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Am königlichen Hof der Falkland-Pinguine

Die blecherne Karawane pflügt voran wie eine Kettenraupe, durch schwarzen Torf. Es nieselt. Immerhin. Tagelang vor der Ankunft der Celebrity Infinity hatte es gar geschüttet. Senken sind mit Wasser vollgelaufen, erdige Furchen durchziehen das Grasland. Immer wieder graben sich Fahrzeuge ein, als wäre es Treibsand.

Immer wieder fahren sich die Jeeps im Falkland-Torf fest. Nur die Seilwinde kann da jetzt noch helfen.

Immer wieder fahren sich die Jeeps im Falkland-Torf fest. Nur die Seilwinde kann da jetzt noch helfen.

Jeder der zehn Jeeps sucht eine eigene Ideallinie, kreuz und quer. Büsche und Sträucher geraten gnadenlos unter die Räder. Der Schlamm klatscht auf die Windschutzscheibe, die Scheibenwischer laufen unentwegt, die Passagiere schüttelt es vom Stakkato der Hügel, Buckel und Mulden.

Stellt man sich so eine Fahrt zu Majestäten vor? Eher nicht. Doch der königliche Hof der Falklandinseln residiert nun mal derart abgelegen. Etwa 80 Kilometer entfernt von der Inselhauptstadt Port Stanley; erst über eine Schotterpiste, dann fast zwei Stunden querfeldein. Zumindest aber das Fortbewegungsmittel ist standesgemäß: ein grüner Landrover. Ein Fabrikat, das auch die britische Königin nutzt, wenn sie auf Schloss Balmoral, ihrer schottischen Sommerresidenz, eine Ausfahrt ins Grüne macht.

Die Celebrity Infinity vor Port Stanley.

Angekommen aus Buenos Aires: die Celebrity Infinity vor Port Stanley.

Die Falklands sind britisches Überseeterritorium

Aber im Südatlantik, auf einem baumlosen Eiland irgendwo zwischen Argentinien und der Antarktis, ist die Monarchin fern. Wenngleich die Falklands britisches Überseeterritorium sind und die Queen auch hier Staatsoberhaupt. Aber 500 Kilometer vor der Küste Feuerlands dreht sich in Sachen gekrönte Häupter alles um Pinguine, genauer gesagt um Königspinguine. Allein ihretwegen auch die strapaziöse Fahrt.

Am Volunteer Point, ganz im Nordosten von East Falkland, einer von zwei Hauptinseln, lebt eine große Kolonie. Um die 1000 Tiere ziehen dort jedes Jahr etwa 200 Junge auf. Rund eine Dreiviertelmillion Pinguine verschiedener Arten bevölkern die Falklands; am Volunteer Point leben in guter Nachbarschaft zu den Königspinguinen weitaus größere Esels- und Magellanpinguin-Kolonien.

Der erste Königspinguin!

Der erste Königspinguin!

Doch noch ist es ein weiter Weg. Am Steuer sitzt Tonie, eine füllige Mittvierzigerin. „Es regnet ja häufig bei uns, aber so viel Regen wie zuletzt ist für die Jahreszeit nicht normal“, erklärt sie und lässt ihr Allradgefährt lässig über einen Hügel springen; es spritzt nach allen Seiten.

Ihre Gäste im Fond stoßen sich beinahe den Kopf am Fahrzeughimmel, Tonie entgegnet nur: „Uns liegt das Offroadfahren im Blut.“ So klingt Nonchalance im Südatlantik.

Zumindest die wenigen Siedlungen der knapp 3000 Kelper, so nennen sich die Einwohner Falklands in Anlehnung an den Seetang vor ihren Küsten, dem sogenannten Kelp, sind mittlerweile durch Schotterpisten miteinander verbunden. „Vor dem Konflikt mit Argentinien war das nicht so“, erklärt Tonie. Und schneidet damit gleichzeitig jene 74 Tage an, die ihre karge Heimat in den Blickpunkt der Welt katapultierten.

1982 Jahren besetzt Buenos Aires die Inseln – die Königspinguine sind für kurze Zeit Argentinier

Rund 1000 Tiere leben am Volunteer Point.

Rund 1000 Tiere leben am Volunteer Point – die am einfachsten zu erreichende Kolonie weltweit. Doch auch das ist relativ.

Bereits seit 1833 erhebt Buenos Aires Ansprüche auf die Islas Malvinas, so der spanische Name der Inseln. Anfang April 1982, als ihre Legitimationsdefizite in der Heimat immer evidenter wurden, zog die argentinische Militärjunta den nationalistischen Joker. Die Generalsclique ließ die Falklands besetzen und versuchte, die britische Regierung zu übertölpeln. „Wir mussten plötzlich auf der rechten Straßenseite fahren, aber ansonsten haben die argentinischen Soldaten uns Zivilisten größtenteils gut behandelt”, erzählt Tonie 30 Jahre später.

Argentinier wollten die Kelper trotzdem nicht werden. Und Margaret Thatcher, damals bitische Premierministerin, blieb auch keineswegs passiv wie in Buenos Aires erhofft. Die „Eiserne Lady“ schickte eine Entsatzflotte, in der auch Prinz Andrew Dienst tat. Keine drei Monate später war das argentinische Intermezzo beendet. Nach offiziellen Londoner Angaben kostete der Krieg 254 Briten und 655 argentinische Soldaten das Leben. Einige Relikte, Hubschrauberwracks etwa, zeugen noch von dieser blutigen Episode, doch längst ist wieder Frieden eingekehrt auf den kargen Inseln.

Königspinguine sind gesellige Tiere.

Königspinguine sind gesellige Tiere.

Immer wieder passiert die so seltsam durch den Torf mäandernde Jeep-Kolonne lang gezogene Geröllfelder. „Wir sagen Steinflüsse dazu“, erklärt die Frau am Lenkrad, die im Hauptberuf Schafe züchtet. Rund 5000 leben auf ihrer Farm, mehr als eine halbe Million weiden insgesamt auf den Falklands. Bäume gibt es hingegen nicht; auch Büsche und Sträucher ducken sich meist weg aus dem pfeifenden Wind und werden nicht sehr groß. Die Inseln macht das karg und trostlos, die Falkländer aber lieben ihre Heimat. „Ich bin hier geboren. Ich habe auch schon anderswo in der Welt gelebt, aber allein hier fühle ich mich zu Hause”, bekennt Tonie und fasst das Steuer fester. Und sie hat Recht: Es braucht etwas Zeit bis man den richtigen Blick entwickelt – aber dann entfaltet die Landschaft ihren herben und sehr ursprünglichen Reiz.

Langer, schmaler Schnabel, orangegoldene Färbungen an Hals- und Ohrenpartie

Die größte Attraktion sind aber die Pinguine. Irgendwann hat das Gerüttel und Geschüttel ein Ende, die Wirbelsäule erfährt endlich Schonung: Volunteer Point! Tonie nennt den Ort „unsere Premium-Pinguin-Kolonie“. Und tatsächlich: Bereits durch die verschmierten Fenster des Landrovers ist die erste königliche Hoheit zu sehen. Langer, schmaler Schnabel, orangegoldene Färbungen an Hals- und Ohrenpartie: ein Königspinguin, rund 90 Zentimeter groß. Größer sind nur die Kaiserpinguine, doch die leben in der Antarktis.

Volunteer Point: "Eine Premium-Pinguinkolonie!", so Fahrerin Tonie.

Volunteer Point: „Eine Premium-Pinguinkolonie!“, so Fahrerin Tonie.

Das Tier im Frack könnte auch direkt vom Wiener Opernball kommen. Oder im Nebenjob als Oberkellner oder Protokollchef der Queen arbeiten. Tatsächlich aber kehrt es von der Jagd zurück – aus den Fluten des Südatlantiks, schäumend und anthrazitfarben. Erhaben stolziert der Pinguin zu seinen Artgenossen, gemächlich, nicht hektisch. Zuerst über den weißen Sandstrand, dann über grünen Rasen, der auch in englischen Vorgärten liegen könnte. Welch ungewohntes Bild. Und in seinem Schlepptau: die Passagiere aus den Jeeps.

Die Küken sind nicht sehr ansehnlich

Königspinguine sind soziale Tiere. Zurück in ihrer Kolonie stehen sie eng beisammen. Es scheint fast, als hielten sie einen Schwatz. Manchmal streckt sich ein Hals und schreit seinen königlichen Gesang in den bewölkten Himmel. Einige Tier brüten gerade, 14 Monate lang. Königspinguine bauen kein Nest, das Ei liegt direkt auf den Füßen, im Schutze einer Hautfalte. Die Eltern wechseln sich ab, wer frei hat, stürzt sich zur Jagd in die Wellen. Sind sie dann geschlüpft, wirken die Küken wenig majestätisch, tragen braune Daunen und tapsen ungeschickt durch die Kolonie.

Steinrflüsse sind typisch für die Falklandinseln.

Steinflüsse sind typisch für die Falklandinseln.

Es scheint, als habe jeder Pinguin einen eigenen Charakter. Manche schauen neugierig, andere wirken fast arrogant, als wollten sie, ganz Hoheit, mit dem gemeinen Volk nichts zu tun haben. Man würde gerne länger bleiben, noch mehr entdecken. Doch die Audienz am königlichen Hof der Pinguine endet bald.

Zurück auf die Infinity – einfacher gesagt!

Der Grund: die Rückfahrt zum Kreuzfahrtschiff Celebrity Infinity im Hafen von Port Stanley – genauso lang, genauso anstrengend, genauso holprig wie die Hinfahrt. Ein ewiger Kampf mit dem feuchten, schwarzen Torf, den alle paar Minuten ein anderer Jeep verliert. Nur die Seilwinde sorgt dafür, dass alle in der Inselhauptstadt ankommen werden. „Nur die Königspinguin-Kolonie am Volunteer Point ist weltweit übrigens so einfach zu erreichen“, erklärt Tonie. Einfach? Nur ein paar hundert Seemeilen von der Antarktis entfernt gelten eben andere Maßstäbe.

Fotos: Kathrin Schierl

Raushier-Reisemagazin

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