Mit Markus Gerum auf einer Wanderung zu sein, ist ein ganz besonderes Erlebnis. Der gebürtige Oberammergauer ist genau das, was man sich unter einem „Naturburschen“ vorstellt. Dieses Attribut wird dem 51-Jährigen allerdings nur sehr ungenügend gerecht. Denn Gerum ist Vogelkundler und Fledermausschützer, Naturschutzwächter und Biberbetreuer. Seit über 30 Jahren erforscht und durchstreift das „bayerische Urgestein“ seine Heimat fast täglich, und gewährt interessierten Gästen einen Einblick in die komplexen Vorgänge der Natur des bayerischen Voralpenlandes. Die Ammergauer Alpen (beziehungsweise das Ammergebirge) sind mit einer Fläche von 288 km2 das größte Naturschutzgebiet Bayern.
Nachhaltig gestärktes Umweltbewusstsein
Unterwegs mit einem sündteuren Teleskop und einem ebenfalls nicht gerade preiswerten Fernglas, dafür ohne Auto („einen Führerschein habe ich aber schon“) und Handy („wenn ich eines brauche, nehme ich das von meinem Bruder“), begibt sich Gerum hinaus in die weite Welt von Tier und Pflanze.
Oft genügt für uns „Otto Normalverbraucher“ nur ein halber Tag zum Hineinschnuppern, um einen ganz anderen Blick darauf zu haben. Markus Gerum erklärt, beobachtet und späht, achtet auf besondere Geräusche, legt sich auf die Lauer oder sieht den Dingen ganz einfach nur ins Gesicht – und vermittelt dem „Mitbeobachter“ ein nachhaltig gestärktes Umweltbewusstsein, um mit offenen Augen der Natur zu begegnen.
Von der Ammer zur Amper
So wissen bestimmt wohl nicht viele Menschen, dass das Flüsschen Ammer und ihr Oberlauf mindestens 40 Quellen hat, es als Ammer in den Ammersee fließt und diesen mit einem anderen Namen, nämlich als Amper, wieder verlässt.
Gerum kann sich in dieser Gegend so richtig „austoben“, weil das Ammergebiet so artenreich ist wie kaum eine andere Flusslandschaft in den bayerischen Alpen.
Angetan haben es dem Naturkundler vor allem Fledermäuse und die in den Ammergauer Alpen beheimateten Steinadler, Uhus und Wanderfalken.
So erfährt man, dass kleine Kotkrümel von Fledermäusen – häufig sind zum Beispiel die Bartfledermaus, die Zwergfledermaus und die Wasserfledermaus (die kleine Hufeisennase ist in den Ammergauer Alpen dagegen extrem selten) hinter den Fensterläden von nicht wenigen Gebäuden gerne den Tag verschlafen. Kaum zu glauben, wie wenig Platz sie brauchen. „Das täuscht“, meint Gerum ohne eine Miene zu verziehen. „Die könnten da hinten sogar Fußball spielen.“
Adler fühlen sich sehr wohl
Auch Steinadler finden alles, was sie zu einem zufriedenstellenden Leben brauchen. „Sonst gäbe es nicht so viele Reviere hier bei uns“, verdeutlicht Gerum. Sieben gibt es davon in den Ammergauer Alpen. „Das ist ein großer Bestand für ein so kleines Revier, wenn man bedenkt, dass es in Bayern insgesamt nur 50 Reviere gibt“, erklärte der Naturkundler.
Bemerkenswert sind auch die vielen Flechten an den verschiedensten Bäumen – sie sind die besten Indikatoren für eine gute Luft. „Bartflechten zum Beispiel wachsen nur dort, wo es eine reine Luft gibt“, sagt der Naturkundler. „Gute-Luft-Zeiger nenne ich das.“ Die Moose und Filze im Ammertal sind der letzten Eiszeit zu verdanken, die vor gut 10 000 Jahren zu Ende ging.
Freilichtmuseum Glentleiten
Unberührte Natur erleben und zugleich architektonische Schmuckstücke bewundern, das ist in den Ammergauer Alpen kein allzu großes Kunststück. Die Königsschlösser Linderhof und Neuschwanstein, die Wieskirche, der Passionsspielort Oberammergau, das reizende Murnau, oder Kochel- und Staffelsee sind immer lohnenswert. Und natürlich auch ein Besuch im Freilichtmuseum Glentleiten, dem größten seiner Art in Südbayern.
Dort erwarten den Besucher auf 40 Hektar 60 original erhaltene Gebäude samt Inneneinrichtung (Werkstätten, Öfen, Herde, etc.), auch Kleinstanwesen oder eine Forsthütte. Die gesamte oberbayerische Region wird dargestellt und präsentiert. Sogar eine Alm findet sich naturgetreu wieder. Alle Gebäude wurden am Ursprungs-Standort abgetragen und im Museum wieder aufgebaut.
Zeitreise in die Vergangenheit
Das Museum Glentleiten ist eine Zeitreise in die Vergangenheit. Geschichte wird lebendig. Wie lebten die Menschen damals? Und von was? Wie und mit welchen Hilfsmitteln bestellten die Bauern ihre Felder? Wie wurde ein Sägewerk angetrieben, wie Mehl gemahlen, wie Schuhe hergestellt oder das Eisen in der Schmiede zum Glühen gebracht.
Was wurde gekocht, und wie? Fragen über Fragen, auf die Glentleiten (fast) alles eine Antwort weiß. Außerdem gibt es eine volkskundliche Sammlung, die 74 000 historische Objekte, vor allem Möbel, Textilien, Arbeitsgeräte und Haushaltswaren sowie zahlreiche Devotionalien umfasst.
Im Herzen der bayerischen Alpen
Im Bewusstsein des hohen Wertes ihrer natürlichen Ressourcen und kulturellen Traditionen haben sich im Herzen der bayerischen Alpen die Gemeinden Ettal/Graswang, Ober- und Unterammergau, Saulgrub/Altenau/Wurmansau, Bad Kohlgrub und Bad Bayersoien als Ammergauer Alpen zusammengeschlossen.
Meditiationsweg und der Zeitberg
Ein Highlight für denjenigen, der sich dem Wandern verschrieben hat, ist der 87 Kilometer lange Meditationsweg, der in sechs Etappen unterteilt ist. Die Wandermöglichkeiten sind so vielfältig wie die Landschaft. Er führt auf einer kulturell anspruchsvollen Strecke durch das gesamte Ammertal von Schloss Linderhof bis zur Wieskirche. Entlang des Weges finden sich 15 Stationen zum Nachdenken und Erholen – und das bei traumhaften Ausblicken. Das Symbol eines brennenden Herzens weist den Weg.
Apropos wandern: Seit 2013 lädt ein neuer Gipfel mit sechs Ruhe-Stationen zu besonderen Auszeiten ein. Eine bis dato unbenannte Anhöhe auf Bad Kohlgrubs Hausberg, dem Hörnle, heißt Zeitberg. Sinn und Zweck ist es, sein Mobiltelefon, Tablet oder ähnliches in eines der Handyschließfächer am Gipfel zu deponieren und offline durch die Bergwelt zu streifen. Sein Handy, Smartphone oder iphone einfach für ein paar Stunden auszuschalten, wäre natürlich auch eine Alternative. Wer nicht hinaufwandern will, der kann mit der alten Doppelsesselbahn über die Almwiesen emporschweben. Oben angekommen, liegt dem Betrachter das Alpenvorland mit seinen Seen zu Füßen. Das Wettersteingebirge, die Zugspitze, die Ammergauer Alpen und das Estergebirge zeigen sich in ihrer ganzen Pracht.
Passionsspiele nur alle zehn Jahre
Der absolute Höhepunkt des kulturellen Lebens in den Ammergauer Alpen findet jedoch nur alle zehn Jahre statt (das nächste Mal vom 16. Mai – 4. Oktober 2020) – die Oberammergauer Passionsspiele. Die Wurzeln der Veranstaltung liegen in einem Gelübde der Oberammergauer Bürger im Jahr 1633. Die Pest hatte den Ort erreicht, und viele Bürger waren der Seuche zum Opfer gefallen. Daraufhin gelobten die Einwohner, regelmäßig Passionsspiele zur Aufführung zu bringen, erstmals 1634. Das Spektakel hat den Ruf der malerischen Holzschnitzer-Gemeinde Oberammergau in die ganze Welt hinaus getragen.
Für die nächsten Passionsspiele sind 102 Vorstellungen geplant. Das Passionstheater in Oberammergau umfasst rund 4800 Sitzplätze und ist damit die größte Freiluftbühne mit überdachtem Zuschauerraum weltweit.
Weitere lohnenswerte Ausflugsziele in der näheren Umgebung
Schloss Linderhof: Im Jahr 1872 im Stil des Neu-Rokoko fertiggestellt, war der Linderhof das Lieblingsschloss von Märchenkönig Ludwig II. Auch, oder besser gesagt weil es in der stillen Bergidylle seiner geliebten Ammergauer Alpen liegt. Es war das einzige Schloss, der er selbst bewohnte und bis zu seinem Tod 1886 fortwährend umbauen ließ. Großartig und weitläufig sind die Parkanlagen rund um das Schloss, die – ohne Eintritt entrichten zu müssen – von jedermann erkundet werden können. Linderhof ist das Kleinste der drei Königsschlösser (Neuschwanstein, Hohenschwangau).
Kloster Ettal: Das Kloster wurde im Jahr 1330 durch Kaiser Ludwig dem Bayern gegründet. Heute ist Ettal mit seinem weltberühmten Benediktinerkloster einer der größten Anziehungspunkte der Region. Im Jahr 2018 findet dort von Mai bis Oktober die Bayerische Landesausstellung unter dem Motto „Wald, Gebirg und Königstraum – Mythos Bayern“ – statt.
Wieskirche: Die Wallfahrtskirche im Rokokostil zum „gegeißelten Heiland“, erbaut in den Jahren 1745 bis 1754 von den Brüdern Johann Baptist und Dominikus Zimmermann, ist seit 1983 Teil des UNESCO-Weltkulturerbes. Rund eine Million Besucher kommen jährlich hierhin.
Murnau: Der Ort mit seinen gut 12 000 Einwohnern hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten richtiggehend herausgeputzt, dank der Fußgängerzone, die das Wahrzeichen des Marktes darstellt. Mit Blick auf die Berge kann man bei malerischer Kulisse an den im Biedermeierstil erbauten Häusern vorbeiflanieren. Auf einer Anhöhe nahe dem Zentrum überragt die Pfarrkirche St. Nikolaus den Künstlerort. Im Süden schließt sich mit dem Murnauer Moos das größte geschlossene Moorgebiet Mitteleuropas an.
Münter-Haus: Das Münter-Haus in Murnau war von 1909 bis 1914 und ab 1931 bis zu ihrem Tode das Zuhause der Malerin Gabriele Münter (1877 – 1962). Sie war Mitglied der Neuen Künstlervereinigung München und später eng mit dem Blauen Reiter verbunden. Bei den Murnauern wurde das Haus auch „Russenhaus“ genannt, weil Münters Lebensgefährte, Wassili Kandinsky, russischer Herkunft war. Das Haus beherbergt eine Vielzahl ihrer Arbeiten und Werke der Künstlerkollegen aus der Gruppe des Blauen Reiter.
Staffelsee: Der acht km2 große See ist ein Relikt der vor 10 000 Jahren zu Ende gegangenen Eiszeit – und eine wahre Perle. Badegäste kommen bei warmen Wassertemperaturen ebenso auf ihre Kosten wie die vielen Segelfreunde. Diese finden auf dem inselreichsten Gewässer im Voralpenland ein Revier vor, auf dem es sich lohnt, mindestens eine der sieben Inseln zu umfahren.
Kochelsee: Aufgrund seiner Lage am Fuße des Herzogstand und der Nähe zum Walchensee spielt der Kochelsee eine große Rolle für den Tourismus in der Region. Das Gewässer ist für Wind- und Kitesurfer ein interessantes Revier, das für Starkwind bekannt ist.
Franz-Marc-Museum: Gegründet im Jahr 1986 ist das Museum in Kochel am See dem Werk des expressionistischen Malers Franz Marc (1880 – 1916) in Verbindung mit Kunstwerken seiner Zeitgenossen und anderer bedeutender Künstler des 20. Jahrhunderts gewidmet.
Soier See: Dieses kleine Gewässer ist ein wahres Kleinod und gilt als einer der wärmsten Badeseen Südbayerns. Der kleine See, der nur 20 Hektar groß ist (700 Meter lang, 400 Meter breit, 3,5 Meter tief), wird sehr schnell warm und ist auch im Hochsommer nicht überlaufen. Ein 1,8 Kilometer langer Barfußparcour rund um den See ermöglicht – ohne Schuhe und Strümpfe – ein sinnliches Lauferlebnis.
Informationen: Ammergauer Alpen GmbH, Eugen-Papst-Str. 9 a, 82487 Oberammergau, Tel.: (08822) 92 27 40; E-Mail: info@ammergauer-alpen.de; Internet: www.ammergauer-alpen.de. – Freilichtmuseum Glentleiten, An der Glentleiten 4, 82439 Großweil, Tel.: (08851) 18 50; E-Mail: freilichtmuseum@glentleiten.de; Internet: www.glentleiten.de
Wo und zu welcher Uhrzeit kann man in Oberammergau und Umgebung Fledermäuse beobachten?