Wir kaufen holländische Tulpen und essen holländisches Lakritz und im Fußball spielt Deutschland gegen Holland. Offiziell aber heißt das Land, das an Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen grenzt, „Nederland“. Die Niederlande umfassen insgesamt zwölf Provinzen, wovon zwei „Holland“ im Namen tragen: Nordholland und Südholland. In diesen beiden Provinzen liegen Metropolen wie Amsterdam, Rotterdam und Den Haag sowie bekannte Kleinstädte wie Edam und Gouda, aus denen der gleichnamige Käse stammt. Weil von der holländischen Küste einst ein Großteil des Handels und der kolonialen Bestrebungen ausging und viel mehr Holländer in der Welt herumkamen als Bewohner anderer Provinzen, verband man das Land mit dem Namen „Holland“. Allerdings bestehen in der Regel die Bewohner des Landes darauf, dass sie Niederländer sind, sofern sie nicht aus Holland kommen. Hier und jetzt geht es hauptsächlich um Nordholland, was wirklich holländisch ist.
Strand, Sand, Dünen und weniger beständigen Sonnenschein verbindet der deutsche Urlauber mit Holland. Tatsächlich liegt in Schoorl die höchste Düne der Niederlande mit einer Höhe von 51 Meter.
Eine richtige Familien-Attraktion! Weniger angenehm ist die Tatsache, dass in den etwa fünf Kilometer breiten Dünengebiet von Schoorl im Zweiten Weltkrieg ein Konzentrationslager eingerichtet war.
Am breiten Strand findet man sie noch vereinzelt – von Deutschen errichtete Bauten. Über diese Sandburgen machen sich die Niederländer eher lustig und auch immer weniger Deutsche bauen sie, um den Kindern ihren Standort zu markieren. Dafür gibt es am Strand Schilder mit bekannten Kinderbuchfiguren. Daran merken sich die Kinder, wo sich Mama und Papa befinden. Überhaupt: Die Niederländer lieben Schilder. Sie möchten gern, dass jeder über alles informiert wird, wofür die Wege dienen und was man dort darf oder nicht. Schließlich soll nicht nur am Strand und in den Dünen Ordnung herrschen.
Kunterbunte Blumenfelder
Die gleiche Ordnung gilt auf den kunterbunten Blumenfeldern von Alkmaar bis Den Helder. Zwischen exakt rechtwinkligen Feldern liegen die Bauernhöfe mit einem Vorgarten, der genauso angelegt ist wie die Äcker. An der farbenprächtigen Blumenblüte erfreut sich nahezu jeder, nicht jedoch der holländische Züchter. Er schneidet die Blüten ab, um kräftige Zwiebeln zu ernten.
Denn allein sie sind bedeutend für den Export in alle Herren Länder. Weltweit werden hier 65 Prozent aller Blumenzwiebeln produziert. Anders als im 17. Jahrhundert, als man schwindelerregend hohe Summen für Tulpenzwiebeln zahlte, sind die heutigen Preise moderat. Hundert Zwiebeln werden für sieben Euro angeboten.
Egal wo, die Niederländer sind gern auf ihrem Fahrrad, dem Fiets unterwegs. Schließlich lädt die flache Landschaft zum Radeln ein. Die verschiedensten Modelle kann man mieten. Der Klassiker ist das sogenannte Hollandrad, das als Oma- oder Opafiets bezeichnet wird. Kleinkinder lassen sich unproblematisch in einem Bakfiets transportieren, einem Lastenfahrrad mit großem Kastenaufbau vorn. Und es radelt wirklich jeder. Auffällig sind die vielen Markierungen für Radler und Autofahrer auf den Fahrbahnen. Vierundzwanzig Verschiedene haben wir gezählt.
Neben den weißen Beschriftungen gibt es einen blauen Streifen, wo man mit einer Parkscheibe parken muss, und einen grünen, wo man nicht schneller als 100 km/h fahren darf. Nochmals, die Niederländer lieben ihre Schilder und Markierungen.
Selbstverständlich auch ihre Mühlen. Unterwegs mit dem Rad lernt man die verschiedensten Typen kennen: Etwa die Bockwindmühle, den ältesten Windmühlentyp in Europa, oder den Galerieholländer, bei dem zum Erreichen der Flügel eine „Galerie“ erforderlich ist. Heute beherrschen jedoch nicht mehr die alten Typen die Landschaft, sondern die Strom erzeugenden Windmühlen, die 150 bis 200 Meter hoch sind.
Lakritz-Liebhaber
Und die Niederländer essen gerne Lakritz. Im Jahr sind es zwei Kilo Süß- oder Salz-Lakritz. Auf den Märkten Nordhollands wird er reichlich und lose angeboten – auch auf den Markt von Schagen, der in den Sommermonaten einmal wöchentlich stattfindet.
Hierher kommen Frauen und Männer in traditioneller Kleidung. Einige Frauen tragen eine geschwungene weiße Haube, die fälschlicherweise für die allgemein niederländische Tracht angesehen wird. Andere Frauen haben einen breiten, farbigen Schulterkragen, der im Trauerfall einfarbig dunkel ist. Im Allgemeinen ist die Kleidung der Frauen dekorativer als die der Männer. Sie tragen meist eine dunkle Hose und Jacke und unterscheiden sich nur durch die Kopfbedeckung.
Außer Trachten und überlieferten Volkstänzen präsentiert der Schagener Markt um die Hauptkirche herum die Tiere, die einst hier gehandelt wurden und die jetzt liebevoll von den Besuchern gestreichelt werden. Ausgenommen davon sind gedrungene pechschwarze Paarhufer, eine alte Schweinerasse, die wenig Ähnlichkeit mit dem deutschen Hausschwein hat. Bewundert wird hingegen die Herde von Gänsen, die, geleitet von einem Hirten mit Stab, durch die engen und überfüllten Gassen Schagens marschiert.
Einsatz als Hilfschocolatier
Der Gänsehirt und alle anderen Personen, die zum Gelingen der Veranstaltung beitragen, machen es freiwillig und erhalten keine Bezahlung. Ein derartiges ehrenamtliches Engagement für die Gemeinde begegnet man immer wieder in Nordholland.
Das Bäckereimuseum De oude Bakkerij in Medemblik bliebe ohne es verwaist. „Helfen Sie mir, Pralinen herzustellen“, fordert der Chocolatier im Museum seine Besucher auf. Das lässt man sich nicht zweimal sagen.
Schon muss man die Schokolade für verschiedene Anwendungen korrekt temperieren und später darf man die Pralinen mit Nougat, Nüssen, Pistazien, Likör, Marzipan oder Früchten füllen.
Bei der Zubereitung läuft einem bereits das Wasser im Munde zusammen. Die fertigen Pralinen kann man neben Broten, Brötchen, Kuchen, Torten und Keksen, deren Produktion ebenfalls demonstriert wird, im Verkaufsraum der alten Bäckerei
Nach der Arbeit als Hilfschocolatier setzt man sich in einen kleinen Elektrobus, der weitere Sehenswürdigkeiten wie die Museumseisenbahn nach Hoorn oder das Nederlands Stoommachine Museum (Niederländisches Dampfmaschinen-Museum) am Oosterdijk anfährt. Halt macht der Bus auch an einem Bauernhof, auf dem die viel gerühmten Kartoffeln, die Opperdoezer Rond, zu kaufen sind.
Es sollen die schmackhaftesten Erdäpfel der Niederlande, ja weltweit sein. Die Einheimischen raten, sie nur mit etwas Butter zu speisen. Das haben wir am nächsten Tag getan und dazu Hollandse Nieuwe, den „Jungfrauenhering“, gegessen und zur Abrundung einen holländischen Genever getrunken. Dieses Mahl, die Kartoffeln, der Matjes und Genever, hat nicht enttäuscht und die Lust auf Sand, Strand und Dünen gestärkt.
Fotos: Gisela Marzin