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Museum Steinegg: Ein Ausflug in die Geschichte Tirols

Wenn der Mahlknecht-Franz loslegt zu erzählen, dann bekommen seine Augen einen besonderen Glanz. Von Minute zu Minute steigert er seinen Tonfall. Er gleitet hinein in das Leben seiner Vorfahren. Eine Geschichte, eine Begebenheit jagt die andere.

Das Dorf Steinegg hat allerhand zu bieten, unter anderem auch einen herrlichen Blick nach Bozen.

Das Dorf Steinegg hat allerhand zu bieten, unter anderem auch einen herrlichen Blick nach Bozen.

Anekdoten sind kaum in seinem Repertoire, zu trist und hart war das Leben damals auf dem Berg, vor 200 Jahren, und auch vor 100 Jahren noch. Ja sogar vor 50 Jahren schien in Steinegg (850 Meter hoch gelegen) die Zeit stehen geblieben zu sein.

Erst im Jahre 1968, als die Straße, die vom Tal herauf führt, fertig gestellt war, kehrte allmählich so etwas wie Wohlstand ein in dem Bergdorf unweit von Bozen. “Die Straße war ein Glücksfall für uns,” erzählt Mahlknecht, “Familien, die zuvor mit Kind und Kegel ihr Glück im Tal versucht hatten, kehrten, – mitunter – zögerlich zurück. Zuvor gab es hier nur eine Handvoll Bauernhöfe.“

Die “Abtrünnigen“ errichteten erste ganz einfache Pensionen. Begannen einen Fahrdienst auf den Berg zu organisieren. Denn viele Touristen reisten mit dem Zug an. Erst nach und nach wurden die Pensionen größer, wurden ein paar wenige Hotels errichtet. Heute zählt Steinegg 1300 Einwohner, der Ort ist überschaubar geblieben. Urlauber, die hier ihre Ferien verbringen, wollen nur eines: ihre Ruhe. Mahlknecht weiß: “Diejenigen, die damals zurück gekommen sind, sind die wahren Pioniere unseres Fremdenverkehrs.”

25 Jahre Heimat in 18 Räumen

Das Museum in Steinegg zeigt, wie die Bevölkerung von 200 Jahren und länger lebte. Hier eine original erhaltene Bauernstube.

Das Museum in Steinegg zeigt, wie die Bevölkerung von 200 Jahren und länger lebte. Hier eine original erhaltene Bauernstube.

Um seinen Geschichten den nötigen Nachdruck zu verleihen, gründete Mahlknecht das Museum Steinegg, das einer Reise in die Vergangenheit gleicht. Am 28. Mai 1988 wurde es eröffnet (feiert in diesem Jahr also sein 25-jähriges Jubiläum), und darauf ist der Franz noch heute stolz. Und das völlig zurecht. In mühevoller Kleinarbeit trugen er und seine Mitstreiter unzählige Exponate bäuerlicher Alltagskultur zusammen. “10 000 mögen es wohl sein,” berichtet der rührige Kurator. Die Schausammlung dehnt sich über 18 Themenräume aus und dokumentiert die letzten 1000 Jahre des Lebens der Bürger von Karneid und Umgebung.

Allgegenwärtig ist der gewaltige Gebirtsstock des Rosengartens.

Allgegenwärtig ist der gewaltige Gebirtsstock des Rosengartens.

Das Gemeindegebiet von Karneid, das bereits in vorgeschichtlicher Zeit besiedelt gewesen ist, umfasst die Fraktionen Steinegg, Gummer, Karneid, Kardaun, Blumau und Breien. Es liegt im Herzen des Rosengarten-Latemar-Gebietes. Mit dem Auto nach Steinegg sind es von Bozen gerade mal 30 Minuten. Die Fahrt lohnt sich allemal. Und wer hier nicht Quartier beziehen will, sollte trotzdem einen Abstecher machen, im Museum ist man Mitten drin im Geschehen vergangener Jahrhunderte.

Vier Generationen unter einem Dach

Dass das Leben damals beschwerlich war, das zeigen die Zeitdokumente des Museums allzu deutlich. Bis zu vier Generationen lebten häufig unter einem Dach, die Familien hatten bis zu 17 Kinder, zu essen gab es meist nur Knödel oder “Muas” und in den meisten Fällen war nur ein Raum im Winter beheizt: die Stube. Die Menschen lebten getreu dem Vorsatz: Glaube, was dir glaubhaft scheint, hoffe, wenn auch alles weint, liebe, was die Menschen eint.

Museum Steinegg - ein Schlafgemach.

Museum Steinegg – ein Schlafgemach.

Mahnknecht verdeutlicht: “Die wichtigsten Leute früher waren der Herrgott, der Pfarrer und die Hebamme. Die Kindersterblichkeit war groß. Die Hauptsache war, wenn ein Kind gestorben ist, dass es getauft war. Unvorstellbar.” Mahlknechts Stimme wird leiser. “Krankheiten konnten nur schwerlich behandelt werden, es gab ja keine Medikamente, nur Schnaps und Tee.

Der Schuster war gleichzeitig Zahnarzt

Der Schuster war gleichzeitig der Zahnarzt. Der Zangen wegen, die er besaß. Baderstuben gab es auf dem Berg nicht. Und mit der Hygiene war es auch nicht weit her. In Steinegg waren Badetage seltener als selten: “Ein-, höchstens zwei Mal im Jahr wurde der Zuber mit Badewasser gefüllt. Und darin badete dann die gesamte Familie.

Mountainbiker kommen in der Region voll auf ihre Kosten.

Mountainbiker kommen in der Region voll auf ihre Kosten.

Zurück ins Museum: Mahlknecht und seine Helfer haben sieben Werkstätten alten Handwerks hergerichtet, die einen genauen Einblick ins Leben der Tiroler Bergbevölkerung geben.

Bis zu 200 Jahre alte, zum teil primitive Arbeitsgeräte von Handwerksberufen können besichtigt werden. Die Exponate des Museums werden abgerundet von 192 präparierten Tieren und 220 Schmetterlingsarten.

Eine Attraktion: die Sternwarte in Gummer

Eine weitere Attraktion in Steinegg, das erstmals im Jahr 1227 namentlich erwähnt wurde, ist die Sternwarte “Max Valier” und das Sonnenobservatorium “Peter Anich” im Ortsteil Gummer.

Der Planetenweg führt an der Sternwarte in Gummer vorbei.

Der Planetenweg führt an der Sternwarte in Gummer vorbei.

Den Saturn mit eigenen Augen sehen, einen gezielten Blick auf die Venus werfen, andere, noch viel weiter weg gelegene Planeten beäugen oder einen visuellen Spaziergang durch die Milchstraße unternehmen – ein nicht alltägliches, besser gesagt allnächtliches Schauspiel wartet dort auf die Besucher. Die erste und einzige Volkssternwarte Südtirols steht seit 13 Jahren allen Astronomiebegeisterten zur Verfügung. Das Sonnenobservatorium befindet sich in unmittelbarer Nähe zur Sternwarte. Ein hochwertiges Teleskop (80 Zentimeter Hauptspiegel mit acht Metern Brennweite) erlaubt ferner auch einen spektakulären Blick auf die brodelnde Oberfläche unseres Lebensspenders Nummer eins.

Den Planetenweg erwandern

Um die Zeit bis zur Dämmerung zu verkürzen – eher ist ein Blick in den Sternenhimmel nicht möglich – besteht die Möglichkeit, den sogenannten Planetenweg – selbstständig oder geführt – zu erwandern. Dort werden sowohl die Abstände als auch die Größenverhältnisse im Sonnensystem unmittelbar erfahrbar. Ein Besuch und die dazu gehörige Wanderung ist ein ganz besonderes Erlebnis – für jung und alt gleichermaßen.

Informationen: Tourismusverein Steinegg, I-39056 Steinegg, Tel.: 0039 0471 37 65 74. Museum Steinegg, Tel.: 0039 0471 37 65 37. Sternwarte Steinegg, Tel.: 0039 0471 36 13 14.

Fotos: Tourismusverein Steinegg

Raushier-Reisemagazin