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Murten: Rundfahrt durch das Land des roten Löwen

Mediterraner Charme, historische Städtchen und ehrgeizige Winzer sowie einer der wärmsten Badeseen der Schweiz – die Murtensee-Region an der Sprachgrenze zur französischen Westschweiz hat für Reisende viel zu bieten. Am besten lässt sich die Gegend auf dem Fahrrad erkunden.

Das "Stedtli" Murten strahl typische Schweizer Gemütlichkeit aus.

Das „Stedtli“ Murten strahl typische Schweizer Gemütlichkeit aus.

Sie tickt immer noch, seit zweihundert Jahren – die Turmuhr am Berntor im mittelalterlichen Murten. „Pro Woche verliert sie nur eine Minute“, sagt stolz Beat Marthaler, Besitzer des Restaurants im Nachbarhaus. Jeden Nachmittag steigt er den Turm hoch und zieht mit der Handkurbel das Uhrwerk auf, schon fast zwei Jahrzehnte lang. An Hanfseilen hängen die Gewichte – es sind Kanonenkugeln von der Stadtbelagerung 1476. Die größte, die mit dem sieben Meter langen Pendel den Zeiger über das vergoldete Zifferblatt treibt, wiegt 80 Kilo. Während die Bürger stadtseitig schon immer die Minuten präzis erfuhren, läuft auf der Umlandseite nur ein Stundenzeiger – für die Bauern draußen war dies genau genug!

Gemütliche Straßencafes und plätschernde Brunnen

Das Berntor mit seinem markant geschwungenen Zeltdach, eingerahmt von der wuchtigen Stadtmauer, bildet einen würdigen Abschluss der kopfsteingepflasterten Hauptgasse in Murten. Beidseitig schmiegen sich eng an eng die barocken Laubenhäuser aneinander. Die heiter gelben Fassaden aus Neuenburger Jurakalkstein mit grünen Fensterläden und weit auskragenden Bogengiebeln erhalten zusätzlich Farbe durch die vielen Geranien-Kästen und den geflaggten Heimatstolz. Oft hängen sie zu dritt nebeneinander: Die rote Schweizer-Kreuz-Fahne zwischen der nüchtern schwarz-weißen Flagge des Kantons Freiburg und dem Fahnentuch von Murten mit dem gekrönten roten Löwen auf weißem Feld.

In den malerischen Laubengängen herrscht reges Treiben. Hier reiht sich Geschäft an Geschäft: vom Blumenladen bis zur Kantonalbank. Fein säuberlich steht auf den Schildern „Apotheke“ neben „Pharmacie“, „Charcuterie“ neben „Metzgerei“. Von den gut 6100 Einwohnern sprechen 13 % französisch, die große Mehrheit deutsch. Vor den Laubenbögen lässt sich in den Straßencafés das Leben in dem Zähringerstädtchen gemütlich beobachten, begleitet vom Plätschern eines Brunnens. Das „Stedtli“ hat mehr als 25 davon.

In der Hauptgasse beim Unteren Brunnen nahe am Berntor versteckt sich hinter den Laubenbögen die Bäckerei Aebersold. Sie ist in der ganzen Region bekannt. Schweizweit hat sie eine Reihe Goldmedaillen gewonnen, etwa mit ihrem Bierbrot und den mit Stevia gesüßten Koboltbrötchen. Mit fünfmal Gold ist der Star der nach einem speziellen Verfahren hergestellte „Nidelkuchen“: ein leichter Hefeteig mit fünf dünnen karamellisierten Rahmschichten. Er sollte ganz frisch gegessen werden, empfiehlt die Bäckerei-Chefin Ulrike Aebersold, am besten gleich auf der Café-Terrasse mit einem Glas Traminer aus der Gegend.

Hier wurden einst Helden geboren

Murten bietet viel historisches, wie die 600 Jahre alte Wehrmauer.

Nahe um die Ecke geht es neben der Deutschen Kirche die Treppe hinauf zum begehbaren Wehrgang des gut erhaltenen Mauerrings. Zusammen mit seinen zwölf Türmen und Toren aus dem 13. bis 15. Jahrhundert umschließt er fast den ganzen Ort. Bei einer Führung mit dem engagierten Traditionsschützen und Hobbyhistoriker Andreas von Känel wird Mittelalter konkret erlebbar. Faszinierend ist der Blick von der sieben Meter hohen Mauer hinab auf die einheitliche Dachlandschaft mit ihren historischen Biberschwanzziegeln und den Kaminen mit dem „Berner Hut“ als Abdeckung. Keine einzige TV-Antenne stört das Bild!

Die Tournaletta, zwischen dem Pfaffenturm und dem Großen Schimmel der einzige besteigbare Wehrturm, bietet einen weiten Rundblick. Er geht nach Nordwesten über den Murtensee hinaus zur Silhouette des Jura. Nach Süden dagegen wird’s dramatisch: Andreas von Känel zeigt auf den bewaldeten Bois Domingue, den Feldherrnhügel Herzog Karls des Kühnen. Mit 22.000 Mann belagerte er im Juni 1476 die Stadt und brachtemit hundert Kanonen die Wehrmauer ins Wanken. Doch dann kamen die Eidgenossen noch rechtzeitig zu Hilfe. In der denkwürdigen Schlacht von Murten jagten sie mit ihren Hellebarden und Langspießen unter dem Schlachtruf „z´ bode müend sie – zu Boden müssen sie“ den Feind und errangen einen grandiosen Sieg. Hier wurden Schweizerische Helden geboren. Dank der überlegenen Fußtruppen hatten sich damals die Eidgenossen als europäische Militärmacht etabliert. Ihre Söldner waren seitdem europaweit gefragt.

Der Murtensee lädt nach dem Stadtrundgang zu einem erfrischenden Bad ein.

Nach so viel Geschichte geht es raus aus der Stadt bei einer Drei-Seen-Rundfahrt mit der MS Berna. Sie hat wenig Tiefgang. Nur so kann sie vom Murtensee über den Broyekanal in den Neuenburgersee einfahren und dann über den Zihlkanal in den Bielersee. Bis Biel braucht das Schiff gut vier Stunden. Eine heiter mediterrane Landschaft zieht vorüber. In halber Ferne grüßt immer der Südfuß des Jura, davor die zahlreichen Weinberge. Spannend ist auch der Hinweis des Kapitäns, dass in beiden Kanälen das Wasser auch rückwärts fließen kann. Warum? Zum Ausgleich, wenn der Bielersee durch die stark Wasser führende Aare aufgestaut ist.

Etwas mehr Bewegung beschert eine Radtour rund um den Murtensee, lockere 36 Kilometer. Herausfordernd ist nur der kurze 220-Meter-Aufstieg auf den Mont Vully. Vorerst geht es südwestlich den See entlang dreißig Radminuten nach Avenches. Nur halb so groß wie Murten, auch mit einem geschlossenen historischen Stadtbild, aber sonst recht unterschiedlich. Nicht nur, weil hier die Stadtmauer geschleift wurde. Wir haben die Sprachgrenze überquert: Weit mehr als zwei Drittel der Bewohner sind französischsprachig. Während das nahe Murten stark altbernerisch geprägt ist, zeigt sich hier deutlich der welsche Charme. Vor zweitausend Jahren hatten die Römer „Aventicum“ gegründet. Im Halbrund des antiken Amphitheaters mit heute 5700 Plätzen wird jährlich im Juli ein bekanntes Opernfestival veranstaltet.

Vor der Weiterfahrt empfiehlt sich an den schönen Sandstränden beim Campingplatz eine Schwimmrunde im Murtensee, einem der wärmsten Badeseen der Schweiz. Wieder im Sattel geht es das Nordufer entlang durch malerische Winzerdörfer und dann mit kraftvollem Tritt in die Pedale hinauf auf den Mont Vully. Herrlich die Rundsicht – ragt der Berghügel doch inselartig mitten aus den drei Seen heraus. An klaren Tagen reicht das Panorama vom Säntis im Osten bis zum Mont Blanc im Westen. An den Sonnenhängen zum Murtensee hin dehnt sich ein zusammenhängendes Weinanbaugebiet. 16 Winzer bestellen hier auf rund 150 Hektar ihre Reben.

Im Gewölbekeller schmeckt der Vullykuchen

Jungwinzer Fabrice Simonet an einer alten Weinpresse in seinem Weinberg am Rand von Motier.

Jungwinzer Fabrice Simonet an einer alten Weinpresse in seinem Weinberg am Rand von Motier.

Einer davon ist Fabrice Simonet, der zusammen mit Vater Eric und dem jüngeren Bruder Stephane sieben Hektar Weinberg kultiviert. Der Familienbetrieb Le Petit Château befindet sich am Fuß des Mont Vully in Môtier, eingerahmt von Rebstockflächen, die bis direkt zum Ufer des Murtensee reichen. Der 27-jährige Fabrice erklärt vor Ort im Weinberg, dass die Böden begrünt werden, um die ausgeglichene und reichhaltige Natur der Weine zu bestärken. Auch bei ihnen nehmen die traditionellen Rebsorten des Vully, Chasselas und Blauburgunder, die Hälfte der Anbaufläche ein. Doch in der breiten Weinpalette hat auch der Gewürztraminer einen Spitzenplatz.

Im gemütlichen Gewölbekeller wird bei der Weinprobe Vullykuchen gereicht, eine Hefeteigspezialität der Region mit Speck und Kümmel. Der ehrgeizige Jungwinzer taut auf und berichtet von seinem hohen Qualitätsanspruch. Er macht sich inzwischen auch in einer Reihe von Prämierungen bemerkbar. Fast verschämt gesteht er, dass er vor kurzem zusammen mit seinem Bruder schon die Führung des elterlichen Betriebs übernommen habe. Dann mal „Prost“: auf möglichst viele Goldmedaillen!

Info-Tipps:
Schweiz Tourismus, Tel.: 00800 100 200 30 (gebührenfrei),
www.MySwitzerland.com, info@myswitzerland.com
www.murten.ch,
www.avenches.ch,
www.levully.ch,
www.simonet-vin.ch,
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