiger Konzertsaal.

Stadtbrände 1528, 1751 und 1847

Märchenhaft ist der Anblick des Schlosses und ebenso hinreißend der Blick auf die Stadt. – Foto: WTG_Polyluchs

Märchenhaft ist der Anblick des Schlosses und hinreißend der Blick auf die Stadt. – Foto: WTG-Polyluchs

Natürlich blieb auch Wernigerode nicht von großen Bränden verschont. 1528 wüteten die Flammen am schlimmsten, 440 Gebäude und damit ein Viertel aller Häuser wurde vernichtet. Am 30. Juni 1751 zerstörte ein Feuer 300 Gebäude. Und beim Stadtbrand von 1847 verlor ein Fünftel der Bevölkerung ihr Dach über dem Kopf.

Auch im Zweiten Weltkrieg blieb die Stadt nicht verschont. Bomber der alliierten Truppen warfen am 22. Februar 1944 über 200 Sprengkörper ab – 192 Menschen wurden getötet, 150 teils schwer verletzt, 112 Häuser vollständig zerstört und hunderte weitere Gebäude beschädigt.

9000 Gästebetten

9000 Beherbergungsbetten sowie über zwei Millionen Tagesbesucher und Übernachtungsgäste machen die Stadt im Harz neben Quedlinburg zu einem Hotspot in Sachsen-Anhalt. Wernigerode profitiert natürlich auch von der unmittelbaren Nähe zum Nationalpark Harz mit dem 1141 Meter hohen Gipfel des Brocken.  

Interessant ist auch, dass die Stadt neben den Arbeitsstellen rund um den Tourismus (wozu natürlich auch das Gastgewerbe gehört) 4500 Industrie- und Handwerksplätze zu bieten hat.

Der Tourismus kommt ins Rollen

Die Zeit für eine Nachwächterführung (im Bild Frank Schröter) sollte sich jeder Wernigerode-Besucher nehmen. – Foto: Christine Schiegl

Die Zeit für eine Nachwächterführung (im Bild Frank Schröter) sollte sich jeder Wernigerode-Besucher nehmen. – Foto: Christine Schiegl

Der Tourismus kam ins Rollen, als auch die Eisenbahn ins Rollen kam – in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 1872 wurde Wernigerode ans Schienennetz angeschlossen. Gleichzeitig setzte auch die industrielle Entwicklung (unter anderem Maschinen- und Werkzeugbau, Elektromotoren, pharmazeutische Produkte, Schokolade, Schreibwaren, Baustoffe) ein. Der Aufschwung der Stadt als Wirtschaftsstandort war nicht mehr aufzuhalten.

Mit dem Bau der Brockenbahn – der erste Abschnitt wurde 1898 eröffnet – zog Wernigerode natürlich vermehrt Ausflügler an. Die Stadt wurde nicht nur als Durchgangsstation für Harz- und Brocken-Reisende wahrgenommen, sondern zunehmend als Ort, der sich hervorragend zur Sommerfrische eignete. Entsprechend entstanden Hotels und Gaststätten sowie Kur- und Kultureinrichtungen.

Informationen: Wernigerode Tourismus GmbH, Marktplatz 10, 38855 Wernigerode, Tel.: (03943) 5 53 78 35; E-Mail: info@wernigerode-tourismus.de; Internet: www.wernigerode-tourismus.de

Veranstaltungs-Tipps

  • Stadtführung: Werner Heyder, Tel.: (0162 21 74 463).
  • Nachwächterführung: Frank Schröter, Tel.: (0170 46 19 344).
Märchenhaft ist der Anblick des Schlosses und ebenso hinreißend der Blick auf die Stadt. – Foto: WTG_Polyluchs

Ein beliebter Aufenthaltsort ist der Nicolaiplatz. Direkt neben dem sehenswerten Wasserspeier sitzt der heilige Nikolaus persönlich, das bunte Treiben um sich herum beobachtend. – Foto: Dieter Warnick

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