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Görlitz: Ein einzigartiges Freiluft-Museum

Diese Stadt ist ein Gesamtkunstwerk und an architektonischem Reichtum kaum zu überbieten! Ein einziges, ja einzigartiges, großes Freiluft-Museum mit einer Ansammlung außergewöhnlicher Bauwerke und bedeutender Baudenkmäler unterschiedlichster Stilepochen. Annähernd 4000 Gebäude stehen unter Denkmalschutz – schier unglaublich. Das Zentrum überzeugt in selten dagewesener Harmonie und Schönheit.

Eine 500-jährige Baugeschichte

Der Görlitzer Untermarkt ist der zentrale Ort in der Altstadt. Der Platz ist durch die mittige Bebauung in einen nördlichen und einen südlichen Teil getrennt. Der Neptunbrunnen (im Vordergrund) befindet sich an der Stelle eines historischen Röhrkastens (eine Art Brunnen) und wurde 1756 fertiggestellt. Die Alte Waage und mehrere Bürgerhäuser, die sogenannte Zeile, teilen den Untermarkt hinter dem Brunnen in zwei Teile. In der Enge der Stadt wurden schon vor 400 Jahren fünf Etagen hohe Wohnhäuser erbaut. – Foto: Dieter Warnick

Der Görlitzer Untermarkt ist der zentrale Ort in der Altstadt. Der Platz ist durch die mittige Bebauung in einen nördlichen und einen südlichen Teil getrennt. Der Neptunbrunnen (im Vordergrund) befindet sich an der Stelle eines historischen Röhrkastens (eine Art Brunnen) und wurde 1756 fertiggestellt. Die Alte Waage und mehrere Bürgerhäuser, die sogenannte Zeile, teilen den Untermarkt hinter dem Brunnen in zwei Teile. In der Enge der Stadt wurden schon vor 400 Jahren fünf Etagen hohe Wohnhäuser erbaut. – Foto: Dieter Warnick

Die Baugeschichte der Stadt erschöpft sich über 500 Jahre, ausgehend von der Spätgotik (1300-1550), über die Renaissance (ab 1400), Manierismus (1520-1600), Barock (1600-1770), Klassiszismus (1770-1840) bis hin zum Historismus (ab 1850) und Jugendstil (bis 1910). Mächtige Bürgerhäuser, die gerade für diese Stadt bekannten Hallenhäuser, (farben)prächtig ausgestattete Fassaden, trutzige Türme und markante Wehranlagen, langgezogene, breite Straßenzüge und enge Gassen mit ansehnlichen Häuserreihen, großflächige Plätze sowie eine über dem Neißetal thronende, wuchtige Kirche, die Pfarrkirche St. Peter und Paul (kurz Peterskirche genannt).

Diese baulichen Ingredienzen prägen das Stadtbild und machen ihre Silhouette so einzigartig. Nicht wenige Menschen, die sich mit Architektur auskennen, bezeichnen Görlitz, denn um diese Stadt, übrigens die östlichste der Bundesrepublik, geht es, als die schönste Stadt Deutschlands! Und sprechen von der anmutigsten und charaktervollsten Provinzstadt im Land der Dichter und Denker sowie von einer der besterhaltenen Altstädte Mitteleuropas.

Hallenhäuser sind eine Besonderheit

Das Schlesische Museum wurde am 13. Mai 2006 in einem architektonisch neu komponierten Komplex eröffnet, der vier historische Gebäude zusammenfasst: den Schönhof, das Mittelhaus, das Gebäude am Fischmarkt, die beide aus dem Jahr 1832 stammen, sowie das Hallenhaus am Untermarkt 4. – Foto: Dieter Warnick

Das Schlesische Museum wurde am 13. Mai 2006 in einem architektonisch neu komponierten Komplex eröffnet, der vier historische Gebäude zusammenfasst: den Schönhof, das Mittelhaus, das Gebäude am Fischmarkt, die beide aus dem Jahr 1832 stammen, sowie das Hallenhaus am Untermarkt 4. – Foto: Dieter Warnick

Hier einige wenige Beispiele aus der gigantischen Vielfalt dieser Stadt: der Schönhof, der als ältester datierter Renaissance-Profanbau nördlich der Alpen gilt. Heute befindet sich dort das Schlesische Museum; früher wurde der Prachtbau häufig als Herberge für offizielle Gäste der Stadt genutzt.

Und: in der historischen Altstadt erheben sich herausragende Einzelbauwerke, zirka 35 Hallenhäuser, die den ehemaligen Reichtum der Görlitzer aufblitzen lassen. In der Renaissance errichtet, sind sie bis zum heutigen Tag fast unverändert erhalten und nur so in Görlitz erhalten. Charakteristisch für diese Häuser sind weit ausladende Eingangshallen mit Durchfahrten zum Hof und breiten Treppen in die großen Zentralhallen. Hallenhäuser dienten Görlitzer Händlern und deren Familien als Wirtschaftsraum und Wohnhaus.

Reich dekorierte Treppenhäuser

Dieses Gebäude am Untermarkt Nummer 13 stammt aus dem 18. Jahrhundert und ist ein sehenswerter, fünfgeschossiger Barockbau. In ihm befinden sich Wohnungen und ein gastronomischer Betrieb. Auffällig sind die Lisenen (Mauerblenden) mit Kapitellen (obere Abschlüsse einer Säule), der geschwungene Balkon, der auf einer Konsole (Wandvorspung) steht und ein flaches Relief mit Handelsdarstellungen. – Foto: Dieter Warnick

Dieses Gebäude am Untermarkt Nummer 13 stammt aus dem 18. Jahrhundert und ist ein sehenswerter, fünfgeschossiger Barockbau. In ihm befinden sich Wohnungen und ein gastronomischer Betrieb. Auffällig sind die Lisenen (Mauerblenden) mit Kapitellen (obere Abschlüsse einer Säule), der geschwungene Balkon, der auf einer Konsole (Wandvorspung) steht und ein flaches Relief mit Handelsdarstellungen. – Foto: Dieter Warnick

In den Aufgängen vieler Bürgerhäuser finden sich reich dekorierte Flure und Treppenhäuser, glanzvolle und pompöse Geländer, Holztäfelungen, Wände, die mit Stoffen bespannt sind, und Kuppeln, aus deren oberem Ende das Tageslicht einfällt. Stuckdecken, alte Türen mit ziselierten Beschlägen und oft uralte Öfen aus Porzellan geben solchen Gebäuden das besondere Extra.

Das Neue Rathaus stellte der Architekt Jürgen Kröger im Stil der Neorenaissance im Jahr 1903 fertig. – Foto: Dieter Warnick

Das Neue Rathaus stellte der Architekt Jürgen Kröger im Stil der Neorenaissance im Jahr 1903 fertig. – Foto: Dieter Warnick

Ein malerisches Bild geben die Wohngebäude in der Nikolaivorstadt (Nikolai ist der Schutzheilige der Kaufleute) ab, dem ältesten aller Görlitzer Stadtteile. Dort reiht sich Haus an Haus aneinander; die Straßen verlaufen eher kurvig als gerade und prägen somit das Bild in diesem gemütlichen Stadtviertel.

Straßenzüge verbreiten viel Glanz

Die Pfarrkirche St. Peter und Paul, kurz Peterskirche genannt, thront über dem Neißetal und beherrscht durch das weithin sichtbare Turmpaar die historische Altstadt. – Foto: Dieter Warnick

Die Pfarrkirche St. Peter und Paul, kurz Peterskirche genannt, thront über dem Neißetal und beherrscht durch das weithin sichtbare Turmpaar die historische Altstadt. – Foto: Dieter Warnick

Auch zwei Straßen erheben den Anspruch, unbedingt entdeckt werden zu müssen. Die Brüderstraße gehört zur historischen Innenstadt und weist zahlreiche Gebäude aus der Renaissance auf, unter anderem den oben genannten Schönhof. Und die Augustastraße, die den Bahnhof mit dem Zentrum verbindet, verbreitet den Glanz aus der Gründerzeit des 19. Jahrhunderts. Die Mietshäuser wirken villenhaft, weil Vorgärten und Balkone das Ambiente eines Villenviertels haben.

Das Herz von Görlitz schlägt, wie sollte es anders ein, im Zentrum. Der Untermarkt mit dem Rathaus und dem Neptunbrunnen ist der bedeutendste Platz der Altstadt; dort wohnten einst die reichsten Kaufleute der Stadt. Mit einer Ost-West-Ausdehnung von 250 Metern ist der Obermarkt aber die größte freie Stätte; er ist das Tor zur Altstadt.

Das Heilige Grab

Das Hotel Börse (rechts) steht in der berühmten „Zeile“ mitten auf dem sagenumwobenen Untermarkt. Bereits im 14. Jahrhundert ist hier ein Markthaus erwähnt, das 1706 abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt wurde. – Foto: Dieter Warnick

Das Hotel Börse (rechts) steht in der berühmten „Zeile“ mitten auf dem sagenumwobenen Untermarkt. Bereits im 14. Jahrhundert ist hier ein Markthaus erwähnt, das 1706 abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt wurde. – Foto: Dieter Warnick

Zu den wichtigsten Sehenswürdigkeit zählt das Heilige Grab. Die Anlage mit Grabkapelle, Kreuzkapelle und Salbhaus wurde 1504 vollendet und ist Bestandteil einer der ersten symbolischen Landschaftsgärten in Deutschland. Die Grabkapelle ist eine originalgetreue Kopie der hochmittelalterlichen Begräbnisstätte Christi in Jerusalem.

Beherrscht wird die Altstadt von der Peterskirche, die durch ihr kupfergedecktes Hochdach und das weithin sichtbare Turmpaar von fast überall aus zu sehen ist. Eine Besonderheit befindet sich im Inneren des Gotteshauses – die Sonnenorgel. Der Prospekt, also das äußere Erscheinungsbild einer Orgel, ist nämlich mit 17 Sonnen an den Orgelpfeifen versehen.

Tuchmacher brachten den Wohlstand

Der 45 Meter hohe Nikolaiturm ist Teil der ehemaligen Stadtbefestigung. Er befindet sich im ältesten Teil der Stadt und grenzt direkt an die Nikolaivorstadt. Zusammen mit dem Dicken Turm und dem Reichenbacher Turm sind drei der vier Wehrtürme von Görlitz erhalten. – Foto: Dieter Warnick

Der 45 Meter hohe Nikolaiturm ist Teil der ehemaligen Stadtbefestigung. Er befindet sich im ältesten Teil der Stadt und grenzt direkt an die Nikolaivorstadt. Zusammen mit dem Dicken Turm und dem Reichenbacher Turm sind drei der vier Wehrtürme von Görlitz erhalten. – Foto: Dieter Warnick

1071 wurde Görlitz erstmals erwähnt, als „villa gorelic“. Das Dorf entwickelte sich immer mehr zur Stadt; dieses Recht wurde 1303 verliehen. Schon früh im 13. Jahrhundert ließen sich Tuchmacher hier nieder und brachten der Stadt einen gewissen Wohlstand. Der Reichtum konnte erhalten und sogar noch ausgebaut werden durch das Waidstapelrecht – Waid war das wichtigste Färbemittel zu dieser Zeit. 1816 wurde die erste Tuchfabrik eröffnet. Tuch aus Görlitz war in ganz Europa eine begehrte Ware, weil der Qualitätsstandard einfach stimmte. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wurde die Tradition der Tuchproduktion fortgesetzt. Natürlich war Görlitz auch durch seine Lage unmittelbar an der Via Regia, wahrscheinlich der wichtigsten europäischen Handelsstraße in Ost-West-Richtung des Mittelalters, bevorzugt.

Kunst oder nur Dekor? Foto: Dieter Warnick

Kunst oder nur Dekor? Foto: Dieter Warnick

Als dann die Eisenbahn als Beförderungsmittel die tragende Rolle spielte, eröffneten sich für die Görlitzer Textilwirtschaft noch größere Möglichkeiten, ihre Produkte in ganz Europa an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Die Einwohnerzahl stieg stark und kontinuierlich, von 10 000 im Jahr 1800 auf 86 000 im Jahr 1910. Eine Tuchfabrik nach der anderen entstand. Produziert wurde 1a-Qualität. Görlitz war im 19. Jahrhundert die reichste Stadt Deutschlands.

Wo es Höhen gibt, gibt es auch Tiefen

Das Alte Rathaus ist seit etwa 1350 Ort der städtischen Verwaltung. Der Rathausturm wurde Anfang des 16. Jahrhunderts aufgestockt. – Foto: Dieter Warnick

Das Alte Rathaus ist seit etwa 1350 Ort der städtischen Verwaltung. Der Rathausturm wurde Anfang des 16. Jahrhunderts aufgestockt. – Foto: Dieter Warnick

Aber wo es Höhen gibt, gibt es auch Tiefschläge. Diese trafen die Produktionsstätten richtig heftig. Und zwar, als einfarbige Stoffe, auf die Görlitz spezialisiert war, aus der Mode kamen und von gemusterter Ware abgelöst wurden. So schnell konnten die Betriebe gar nicht reagieren – bis sie sich versahen, waren die Schwierigkeiten offensichtlich und zu allem Überfluss vernichtete der Beginn des Ersten Weltkrieges alle Hoffnungen auf Besserung. Zunächst konnten aber viele Betriebe überleben, weil vor allem Uniformen gebraucht wurden. Da aber die Verkehrswege, über die die Rohprodukte in die Stadt gelangten, nur noch unzulänglich oder gar nicht mehr genutzt werden konnten, brach die Textilproduktion in Görlitz komplett zusammen.

Stattliche Häuser am Obermarkt. – Foto: Dieter Warnick

Stattliche Häuser am Obermarkt. – Foto: Dieter Warnick

Nach Kriegsende rappelten sich die Betriebe wieder auf, die Arbeiterzahl stieg schnell um das Dreifache. Die Einwohnerzahl kletterte bis 1930 auf etwa 95 000. Der Zweite Weltkrieg natürlich war der nächste Schock für Görlitz. 1945 lebten nur noch 31 000 Menschen hier; die Bevölkerung wuchs allerdings in den nächsten vier Jahren auf über 100 000 Einwohner – als Folge der Vertreibungen im Osten. Heute zählt die Stadt zirka 56 000 Bewohner. Doch hatte der Krieg auch etwas Gutes: Die Stadt wurde zwar 1945 in einen polnischen (Zgorzelec) und einen deutschen Teil getrennt und alle Brücken über die Neiße gesprengt, aber sie blieb vom Bombenhagel weitestgehend verschont.

Diese junge Dame ziert die Hausfront eines alten Bürgerhauses. – Foto: Dieter Warnick

Diese junge Dame ziert die Hausfront eines alten Bürgerhauses. – Foto: Dieter Warnick

Mit Beginn der DDR wurden dann die meisten Tuchfabrikanten enteignet und die Fabriken in volkseigene Betriebe umgewandelt. Die hergestellten Tuchwaren bleiben sowohl im Osten als auch im Westen eine begehrte Ware. Nach der Wende 1989 und der Umorientierung auf den billigen asiatischen Markt ging nichts mehr. Das letzte Werk schloss im Jahr 2005 seine Tore für immer.

Ein Segen war die Wende allerdings für die historische Bausubstanz, die immer mehr dem Verfall preisgegeben wurde. Der Westen unterstützte Sanierung und Restaurierung, und ein bis heute anonymer Spender tat das Seinige dazu und förderte diese Arbeiten zwischen den Jahren 1995 bis 2016 mit Millionenbeträgen.

„Görliwood“ zieht Filmschaffende an

Vor dem Cafe 1900 am Obermarkt wartet diese Frau aus dem 19. Jahrhundert darauf, bedient zu werden. – Foto: Dieter Warnick

Vor dem Cafe 1900 am Obermarkt wartet diese Frau aus dem 19. Jahrhundert darauf, bedient zu werden. – Foto: Dieter Warnick

Und weil Görlitz eine der intaktesten geschichtsträchtigen Innenstädte Europas hat, macht sich dies auch die Filmindustrie zu eigen. Als „Görliwood“ ist die Stadt an der Neiße regelmäßiger Drehort nationaler und internationaler Produktionen. Die Filmschaffenden bevorzugten die Kulisse, im Übrigen auch schon zu DDR-DEFA-Zeiten, weil die Szenerie überaus authentisch ist, der historischen Einzigartigkeit der Architektur wegen und auch deshalb, weil es keine Bausünden oder Leuchtreklamen gibt. Großes Kino!

Informationen: Görlitz-Information & Tourist-Service, Obermarkt 32 (Postanschrift: Fleischerstr. 19), D-02826 Görlitz, Tel.: (03581) 4 75 70; Internet: www.goerlitz.de; E-Mail: willkommen@europastadt-goerlitz.de

Raushier-Reisemagazin

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