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In Bayreuth hat nicht nur Wagner Spuren hinterlassen

Wer Bayreuth auf Richard Wagner und die jährlichen Festspiele reduziert, macht einen großen Fehler. Natürlich ist die Metropole Oberfrankens untrennbar mit dem großen deutschen Komponisten (1813 – 1883) verbunden, also sind hier Freunde der klassischen Musik goldrichtig. Ebenso Liebhaber barocker Architektur.

Das Festspielhaus: Richard Wagner erfüllte sich damit einen Lebenstraum. - Foto: Marketing & Tourismus GmbH Bayreuth

Das Festspielhaus: Richard Wagner erfüllte sich damit einen Lebenstraum. – Foto: Marketing & Tourismus GmbH Bayreuth

Aber auch diejenigen, die den leiblichen Genüssen nicht abgeneigt sind, kommen auf ihre Kosten. Denn die ursprüngliche, deftige fränkische Kost, und das süffige Bayreuther Bier geben Anlass, hier einen Stopp einzulegen. Die 72 000-Einwohner-Stadt hat viel zu bieten.

Großzügige Innenstadt

Was als Erstes auffällt: Die Innenstadt ist großzügig angelegt. Menschen genießen in der Fußgängerzone das Flair des Weiträumigen, sitzen Cafés oder Biergärten. Leerstände gibt es auf den ersten Blick kaum. Von den vielen alten Bauwerken wird der Besucher – wie andernorts – nicht erschlagen, sondern, im Gegenteil, behutsam mitgenommen auf eine Zeitreise in die Vergangenheit.

Und dann steht plötzlich Richard Wagner da. Mit roter Jacke, beigefarbener Hose, dem berühmten Hut und dem unverwechselbaren Bart sieht er dem Wagner, den wir von all den Fotos her kennen, zum Verwechseln ähnlich. Ronny Schuster, ein gebürtiger Dresdner, gibt den Wagner. Das Double sächselt wie das Original, seine Gesten und Mimiken sollen, so die Auskunft der Experten, ganz ganz nah am Original sein.

Schuster gibt den Meister

In Bayreuth begegnet man Richard Wagner (hier sein Double Ronny Schuster) auf Schritt und Tritt. - Foto: André Paul

In Bayreuth begegnet man Richard Wagner (hier sein Double Ronny Schuster) auf Schritt und Tritt. – Foto: André Paul

Schuster (Jahrgang 1980) selbst ist ein Original. Er steht schon als Schüler auf der Bühne, ist Laiendarsteller beim Dresdner Hoftheater, kommt dann mit Film und Fernsehen in Berührung. Schließlich wird er 2007 Statist bei den Bayreuther Festspielen, ehe er zwei Jahre später Richard Wagner quasi von den Toten auferweckt. Über Arbeit kann er sich nicht beklagen, erst recht nicht im Jahr seines 200. Geburtstages.

Wir wandeln auf den Spuren Richard Wagners und kommen als Erstes zum Festspielhaus, dem Ort der weltberühmten Festspiele auf dem Grünen Hügel, die heuer vom 25. Juli bis 28. August stattfinden. 1872, mit der Grundsteinlegung, hatte sich der bettelarme Wagner seinen Lebenstraum erfüllt, indem er sein eigenes Festspielhaus, einen reinen Zweckbau, baut. Das war der einzige Grund, warum Wagner nach Bayreuth ging. Er war damals 59 Jahre alt; schon als 24-Jähriger hatte er von einem eigenen Spielort geträumt, in dem er seine Werke aufführen konnte.

Es bietet genau 1952 Zuhörern Platz, ist einzigartig in Architektur und Akustik und zählt zu den bedeutendsten Opernbühnen der Welt. 1876 wurde das Haus mit dem „Ring der Nibelungen“ eingeweiht. Den Zweiten Weltkrieg überstand das Gebäude unbeschadet, weil die Alliierten bei ihrem Bombardement auf Bayreuth dachten, es handle sich in seiner Schlichtheit um eine Fabrik- oder Turnhalle.

Ein wahres Schmuckstück: der Sonnentempel in der Eremitage. - Foto: Marketing & Tourismus GmbH Bayreuth

Ein wahres Schmuckstück: der Sonnentempel in der Eremitage. – Foto: Marketing & Tourismus GmbH Bayreuth

König Ludwig II. war sein größter Fan

Wagner war zu dieser Zeit sehr mutig, waren doch zu Baubeginn die Pläne noch nicht fertiggestellt. Das Projekt war auch deshalb ohne Beispiel, weil es außerhalb der Stadt lag, auf einem Hügel. Doch gerade der schien ihm für sein Vorhaben prädestiniert.

Damals hatte Bayreuth gerade einmal 8000 Einwohner. Wagners Glück bestand auch darin, dass König Ludwig II. von Bayern zu seinen größten Fans gehörte und ihn finanziell sehr stark unterstützte. Der Künstler zahlte dies dem König mit sechs Original-Partituren zurück (Die Meistersinger von Nürnberg, Die Walküre, Götterdämmerung, Rheingold, Rienzi, Siegfried).

Das Markgräfliche Opernhaus gilt als das schönste und größte erhaltene Barocktheater Europas. - Foto: Marketing & Tourismus GmbH Bayreuth

Das Markgräfliche Opernhaus gilt als das schönste und größte erhaltene Barocktheater Europas. – Foto: Marketing & Tourismus GmbH Bayreuth

Von 1874 bis zu seinem Tod 1883 in Venedig lebte Wagner im Haus Wahnfried. Dieses beherbergt eine ständige Ausstellung zum Leben und Werk des Komponisten und zur Geschichte der Festspiele. Bis 2015 bleibt das Haus aber für die Öffentlichkeit wegen einer umfassenden Renovierung geschlossen. Wagner ist in einer Gruft im Garten des Hauses beerdigt. Seine zweite Frau, Cosima, die den Meister um 47 Jahre überlebte, wurde am 1. April 1930 in Coburg eingeäschert; ihre Urne ist in der Südseite des Grabhügels bestattet.

Selbst sein Tod war eine Inszenierung

Seinen Tod (Wagner litt seit geraumer Zeit an Herzbeschwerden und ging wegen des schlechten Wetters in Deutschland nach Venedig), hätte er selbst nicht besser inszenieren können, denn er starb wie ein Bühnenheld – in den Armen seiner Frau Cosima, für die Wagner ihr „Ein und Alles“ war. Bei seiner Beerdigung am 18. Februar 1883 trugen zwölf Leichenträger seinen Sarg, 20 000 Menschen aus nah und fern bildeten das Spalier und gaben dem großen Musikdramaturgen das letzte Geleit.

: Der Fasskeller zeigt, wie früher das Bier gelagert wurde. - Foto: Marketing & Tourismus GmbH Bayreuth

Der Fasskeller zeigt, wie früher das Bier gelagert wurde. – Foto: Marketing & Tourismus GmbH Bayreuth

Bayreuth wäre nicht Bayreuth, wenn nicht Markgräfin Wilhelmine (1709 – 1758), die Lieblingsschwester von König Friedrich dem Großen, der Stadt ihren Stempel aufgedrückt hätte. Sie tat sich als Komponistin und vor allem als Kunstmäzenin hervor. Unter ihrem Einfluss entstand im 18. Jahrhundert mit Bayreuth ein Kulturzentrum im Barock- und Rokokostil. Ihren damaligen Bauvorhaben und den Renovierungen nach ihren Vorstellungen ist es zu verdanken, dass unter anderem das Markgräfliche Opernhaus, das neue Residenzschloss mit Hofgarten und die Eremitage noch immer das Flair von damals verströmen.

Das schönste Barocktheater Europas

Bayreuths Fußgängerzone überzeugt durch Weiträumigkeit. - Foto: Marketing & Tourismus GmbH Bayreuth

Bayreuths Fußgängerzone überzeugt durch Weiträumigkeit. – Foto: Marketing & Tourismus GmbH Bayreuth

Das Markgräfliche Opernhaus (erbaut zwischen 1746 und 1750) gilt als das schönste und größte erhaltene Barocktheater Europas. Das hölzerne Logenhaus ist fast vollständig im Originalzustand erhalten; kein Wunder also, dass das Gebäude seit vergangenem Jahr UNESCO-Weltkulturerbe ist. Seit Anfang des Jahres wird es renoviert; die Arbeiten sollen 2017 fertiggestellt sein und 19 Millionen Euro verschlingen. Danach wird das Gebäude wieder lebende Theateraufführungen und stimmungsvolle Opern erleben. Dennoch kann das Opernhaus während der Umbauarbeiten besichtigt werden.

Wer Bayreuth besucht, muss ferner das Neue Schloss, die Residenz der Markgrafen, besuchen. Das Wertvollste sind die aufwendigen Intarsienarbeiten im Fußbodenparkett, die größtenteils noch aus der Zeit um 1753 stammen. Garten- und Palmenzimmer sind großartige Merkmale des Bayreuther Rokokos, wobei Elemente des Frühklassizismus und Barock bunt durcheinandergemischt sind. Sehenswert sind auch das Musikzimmer Wilhelmines und das berühmte Spiegelscherbenkabinett.

Im Haus Wahnfried lebte Richard Wagner neun Jahre lang. - Foto: Marketing & Tourismus GmbH Bayreuth

Im Haus Wahnfried lebte Richard Wagner neun Jahre lang. – Foto: Marketing & Tourismus GmbH Bayreuth

Den Prunk Bayreuths vervollständigen der Hofgarten – in der „grünen Lunge“ lässt es sind herrlich durchatmen -, und die Eremitage vor den Toren der Stadt. Früher war die historische Parkanlage ein Refugium höfischen Lebens, die noch heute das Alte Schloss beherbergt. Die malerischen Wasserspiele und die halbkreisförmige Orangerie mit dem zentral gelegenen Sonnentempel lassen den Besucher eintauchen in längst vergessene Zeiten.

Gewirr tief unter der Erde

Die Eremitage - ein Prunkstück vor den Toren der Stadt. - Foto: Marketing & Tourismus GmbH Bayreuth

Die Eremitage – ein Prunkstück vor den Toren der Stadt. – Foto: Marketing & Tourismus GmbH Bayreuth

Unerlässlich ist ferner eine Führung durch die AKTIEN-Katakomben. Dort wartet in den tiefen Kellergewölben eine Bier-Tour der besonderen Art. In einem Gewirr an Gängen gibt es Unheimliches und Lehrreiches zu sehen: die Gedenkstätten der Bierheiligen, ein Gefängnis, eine Katakombenküche, ein Lazarett aus dem Zweiten Weltkrieg und vieles mehr.

Im Biermuseum hängen Werbeschilder aus längst vergangenen Tagen. - Foto: André Paul

Im Biermuseum hängen Werbeschilder aus längst vergangenen Tagen. – Foto: André Paul

Anschließend darf ein Besuch in Maisels Brauerei- und Büttnerei-Museum nicht fehlen. Es ist das umfangreichste Biermuseum der Welt mit über 6000 Ausstellungsstücken auf 2400 Quadratmetern Fläche. Zwei große Vitrinengewölbe zeigen ferner 5500 Biergläser- und krüge sowie eine eindrucksvolle Sammlung von Werbeschildern.

Auf jeden Fall hätte Richard Wagner, der gerne den „Showman“ gab, an einer Bier-Führung seine Freude gehabt, ist doch überliefert, dass er, was den Konsum des Gerstensaftes anging, kein Kostverächter war. So soll er in seiner Stammkneipe Angermann, im Künstlerlokal Eule oder bei sich daheim im Haus Wahnfried schon mal auf diversen Tischen zur allgemeinen Belustigung Kopfstände gemacht haben.

Seinem Ausspruch „für meine Zufriedenheit war ich ein Jahrhundert zu wenig in Bayreuth, für meine Geschäfte ein Jahrhundert zu viel“, ist nichts hinzuzufügen.

Informationen: Marketing & Tourismus GmbH, Opernstr. 22, 95444 Bayreuth, Tel.: (0921) 8 85 88.

Raushier-Reisemagazin