Diese Stadt ist ein Gesamtkunstwerk und an architektonischem Reichtum kaum zu überbieten! Ein einziges, ja einzigartiges, großes Freiluft-Museum mit einer Ansammlung außergewöhnlicher Bauwerke und bedeutender Baudenkmäler unterschiedlichster Stilepochen. Annähernd 4000 Gebäude stehen unter Denkmalschutz – schier unglaublich. Das Zentrum überzeugt in selten dagewesener Harmonie und Schönheit.
Eine 500-jährige Baugeschichte
Die Baugeschichte der Stadt erschöpft sich über 500 Jahre, ausgehend von der Spätgotik (1300-1550), über die Renaissance (ab 1400), Manierismus (1520-1600), Barock (1600-1770), Klassiszismus (1770-1840) bis hin zum Historismus (ab 1850) und Jugendstil (bis 1910). Mächtige Bürgerhäuser, die gerade für diese Stadt bekannten Hallenhäuser, (farben)prächtig ausgestattete Fassaden, trutzige Türme und markante Wehranlagen, langgezogene, breite Straßenzüge und enge Gassen mit ansehnlichen Häuserreihen, großflächige Plätze sowie eine über dem Neißetal thronende, wuchtige Kirche, die Pfarrkirche St. Peter und Paul (kurz Peterskirche genannt).
Diese baulichen Ingredienzen prägen das Stadtbild und machen ihre Silhouette so einzigartig. Nicht wenige Menschen, die sich mit Architektur auskennen, bezeichnen Görlitz, denn um diese Stadt, übrigens die östlichste der Bundesrepublik, geht es, als die schönste Stadt Deutschlands! Und sprechen von der anmutigsten und charaktervollsten Provinzstadt im Land der Dichter und Denker sowie von einer der besterhaltenen Altstädte Mitteleuropas.
Hallenhäuser sind eine Besonderheit
Hier einige wenige Beispiele aus der gigantischen Vielfalt dieser Stadt: der Schönhof, der als ältester datierter Renaissance-Profanbau nördlich der Alpen gilt. Heute befindet sich dort das Schlesische Museum; früher wurde der Prachtbau häufig als Herberge für offizielle Gäste der Stadt genutzt.
Und: in der historischen Altstadt erheben sich herausragende Einzelbauwerke, zirka 35 Hallenhäuser, die den ehemaligen Reichtum der Görlitzer aufblitzen lassen. In der Renaissance errichtet, sind sie bis zum heutigen Tag fast unverändert erhalten und nur so in Görlitz erhalten. Charakteristisch für diese Häuser sind weit ausladende Eingangshallen mit Durchfahrten zum Hof und breiten Treppen in die großen Zentralhallen. Hallenhäuser dienten Görlitzer Händlern und deren Familien als Wirtschaftsraum und Wohnhaus.
Reich dekorierte Treppenhäuser
In den Aufgängen vieler Bürgerhäuser finden sich reich dekorierte Flure und Treppenhäuser, glanzvolle und pompöse Geländer, Holztäfelungen, Wände, die mit Stoffen bespannt sind, und Kuppeln, aus deren oberem Ende das Tageslicht einfällt. Stuckdecken, alte Türen mit ziselierten Beschlägen und oft uralte Öfen aus Porzellan geben solchen Gebäuden das besondere Extra.
Ein malerisches Bild geben die Wohngebäude in der Nikolaivorstadt (Nikolai ist der Schutzheilige der Kaufleute) ab, dem ältesten aller Görlitzer Stadtteile. Dort reiht sich Haus an Haus aneinander; die Straßen verlaufen eher kurvig als gerade und prägen somit das Bild in diesem gemütlichen Stadtviertel.
Straßenzüge verbreiten viel Glanz
Auch zwei Straßen erheben den Anspruch, unbedingt entdeckt werden zu müssen. Die Brüderstraße gehört zur historischen Innenstadt und weist zahlreiche Gebäude aus der Renaissance auf, unter anderem den oben genannten Schönhof. Und die Augustastraße, die den Bahnhof mit dem Zentrum verbindet, verbreitet den Glanz aus der Gründerzeit des 19. Jahrhunderts. Die Mietshäuser wirken villenhaft, weil Vorgärten und Balkone das Ambiente eines Villenviertels haben.
Das Herz von Görlitz schlägt, wie sollte es anders ein, im Zentrum. Der Untermarkt mit dem Rathaus und dem Neptunbrunnen ist der bedeutendste Platz der Altstadt; dort wohnten einst die reichsten Kaufleute der Stadt. Mit einer Ost-West-Ausdehnung von 250 Metern ist der Obermarkt aber die größte freie Stätte; er ist das Tor zur Altstadt.
Das Heilige Grab
Zu den wichtigsten Sehenswürdigkeit zählt das Heilige Grab. Die Anlage mit Grabkapelle, Kreuzkapelle und Salbhaus wurde 1504 vollendet und ist Bestandteil einer der ersten symbolischen Landschaftsgärten in Deutschland. Die Grabkapelle ist eine originalgetreue Kopie der hochmittelalterlichen Begräbnisstätte Christi in Jerusalem.
Beherrscht wird die Altstadt von der Peterskirche, die durch ihr kupfergedecktes Hochdach und das weithin sichtbare Turmpaar von fast überall aus zu sehen ist. Eine Besonderheit befindet sich im Inneren des Gotteshauses – die Sonnenorgel. Der Prospekt, also das äußere Erscheinungsbild einer Orgel, ist nämlich mit 17 Sonnen an den Orgelpfeifen versehen.
Tuchmacher brachten den Wohlstand
1071 wurde Görlitz erstmals erwähnt, als „villa gorelic“. Das Dorf entwickelte sich immer mehr zur Stadt; dieses Recht wurde 1303 verliehen. Schon früh im 13. Jahrhundert ließen sich Tuchmacher hier nieder und brachten der Stadt einen gewissen Wohlstand. Der Reichtum konnte erhalten und sogar noch ausgebaut werden durch das Waidstapelrecht – Waid war das wichtigste Färbemittel zu dieser Zeit. 1816 wurde die erste Tuchfabrik eröffnet. Tuch aus Görlitz war in ganz Europa eine begehrte Ware, weil der Qualitätsstandard einfach stimmte. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wurde die Tradition der Tuchproduktion fortgesetzt. Natürlich war Görlitz auch durch seine Lage unmittelbar an der Via Regia, wahrscheinlich der wichtigsten europäischen Handelsstraße in Ost-West-Richtung des Mittelalters, bevorzugt.
Als dann die Eisenbahn als Beförderungsmittel die tragende Rolle spielte, eröffneten sich für die Görlitzer Textilwirtschaft noch größere Möglichkeiten, ihre Produkte in ganz Europa an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Die Einwohnerzahl stieg stark und kontinuierlich, von 10 000 im Jahr 1800 auf 86 000 im Jahr 1910. Eine Tuchfabrik nach der anderen entstand. Produziert wurde 1a-Qualität. Görlitz war im 19. Jahrhundert die reichste Stadt Deutschlands.
Wo es Höhen gibt, gibt es auch Tiefen
Aber wo es Höhen gibt, gibt es auch Tiefschläge. Diese trafen die Produktionsstätten richtig heftig. Und zwar, als einfarbige Stoffe, auf die Görlitz spezialisiert war, aus der Mode kamen und von gemusterter Ware abgelöst wurden. So schnell konnten die Betriebe gar nicht reagieren – bis sie sich versahen, waren die Schwierigkeiten offensichtlich und zu allem Überfluss vernichtete der Beginn des Ersten Weltkrieges alle Hoffnungen auf Besserung. Zunächst konnten aber viele Betriebe überleben, weil vor allem Uniformen gebraucht wurden. Da aber die Verkehrswege, über die die Rohprodukte in die Stadt gelangten, nur noch unzulänglich oder gar nicht mehr genutzt werden konnten, brach die Textilproduktion in Görlitz komplett zusammen.
Nach Kriegsende rappelten sich die Betriebe wieder auf, die Arbeiterzahl stieg schnell um das Dreifache. Die Einwohnerzahl kletterte bis 1930 auf etwa 95 000. Der Zweite Weltkrieg natürlich war der nächste Schock für Görlitz. 1945 lebten nur noch 31 000 Menschen hier; die Bevölkerung wuchs allerdings in den nächsten vier Jahren auf über 100 000 Einwohner – als Folge der Vertreibungen im Osten. Heute zählt die Stadt zirka 56 000 Bewohner. Doch hatte der Krieg auch etwas Gutes: Die Stadt wurde zwar 1945 in einen polnischen (Zgorzelec) und einen deutschen Teil getrennt und alle Brücken über die Neiße gesprengt, aber sie blieb vom Bombenhagel weitestgehend verschont.
Mit Beginn der DDR wurden dann die meisten Tuchfabrikanten enteignet und die Fabriken in volkseigene Betriebe umgewandelt. Die hergestellten Tuchwaren bleiben sowohl im Osten als auch im Westen eine begehrte Ware. Nach der Wende 1989 und der Umorientierung auf den billigen asiatischen Markt ging nichts mehr. Das letzte Werk schloss im Jahr 2005 seine Tore für immer.
Ein Segen war die Wende allerdings für die historische Bausubstanz, die immer mehr dem Verfall preisgegeben wurde. Der Westen unterstützte Sanierung und Restaurierung, und ein bis heute anonymer Spender tat das Seinige dazu und förderte diese Arbeiten zwischen den Jahren 1995 bis 2016 mit Millionenbeträgen.
„Görliwood“ zieht Filmschaffende an
Und weil Görlitz eine der intaktesten geschichtsträchtigen Innenstädte Europas hat, macht sich dies auch die Filmindustrie zu eigen. Als „Görliwood“ ist die Stadt an der Neiße regelmäßiger Drehort nationaler und internationaler Produktionen. Die Filmschaffenden bevorzugten die Kulisse, im Übrigen auch schon zu DDR-DEFA-Zeiten, weil die Szenerie überaus authentisch ist, der historischen Einzigartigkeit der Architektur wegen und auch deshalb, weil es keine Bausünden oder Leuchtreklamen gibt. Großes Kino!
Informationen: Görlitz-Information & Tourist-Service, Obermarkt 32 (Postanschrift: Fleischerstr. 19), D-02826 Görlitz, Tel.: (03581) 4 75 70; Internet: www.goerlitz.de; E-Mail: willkommen@europastadt-goerlitz.de