zurück



Einmal um die Welt in 117 Tagen: Von Hamburg zur Äquatortaufe

Mit Böllern und Raketen ging es los. Die Abfahrt von Hamburg. Rechts sah man die Umrisse der Elbphilharmonie, von der anderen Seite grüßte der König der Löwen. Hier krachte und knallte es: Ein Feuerwerk am Hamburger Abendhimmel – ein beeindruckender Abschied für eine Fahrt um die Welt.

Als die Lichter Hamburgs allmählich verschwanden, realisierten wir, dass wir für die nächsten vier Monate statt einer komfortablen Wohnung mit Garten eine knapp fünfzehn Quadratmeter große Kabine mit Nasszelle für zwei Personen bewohnten. Ein durch Arbeit und Verpflichtungen geregelter Alltag wich freiwillig und gewollt etwas Unbekannten.

Dies traf allerdings nicht auf alle Mitfahrer zu. Viele verfügten über reichlich Erfahrungen, einige waren anscheinend auf Schiffen zuhause. Eine Fahrt um die Welt in 117 Tagen hatten alle noch nie gemacht.

Der Weg durch den Ärmelkanal nach Southampton ermöglichte den rund 1000 Passagieren, das Schiff zu entdecken. Statt nur um das Schiff zu bummeln, bot sich mir ein Kurs Indoor Cycling an. Am Ende dieses Kurses sehnte ich mich zurück nach einen behaglichen Spaziergang durch den heimischen Park. Statt gemütlich in die Pedale zu treten und den Blick aufs Meer zu genießen, rann der Schweiß und die Beine wurden verdammt schwer. Die Kursleiterin schien die Teilnehmer eher für die nächste Tour de France fit zu machen als für die kommenden Ausflüge mit dem Rad. Danach war Rekonvaleszenz nötig und ein erholsamer Schlaf, der durch Zeitumstellung bei der Fahrt nach Westen eine Stunde länger dauerte. An die Umstellungen der Uhr musste man sich langsam gewöhnen.

20.000 Jahre in die Vergangenheit – Stonehenge

Am nächsten Tag ging es zeitlich noch weiter zurück. Nicht eine Stunde, sondern gleich 20.000 Jahre in die prähistorische Zeit von Stonehenge. Der Steinkreis wirft bis heute mehr Fragen auf, als Antworten zu geben. Ob er Sternwarte, Kultort oder Opferstätte war, ist ungeklärt. Steine jedenfalls ließen uns an diesem Tage nicht mehr los. Nachmittags waren es die der Kathedrale von Salisbury und abends im Schiffstheater die Songs der Rolling Stones.

Die Straßenbahn 28 E fährt durch die beliebten Touristenviertel Lissabons und ist deshalb ein Muss für jeden Besucher. Wie sich die gelbe Tram knatternd ihren Weg durch die engen Straßen bahnt, muss man erleben.

Die Straßenbahn 28 E fährt durch die beliebten Touristenviertel Lissabons und ist deshalb ein Muss für jeden Besucher. Wie sich die gelbe Tram knatternd ihren Weg durch die engen Straßen bahnt, muss man erleben.

Seekrank wurden viele Passagiere auf dem Weg von Southampton nach Lissabon im Golf von Biskaya. Es stürmte heftig, der Umgang an Deck war nicht mehr möglich und die Speisesäle waren auffällig leerer. Mehr Platz und Ruhe war nicht unangenehm. Mit der Ruhe war es in der 28 E vorbei. Wie sich diese Straßenbahn in Portugals Hauptstadt durch die Gässchen der Altstadt quetscht, möchte fast jeder Besucher erleben. Selbst wenn man ihm auf die Füße tritt und man sich fühlt wie eine Sardine in den kunstvoll verpackten Büchsen, die es als Andenken zu kaufen gibt. Den Turm von Belem, das Denkmal für die portugiesischen Seefahrer oder zahlreiche Museen erreicht die legendäre Tram nicht. Dafür nimmt man den Hüpf-auf-Hüpf-herunter-Bus. Wird der richtige Fahrschein gelöst, darf man in Kleinbussen durch die engen Altstadtgassen fahren. Nach zwei- bis dreimaliger Umrundung kannte man die zahlreichen Highlights der Stadt. Fand man danach die älteste Chocolatteria und trank eine köstliche Schokolade, nahm man zufrieden Abschied von Lissabon.

50 Mal Aida in 17 Jahren

Pasteis de Nata gehören wie Cristiano Ronaldo zu Portugal. Die Vanilletörtchen schmecken köstlich und sind nicht nur in Lissabon heiß begehrt.

Pasteis de Nata gehören wie Cristiano Ronaldo zu Portugal. Die Vanilletörtchen schmecken köstlich und sind nicht nur in Lissabon heiß begehrt.

Für andere Mitreisende fing die Begegnung mit Portugal abends erst richtig an. Die Spezialitäten des Landes lockten ans Schiffsbuffet. Ob Fisch oder Fleisch, ob Gemüse oder Obst, es gab reichlich und die Wahl fiel schwer. Ohne an die Kalorien zu denken, griff man mehr als einmal zu. Im Gespräch mit den Tischnachbarn trank man das eine oder andere Glas Wein oder Bier mehr als üblich. Schließlich wollte man erfahren, was die Anderen erlebt hatten. So erfuhr man mehr über die Orte, vor allem aber etwas über die Gesprächspartner. Staunend nahmen wir zur Kenntnis , dass ein Paar in siebzehn Jahren schon mehr als fünfzig Mal mit Aida-Schiffen unterwegs war. Wie hatten sie das nur gemacht?

In bestem Sächsisch erzählte ein Dresdner, wie er nach der Wende mit Obst sein Geld gemacht hatte und sich nun mit Reisen belohne. Ihm sei diese Weltreise zu kurz, verkündete er. In Auckland verlasse er das Schiff und durchquerte auf eigene Faust Neuseeland und Australien. Bei solchen Gesprächen dauerte das Essen gewöhnlich länger als daheim und oft zog es sich bis zum Beginn der abendlichen Vorstellung im Theater hin.

Auf Madeira

In der Casa dos Bicos residiert die José Saramago Stiftung, die von dem Schriftsteller und Nobelpreisträger José de Sousa Saramago (1922-2010) ins Leben gerufen wurde und die der Förderung der Kultur in Portugal dient.

In der Casa dos Bicos residiert die José Saramago Stiftung, die von dem Schriftsteller und Nobelpreisträger José de Sousa Saramago (1922-2010) ins Leben gerufen wurde und die der Förderung der Kultur in Portugal dient.

In den vergangenen Jahrhunderten wurden vor allem Könige, bedeutende Politiker oder Persönlichkeiten nach ihrem Tode mit einem Denkmal geehrt – heutzutage sind es Edelkicker, denen ein Denkmal und sogar ein Museum, das fünf Euro Eintritt kostet, errichtet wird. So geschehen in Funchal auf Madeira direkt gegenüber dem Kai für Kreuzfahrschiffe. Dabei hat die Insel mehr und Interessanteres zu bieten: Die Markt- und Fischhalle etwa. Sie besuchte der Schiffskoch, um für das abendliche Menü einzukaufen. Einige Passagiere durften den Kapitän begleiten zu einem offiziellen Empfang durch Funchals Bürgermeister aus Anlass der ersten Weltreise von Aida.

Während seine Frau feilscht, genießt ihr Mann seinen Café.

Während seine Frau feilscht, genießt ihr Mann seinen Café.

Beim Auslaufen verabschiedete sich Funchal und Europa mit einem Feuerwerk. Als nächster und einziger afrikanischer Ort wartete Praya auf den Kapverdischen Inseln. Bis dorthin waren es drei Tage auf hoher See, auf denen überflüssige Pfunde zu meiden waren. Also an den Sportgeräten quälen, auf dem Laufband rennen oder gnadenlos in die Pedale treten. Nach Verlust weniger Kalorien – in einer halben Stunde strampelte man kaum das Frühstück ab – ließ ein Saunagang weitere Kalorien purzeln. Doch nach dem Mittagsessen waren sie wieder da. Der Kampf gegen Übergewicht begann von Neuem. Abwechselung in die Auseinandersetzung mit den Kalorien brachten ein Wiener Walzer, der Cha-Cha-Cha oder eine Rumba. Tanzen wurde zur neuen Leidenschaft. Waren Sport und Tanzen ausgereizt, sorgte ein abwechslungsreiches Abendprogramm dafür, dass Langeweile nicht aufkam.

Afrikanisches Las Vegas

Markt in Praya. Hähne und Hühner warten auf zahlungswillige Käuferinnen, von denen es angeblich genug gibt in der ehemaligen portugiesischen Kolonie. Laut Statistik zählt Cabo Verde zu den wohlhabendsten Ländern Afrikas.

Markt in Praya. Hähne und Hühner warten auf zahlungswillige Käuferinnen, von denen es angeblich genug gibt in der ehemaligen portugiesischen Kolonie. Laut Statistik zählt Cabo Verde zu den wohlhabendsten Ländern Afrikas.

Praya auf den Kapverdischen Inseln bot einen winzigen Einblick in afrikanische Verhältnisse und ließ die Abhängigkeit von chinesischer Hilfe erahnen. Am Meeresufer war ein Gelände mit hohem Sichtschutz abgeriegelt und eine überdimensionierte Tafel, auf der ein Chinese mit Schutzhelm und chinesische Schriftzeichen abgebildet waren, kündete von einem Bauprojekt, um aus Praya ein afrikanisches Las Vegas zu machen.

Kess und unbefangen, trotz der schweren Last auf dem Kopf, beäugt sie uns und wundert sich, dass Weiße bei dieser Hitze mit dem Rad durch Praya, der Hauptstadt des afrikanischen Inselstaates Cabo Verde, fahren.

Kess und unbefangen, trotz der schweren Last auf dem Kopf, beäugt sie uns und wundert sich, dass Weiße bei dieser Hitze mit dem Rad durch Praya, der Hauptstadt des afrikanischen Inselstaates Cabo Verde, fahren.

Auf dem Markt der Stadt wurden Hemden und Hosen, Kleider und Schuhe angeboten, die aus deutschen

Neptun bei der Äquatortaufe. Ein weltweit übliches Ritual von Seeleuten, wenn ein Passagier oder Besatzungsmitglied zum ersten Mal auf See den Äquator überquert.

Neptun bei der Äquatortaufe. Ein weltweit übliches Ritual von Seeleuten, wenn ein Passagier oder Besatzungsmitglied zum ersten Mal auf See den Äquator überquert.

Altkleidersammlungen stammten. Dortmund, Stuttgart und andere deutsche Städte waren auf den Behältern verzeichnet. Gleich neben einem Berg von Schuhen scharrten Hühner und dösten Ferkel. Indes verstauten die Frauen ihren Erwerb und balancierten ihn geschickt auf dem Kopf. Sie schienen unter der sengenden Sonne weniger zu leiden als wir unter unseren Fahrradhelmen. Strampeln auf dem Rad und die Hitze setzte uns erheblich zu.

Vor Überquerung des Äquators erschien Neptun an Bord und taufte jeden. Er bedachte den ersten Freiwilligen mit einem Namen und tauchte ihn anschließend im Pool unter. Raunen unter den Passagieren und Sorgen um die Kleidung. Erleichterung, als Neptun die Folgenden lediglich mit einer Klobürste besprenkelte und ihnen den Taufschein aushändigte.

Fotos: Gisela Marzin

Raushier-Reisemagazin

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert