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Holzschnitzer Theobald lässt das Wirtshaus im Spessart rocken

Entlang des Flüsschens Tauber, das Orte wie Rothenburg, Creglingen, Weikersheim, Bad Mergentheim, Königshofen, Lauda, Tauberbischofsheim und Wertheim durchfließt, kennt ihn fast jeder. „Stimmt, ich bin bekannt im gesamten Taubertal.“ Wo immer Heinz A. Theobald zu finden ist, ob bei Messen, Austellungen oder Märkten, bei Veranstaltungen, Weinproben oder anderen Events, oder bei handwerklichen Kursen, die er anbietet – er ist nicht zu übersehen. Und erst recht nicht zu überhören. Vor allem dann nicht, wenn er seiner Kreativität freien Lauf lässt. Denn der Künstler liebt es, von Hard-Rock-Klängen begleitet zu werden. Mal laut und durchdringend, mal sanft und melodiös. Je nachdem, wie der Meister gerade aufgelegt ist.

Einer der letzten seiner Zunft

Heinz A. Theobald bei der Arbeit. - Foto: Dieter Warnick

Heinz A. Theobald bei der Arbeit. – Foto: Dieter Warnick

Heinz A. Theobald ist Holzschnitzer. Das ist per se nichts Außergewöhnliches, seine Passion jedoch schon. Denn der 64-Jährige schnitzt und verziert Holzfässer – er ist Fassbodenschnitzer. Und damit ist er einer der letzten seiner Zunft in Deutschland. „Es gibt vielleicht noch vier oder fünf, die das Fassbodenschnitzen als Hauptberuf haben“, erzählt Theobald“, einige werden es natürlich als Hobby haben. Da kann ich aber keine Zahlen nennen, die weiß ich nicht.“

Heinz A. Theobald bei der Arbeit. - Foto: Dieter Warnick

Heinz A. Theobald bei der Arbeit. – Foto: Dieter Warnick

Der Laie staunt und wundert sich – man sieht doch gar nichts vom Boden eines Fasses, wenn es gefüllt ist? Er wird aber schnell hellhörig, wenn er erfährt, dass es sich dabei nicht um Weinfässer mit Inhalt handelt, sondern um leere Fässer, die in den allermeisten Fällen als Ausstellungsstücke dienen. Deshalb auch nicht stehen, sondern waagrecht liegen, wie Fässer in einem Weinkeller; somit zeigt der Fassboden also nach vorne zum Betrachter und kann so für jedermann in Augenschein genommen werden. Für viele ist ein solches Fass auch eine Art hölzernes Poesiealbum. Theobald klärt auf: „Ziel meiner Holzbildhauerei ist es, die Ideen und Vorstellungen meiner Auftraggeber so umzusetzen, dass eine Identifikation mit dem fertigen Werkstück hergestellt werden kann. Dies gelingt unter anderen auch durch das Einarbeiten persönlicher Motive aus dem Leben und dem Umfeld des Kunden.“ Etwa bei Darstellungen von den eigenen Kindern, von Verwandten oder sonst liebgewonnenen Menschen. Oder von besonderen Ereignissen. „Es entsteht ein bleibender Wert.“

Intensiver Einblick in der Würzburger Residenz

Heinz A. Theobald bei der Arbeit. - Foto: Dieter Warnick

Heinz A. Theobald bei der Arbeit. – Foto: Dieter Warnick

Sein Hauptklientel sind neben privaten Auftraggebern Weingenossenschaften und Weingüter, wie zum Beispiel der „Staatliche Hofkeller Würzburg“, ein Weingut im Besitz des Freistaates Bayern in Franken. Dort, tief im Inneren der Würzburger Residenz, lagern in den verschlungenen Gängen der Kellergewölbe 100 sogenannte Stückfässer. (Stück ist eine alte fränkische Maßeinheit für 1200 Liter). „Die Hälfte davon habe ich bereits geschnitzt,“ sagt Theobald nicht ohne Stolz, „und im nächsten Jahr kommen nochmals zehn dazu.“ Und wenn der berühmte Weinkeller für die Öffentlichkeit seine Pforten öffnet, dann bekommen die Besucher auch einen intensiven Einblick in die Arbeit des 64-Jährigen. Die „Närrische Weinprobe“ des Bayrischen Rundfunks wird in diesem Keller abgehalten und die Fässer kann man dann im Fernsehen sehen.

Theobald, der ausschließlich Auftragsabreiten und Unikatanfertigungen von Hand, ohne Maschinen, ausführt, aber auch Wappen entwirft, ist nicht nur im Taubertal die erste Adresse für dieses Handwerk. So hat bei ihm Deutschlands beste Winzergenossenschaft 2017, die DIVINO in Nordheim, anlässlich der 1100-Jahr-Feier der Gemeinde 2018 ein Jubiläumsfass in Auftrag gegeben.

Autodidakt mit großer Leidenschaft

Das Beschnitzen von Fässern hat Tradition, gerät heute aber zunehmend in Vergessenheit. - Foto: Dieter Warnick

Das Beschnitzen von Fässern hat Tradition, gerät heute aber zunehmend in Vergessenheit. – Foto: Dieter Warnick

Mit der Holzbildhauerei befasst sich der 64-Jährige seit 1977. Gelernt hat er das Handwerk jedoch nicht; als Autodidakt hat sich der gebürtige Saarländer das gesamte Fachwissen – nebenbei studierte er BWL – selbst beigebracht, und ist dieser Leidenschaft bis heute treu geblieben. Gearbeitet hat Theobald zehn Jahre lang in der Marketingabteilung einer Bank und in gleicher Funktion 15 Jahre bei einer Brauerei, davon zehn Jahre in der Gastronomie- und Veranstaltungsplanung. Das kommt ihm bei seiner jetzigen Tätigkeit zugute. Vor zwölf Jahren erfolgte der Schritt in die Selbstständigkeit als Holzbildhauer, Gastronomie- und Eventberater und als Ideengeber in Sonderprojekten, und seit knapp einem Jahr ins Rentnerdasein. Die Schaffenskraft ist aber weiterhin so groß wie eh und je.

Auftragsbuch ist gut gefüllt

Motive verschiedenster Art dienen Heinz A. Theobald als Vorlage. - Foto: Dieter Warnick

Motive verschiedenster Art dienen Heinz A. Theobald als Vorlage. – Foto: Dieter Warnick

Denn ruhiger ist es um Theobald nicht geworden. Sein Auftragsbuch ist gut gefüllt, auch wenn er in den Wintermonaten mit Außenaktivitäten etwas kürzer tritt. „Ich schnitze dann, wenn ich Lust dazu habe, denn man spürt, wenn eine Arbeit mit Lust und Liebe gemacht wird.“ Dabei kann es zeitlich durchaus eng werden, wenn ein Auftrag sehr anspruchsvoll ist, der Abgabetermin vor der Tür steht und das eine oder andere Problemchen auftaucht. „Dann muss man halt ein paar Stunden drauflegen, auch wenn der Tag nur 24 Stunden hat.“ Sagt`s und greift wieder zum Schnitzmesser.

Auch Familienwappen fertigt Heinz A. Theobald an. - Foto: Dieter Warnick

Auch Familienwappen fertigt Heinz A. Theobald an. – Foto: Dieter Warnick

Zuhause ist der bekannte Holzschnitzer seit 1975 in der Weinstadt Lauda-Königshofen im Main-Tauber-Kreis, dem nördlichsten Landkreis Baden-Württembergs, zwischen Tauberbischofsheim und Bad Mergentheim gelegen. Dort hat er sich vor langer Zeit eine Werkstatt eingerichtet, ebenso wie in einem kleinen Fachwerkhäuschen im Dorf Beckstein ganz in der Nähe. Dass Theobald auch auswärts schnitzt, zum Beispiel im Würzburger Hofkeller, oder bei Holzküfer Andreas Aßmann in Eußenheim (Landkreis Main-Spessart), von dem er das Holz bezieht, liegt in der Natur der Sache. Fässer, die nämlich bereits im Keller liegen, sind aufwendiger zu beschnitzen, da man im Stehen auf verschiedenen Höhen arbeiten muss. In der Küferei liegen die Fässer auf dem Rücken (hinteren Boden) und es wird um das Fass herum eine Arbeitsbühne gebaut, damit man von allen Seiten her die Motive schnitzen kann.

Ausschließlich Holz von der Spessarteiche

Ein Blick in Heinz A. Theobalds Werkzeugkasten verdeutlicht, dass so viele verschiedene Schnitzmesser gar nicht benötigt werden wie angenommen. Die meisten unterscheiden sich in der Breite und der Schneideform. - Foto: Dieter Warnick

Ein Blick in Heinz A. Theobalds Werkzeugkasten verdeutlicht, dass so viele verschiedene Schnitzmesser gar nicht benötigt werden wie angenommen. Die meisten unterscheiden sich in der Breite und der Schneideform. – Foto: Dieter Warnick

Apropos Holz: Für das Fassschnitzen wird ausschließlich das Holz der Spessarteiche verwendet. „Die ist berühmt bei Fassmachern in ganz Europa,“ erzählt Theobald, „durch den kargen Boden, auf dem diese Eichen, die teilweise einige Hundert Jahre alt sind, wachsen, ist das Holz astfrei, weich, dicht und feinporig und somit für die Küfer und damit auch für uns Fassbodenschnitzer wie geschaffen.“

Unterschüpf ist ein Ortsteil von Boxberg im Main-Tauber-Kreis und Kunde von Heinz A. Theobald; diese Fass-Schnitzerei stammt aus dem Jahr 2002. - Foto: Heinz A. Theobald

Unterschüpf ist ein Ortsteil von Boxberg im Main-Tauber-Kreis und Kunde von Heinz A. Theobald; diese Fass-Schnitzerei stammt aus dem Jahr 2002. – Foto: Heinz A. Theobald

Wieviele Fässer er bislang geschnitzt hat, weiß der Laudaer nicht genau, in den über 40 Jahren Schnitztätigkeit kommt schon einiges zusammen, „so 400 werden es wohl gewesen sein.“ Es war alles dabei, vom kleinen Fünf-Liter-Whiskyfass bis zu einem Fass mit einem Durchmesser von 2,20 Metern und einem Inhalt von 10 000 Litern. „Das war das größte Fass, das ich bisher gemacht habe“, und für das hat er auch am längsten gebraucht, „so einige Monate. Am Anfang war ich auf zehn Europaletten gestanden und zum Schluss ganz unten auf einer Weinkiste gesessen.“ Je nach Motiv kostet eine Fassbodenschnitzerei zwischen 500 und 3000 Euro. „Ich rechne nicht nach der Zeit ab, die ich benötige, sondern nach der Fläche in Quadratdezimetern, also 10 x 10 Zentimetern.“ Die Summe der Fläche wird mit einem Faktor zwischen 15 und 50 Euro multipliziert, in dem sich die Art und der Aufwand, aber auch die Entfernung zum Schnitzort widerspiegeln.

Ohne Hardrock geht es nicht

Dieses 50-Liter-Fass hat die Stadt Ingelfingen anfertigen lassen. - Foto: Heinz A. Theobald

Dieses 50-Liter-Fass hat die Stadt Ingelfingen anfertigen lassen. – Foto: Heinz A. Theobald

Was Heinz A. Theobald so besonders macht und von anderen Schnitzern unterscheidet, ist die Art, wie er arbeitet – als Rockmusikliebhaber ausschließlich bei Hardrock-Klängen („mit rockiger Musik kann man im Takt gut schnitzen“) – und seine Ausstellungen und Veranstaltungen (zirka 20 im Jahr) gestaltet. Der 64-Jährige ist nämlich auch mit den Jahren so eine Art Eventmanager geworden. Er hat die Idee geboren, Weinproben (es können auch Bierverkostungen sein) mit klassischer Rockmusik zu kombinieren. Wood-Rock nennt er das! Der Maestro präsentiert dann in entspannter Umgebung seine Schnitzkünste vor Ort live und sorgt mit der passenden Musik für das prickelnde Flair eines solchen Abends. Meist stellt er etwas her, was mit dem Thema der Veranstaltung zu tun hat.

In seinem Wohnort Lauda bespielsweise hat 2017 bereits zum siebten Mal eine Wood-Rock-Weinprobe stattgefunden, mit riesigem Erfolg. Eine etwas andere Weinprobe! Die gibt es auch, zusammen mit einem deftigen Menü, einmal im Jahr in Jossa, einem Ortsteil der Gemeinde Sinntal im Main-Kinzig-Kreis. In dem bei Motorradfreaks jeden Alters äußerst beliebten Landgasthof sorgt Theobald dann für rockige Biker-Rhythmen. Aus dem Wirtshaus im Spessart wird dann ein Rockpalast. Theobald tritt natürlich auch auf, wenn es um Bier geht. Zum Beispiel bei der „Artbrau“ in Heilbronn, einer Craftbeer-Messe, bei der rund 20 Aussteller ihre neuesten Kreationen vorstellen.

Bonfire zu einem halbrockenen Rotwein

Günther Röhm aus Veitshöchheim ließ diesen Fassboden anlässlich einer Pilgerreise nach Spanien schnitzen. Die beiden Kreise sollen sein Fahrrad symbolisieren, mit dem der 70-Jährige unterwegs war. Der heilige Jakobus ist dem Original des bekannten Holzschnitzers und Bildhauers Tilman Riemenschneider, das im Würzburger Museum am Dom ausgestellt ist, nachempfunden. - Foto: Heinz A. Theobald

Günther Röhm aus Veitshöchheim ließ diesen Fassboden anlässlich einer Pilgerreise nach Spanien schnitzen. Die beiden Kreise sollen sein Fahrrad symbolisieren, mit dem der 70-Jährige unterwegs war. Der heilige Jakobus ist dem Original des bekannten Holzschnitzers und Bildhauers Tilman Riemenschneider, das im Würzburger Museum am Dom ausgestellt ist, nachempfunden. – Foto: Heinz A. Theobald

„Für jede Wein- und jede Biersorte habe ich eine eigene Musikzusammenstellung“, sagt Theobald. „Ein lieblicher Wein braucht zarte, ein kräftiger ‚Roter‘ härtere, ausgeflippte Musik.“ Einige Beispiele: Zu einem milden Rosé passen sanfte Lieder wie ‚Every Rose has it´s thorn‘ von Poison, zu einem trockenen Roten ‚Born to be Wild‘ von Steppenwolf oder ‚Ace of Spades‘ von Motörhead. Für einen halbtrockenen Rotwein empfiehlt der Mann mit dem kleinen grauen Bärtchen und dem lichten Haupthaar beispielsweise ‚You make me Feel‘ der Ingolstädter Kultband Bonfire.

Bei Bieren verhält es sich ähnlich. ‚Tequila Sunrise‘ von den Eagles passt besser zu einem India Pale Ale als ‚Paranoid‘ von Black Sabbath. Für diese Nummer ist ein stärkeres Kellerbier besser geeignet. Oder wer ein braun-schwarzes Craftbeer mit Schoko-Kaffee-Aromen trinkt, der genießt den Geschmack am besten bei ‚Brown Sugar‘ von den Stones oder ‚Back in Black‘ von AC/DC. Heinz A. Theobald hat da seine eigenen Gedankengänge (diese sind mittlerweile auch wissenschaftlich untermauert). Und jede Menge Titel („Ich könnte vier Monate lang Tag und Nacht Musik hören ohne einen Titel zweimal zu spielen“), auf die er schnell und unkompliziert zurückgreifen kann – insgesamt einige Tausend. Nicht zu seinem Fundus gehört allerdings ‚Knock on wood‘ in der Originalfassung von Eddy Floyd aus dem Jahr 1967. Denn der Titel würde ja wie die Faust auf’s Auge passen. Und warum nicht? Theobald erklärt: „Weil das ein Soulstück ist, und kein Rocksong.“ So einfach ist das. „Es sei denn man nimmt die Cover-Version von Eric Clapton.“

Mit Gefühlen und Emotionen spielen

Dies ist ein Wappen von den insgesamt 50 Fässern, die Heinz A. Theobald für den Würzburger Hofkeller angefertigt hat. - Foto: Heinz A. Theobald

Dies ist ein Wappen von den insgesamt 50 Fässern, die Heinz A. Theobald für den Würzburger Hofkeller angefertigt hat. – Foto: Heinz A. Theobald

Theobalds Philosophie lautet: „Man muss mit Gefühlen und Emotionen spielen, und das kann Musik ganz hervorragend. Ein italienischer Wein, in einem kleinen Café an der Strandpromenade genossen, in dem man italienische Musik und Stimmen hört, schmeckt ganz anders als wenn man den gleichen Wein auf dem Sofa zuhause trinkt.“ Gemeint ist damit die Tatsache, dass man Wein oder Bier besser genießen kann, wenn die passende Musik dazu gespielt wird. Und er selbst bei seiner Schaffenskraft musikalisch unterstützt wird.

Jeder mag darüber denken wie er will. Auf jeden Fall geben ihm die Erfolge, die Heinz A. Theobald vorzuweisen hat, in jeder Hinsicht recht.

Gastro-Tipp

Landgasthof „Zum Jossgrund“, Spessartstraße 28, 36391 Sinntal-Jossa,Tel.: (06665) 254; E-Mail: Fzeller@t-online.de

Raushier-Reisemagazin

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