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Friaul: Die Mischung macht´s

Friaul? Da war doch was? Nach etwas Nachdenken macht es klick. Genau! Ein Erdbeben. Im Lexikon nachgelesen, jetzt dämmert´s endgültig. Es war im Mai 1976, als in Nordostitalien, in den Provinzen Udine und Pordenone, die Erde bebte. 37 Jahre später sind die Wunden verheilt und das Friaul ein Urlaubsziel mit toller Mischung.

Die kleinen Boote in einem Teil des Hafenbeckens von Triest warten auf ihren Einsatz. - Foto: Dieter Warnick

Die kleinen Boote in einem Teil des Hafenbeckens von Triest warten auf ihren Einsatz. – Foto: Dieter Warnick

30 Ortschaften wurden zerstört, das Beben reichte bis nach Slowenien und Kärnten hinein. Die Schreckensbilanz: 1000 Tote, 2000 Verletzte, 150 000 Obdachlose. Die am stärksten betroffenen Ortschaften Gemona, Buia, Maiano und San Daniele wurden zu über 80 Prozent zerstört. In dieser hochgeschätzten touristischen Landschaft wurden 90 Prozent des architektonischen Kulturgutes beschädigt. 36 Jahre später sind die Wunden verheilt, Narben kaum noch sichtbar.

Udine: Idealer Ausgangspunkt

Ideale Reisezeiten im Gebiet Friaul Julisch Venetien sind das Frühjahr und der Herbst. Bis in den Oktober hinein ist das Gebiet mit Triest (210 000 Einwohner) als Hauptstadt und Udine als Mittelpunkt für einen Urlaub bestens geeignet. 100 Quadratkilometer warten nur darauf, entdeckt zu werden.

Stolz thront Schloss Miramare auf einer Felsklippe in der Bucht von Grignano. - Foto: Dieter Warnick

Stolz thront Schloss Miramare auf einer Felsklippe in der Bucht von Grignano. – Foto: Dieter Warnick

Meer, Hügellandschaften, Gebirge. Eine Mischung aus römisch-langobardischer, deutscher und slawischer Kultur. Architektonische Schätze und nicht zuletzt die hervorragenden Weine sowie die herzhafte regionale Küche machen eine Reise zum Hochgenuss.

Als Ausgangspunkt ist Udine, das Herz des Friaul, wohl die beste Wahl. Seit 1963 bilden die Stadt und die Provinz mit Triest, Görz und Pordenone die mit einem Sonderstatus vorgesehene Region Friaul Julisch Venetien.

Udine ist eine junge Stadt, auch dank der 16 000 Studenten, die hier leben und lernen. - Foto: Dieter Warnick

Udine ist eine junge Stadt, dank der 16 000 Studenten, die hier leben und lernen. – Foto: Dieter Warnick

Von Udine aus sind zum Beispiel die westlich gelegenen Orte San Daniele del Friuli (8000 Einwohner/weltbekannt für seinen gleichnamigen luftgetrockneten Schinken) und Spilimbergo (12 000 Einwohner) sowie das im Osten liegende Cividale (gut 11 000 Einwohner) in höchstens einer halben Stunde mit dem Auto zu erreichen. Um an die Adria zu kommen (Aquileia, Grado, Triest) ist etwa eine Stunde einzukalkulieren.

Triest gehörte bis 1918 zu Österreich

Triest überzeugt durch seinen alten Stadtkern und seinen imposanten Hafen, der einer der größten und bedeutendsten Seehäfen der oberen Adria ist. Aufgrund seiner geografischen Lage ist er wichtigster Handelshafen für Österreich, Südbayern, Tschechien und die Slowakei. Und was die wenigsten wissen: Triest gehörte bis 1918 zu Österreich.

Alte Gebäude prägen das Stadtbild von Udine. - Foto: Dieter Warnick

Alte Gebäude prägen das Stadtbild von Udine. – Foto: Dieter Warnick

Nur etwa fünf Kilometer nordwestlich davon liegt – auf einer Felsklippe in der Bucht von Grignano – Schloss Miramare. Es wurde zwischen 1856 und 1860 für Erzherzog Ferdinand Maximilian von Österreich, dem Bruder Kaiser Franz Josephs I., und seiner Gattin Charlotte von Belgien erbaut. Wer die Möglichkeit hat, eine Bootstour zu unternehmen, sollte dies auf jeden Fall tun, denn gerade von der Seeseite aus ergeben sich reizende Blicke auf das Schloss.

Kirchen und große Plätze

Udine hat 100 000 Einwohner und wurde 983 erstmals urkundlich erwähnt. Herrliche Kirchen und imposante Plätze prägen das Stadtbild. Der Palazzo Patriarcale (heutiger Sitz des Museo Diocesano d’Arte Sacra) ist beeindruckend. Einzigartig sind die Fresken von Giovanni Battista Tiepolo. Er gilt als bedeutendster venezianischer Maler des 18. Jahrhunderts.

Die beschauliche Kleinstadt Cividale, am Fluß Natisone gelegen, ist die historische und kulturelle Hauptstadt des Weinanbaugebiets Colli Orientali. - Foto: Dieter Warnick

Die beschauliche Kleinstadt Cividale, am Fluß Natisone gelegen, ist die historische und kulturelle Hauptstadt des Weinanbaugebiets Colli Orientali. – Foto: Dieter Warnick

Ehe Tiepolo zwischen 1750 und 1753 in der Würzburger fürstbischöflichen Residenz (Treppenhaus und Kaisersaal) einen berühmten Freskenzyklus schuf, benutzte er seinen ersten Großauftrag in Udine – zwischen 1726 und 1732 – quasi als Sprungbrett zu einer internationalen Karriere. Er schmückte im patriarchalischen Palast die Decke der neuen Ehrentreppe, den Gerichtssaal, den Thronsaal und die Galerie aus.

Dieser außergewöhnliche Zyklus brachte Udine für immer den Ruf der Tiepolo-Stadt. Wichtige Denkmäler finden sich ferner in der Piazza Liberta, also im Herzen der Stadt. Weiter sehenswert sind das Kastell, der Dom, die Kirche Santa Maria, der Parlamentssaal der “Patria des Friuli”, die “Casa della Contadinanza” und die Piazza Matteotti San Giacomo, der älteste Platz in Udine.

Der San-Daniele-Schinken muss regelmäßig auf seinen Reifegrad geprüft werden. Foto: Alessandro Castiglioni

Der San-Daniele-Schinken muss regelmäßig auf seinen Reifegrad geprüft werden. Foto: Alessandro Castiglioni

Schinken, Schinken, Schinken

Die kleine Stadt San Daniele del Friuli lebt vorwiegend von der Schinkenproduktion. Die zahlreichen Hersteller produzieren zirka zwei Millionen Schinken im Jahr. Eine Führung durch eines der Reifungslager ist hochinteressant. Doch der Ort hat mehr zu bieten: Das auf einer Anhöhe gelegene “Siena des Friaul” bietet einen herrlichen Rundblick auf das umliegende Hügelland. Einen Besuch wert ist obendrein der Turm des Gotteshauses Giovanni da Udine, das Patronat del Palladio, die Biblioteca Guarneriana und die von Antonio Abate Anfang des 14. Jahrhunderts erbaute Kirche Sant’Antonio. Der kleine Sakralbau erinnert wegen seiner tollen Fresken an die Sixtinische Kapelle in Rom. Außerdem liegt, sagen Wissenschaftler, in San Daniele der Ursprung der friaulischen Sprache.

Wenn der Herbst Einzug gehalten hat, dann gibt es in Cividale - hier der Plaza Paolo Diacono - auch in den Straßencafés jede Menge Platz. - Foto: Dieter Warnick

Wenn der Herbst Einzug gehalten hat, dann gibt es in Cividale – hier der Plaza Paolo Diacono – auch in den Straßencafés jede Menge Platz. – Foto: Dieter Warnick

Das Städtchen Spilimbergo erhebt sich auf der rechten Seite des Flusses Tagliamento. Der Ortsname geht auf das Geschlecht der Spengenbergs zurück; sein deutschstämmiger Ahn war ein Lehensherr. Die Piazza Duomo bildet den Mittelpunkt der Kommune. San Maria Maggiore ist einer der schönsten Dome römisch-gotischer Architektur in der Region. Eine Mosaikschule macht Spilimbergo rund um den Globus bekannt. Schüler strömen aus zahlreichen Nationen herbei, um dieses Kunsthandwerk in einer dreijährigen Lehre zu erlernen.

Beschauliches Cividale

Die beschauliche Kleinstadt Cividale, am Fluß Natisone gelegen, ist die historische und kulturelle Hauptstadt des Weinanbaugebiets Colli Orientali, und bewahrte sich ihren noblen und würdevollen Charakter. Ein Besuch dort gehört zu den Höhepunkten einer Reise nach Friaul. Zwischen 568 und 776 bewohnten die Langobarden diese römische Siedlung. Die 22 Meter hohe und 50 Meter lange Ponte del Diavolo (Teufelsbrücke) ist das Wahrzeichen der Stadt.

Mächtig und trutzig: der Langobardentempel von Cividale. - Foto: Dieter Warnick

Mächtig und trutzig: der Langobardentempel von Cividale. – Foto: Dieter Warnick

Die Tradition will es, dass niemand Cividale verlässt, ohne über die Brücke gegangen zu sein. Überaus lohnenswert ist desgleichen ein Blick in den Tempietto Langobardo, den Langobardentempel. Die Kapelle enthält noch spärliche Fresken aus dem 8. Jahrhundert. Auch die beiden Museen Archeologico Nazionale und Museo Cristiano sollten auf dem Programm stehen. Interessant ist zudem zu wissen, dass 70 Prozent aller Designerstühle Italiens in der Gegend um Cividale hergestellt werden. Erst an zweiter Stelle kommt die Weinproduktion.

Herrliche Mosaikböden

181 vor Christi Geburt gegründet, war die römische Kolonie Aquileia (3500 Einwohner) fortan eine der neun wichtigsten Städte des Reiches. Zahlreiche Ausgrabungen und gut erhaltene Überreste geben einen präzisen Überblick über das Leben und die Kultur von damals. So ist das Museo Archelogico Nazionale wegen seines Reichtums eines der bedeutendsten in Norditalien. Am Flußhafen sind Reste der Stadthafenanlage sichtbar, das Forum war von einem Laubengang umgeben, unter dem sich Läden, Tavernen und Wohnhäuser befanden, das Gräberfeld ist ein wichtiges Beispiel römischer Friedhofsgestaltung. Und die Basilika des Patriarchen ist ein großartiges Bauwerk, in dem die herrlichen Mosaikböden einen unübersehbaren künstlerischen Wert haben.

Informationen: Agenzia Turismo Friuli Venezia Giulia, Villa Chiozza – via Carso 3, 33052 Cervignano del Friuli (UD), Tel.: (0039 0431) 38 71 11.

Raushier-Reisemagazin