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Biella: Edel shoppen und genussvoll wandern

Darf es ein superzarter Kaschmirschal von Piacenza sein? Statt für 350 Euro für weniger als die Hälfte zu haben. Oder ein Anzug aus feinstem Tuch vom Herrenausstatter Ermenegildo Zegna? Inklusive Weste und fachmännischer Beratung für nur 650 Euro.

La-Perla-Artikel zu vernünftigen Preisen? In einem der zahlreichen Outlet-Stores in Biella ist das jederzeit möglich

La-Perla-Artikel zu vernünftigen Preisen? In einem der zahlreichen Outlet-Stores in Biella ist das jederzeit möglich

Oder ein elegantes, weißes Leinenkostüm von La Perla? Oder doch das schicke Ledertäschchen von Gucci…?

Wer die Wahl hat, hat die Qual

Gucci, Cerruti, Armani  – wie Perlen reihen sich diese klingende Namen an den Zufahrtstraßen der italienischen Provinzstadt Biella aneinander. Mindestens 50 Outlet-Stores italienischer Modeproduzenten bieten in dem kleinen Ort im nördlichen Piemont ihre exklusive Ware zu Fabrikpreisen an.

Zentrum der Textilindustrie

Und das hat seinen Grund: Biella ist seit mehr als 250 Jahren ein Zentrum der italienischen Textilindustrie. Allerfeinste Kaschmirwolle aus der Mongolei, Seide aus China oder Vicuna-Wolle aus Südamerika werden in Biellas Fabriken zu Stoffen höchster Qualität verwoben und zu Designern in aller Welt verschickt. Oder an Ort und Stelle zu exklusiver Herren- und Damenmode weiterverarbeitet und in den Fabrikshops angeboten – das touristisch wenig bekannte Biella ist ein Paradies für Schnäppchenjäger und darüber hinaus ein interessanter Ort, um mehr über die Kulturgeschichte der Textilverarbeitung zu erfahren.

Mit den Hirten fing es an

Eine der wichtigsten Wallfahrtsstätten in den Alpen ist das Sanctuario d`Oropa

Eine der wichtigsten Wallfahrtsstätten in den Alpen ist das Sanctuario d`Oropa

Es waren Hirten, die in dieser überwiegend gebirgigen und sehr grünen Region einst mit der Weiterverarbeitung ihrer Wolle begannen und vielleicht schon die natürlichen Vorzüge der Gegend für die Textilproduktion erkannten: den  Reichtum an Wasser, an besonders kalk- und mineralarmen Wasser, das in Biella aus fünf wildromantischen Tälern zusammenfließt. Es beschert dem Ort nicht nur das – angeblich – bekömmlichste Mineralwasser Europas, sondern der heimischen Textilindustrie bis heute einen Qualitätsvorsprung gegenüber ihren vielen Konkurrenten.

Der Aufstieg begann im 18. Jahrhundert

Der Aufstieg des Ortes zu einem Zentrum der Textilproduktion begann Anfang des 18. Jahrhunderts, als die Unternehmerfamilien  Ambrosetti und Piacenza begannen, Webstoffe in Heimarbeit herstellen zu lassen. Mit dem Aufkommen der mechanischen Webstühle entstanden im 19. Jahrhundert fünfstöckige Fabriken mit bis zu 1000 Arbeitern, die Biella zum „Manchester Italiens“ machten und Arbeitskräfte aus dem ganzen Land anzogen.

Heute wird feinste Ware produziert

Die Bekleidungsfirma Piacenza nimmt strenge Qualitätskontrollen vor.

Die Bekleidungsfirma Piacenza nimmt strenge Qualitätskontrollen vor.

Diese Hoch-Zeit der textilen Massenproduktion ist vorbei, heute wird weniger, dafür umso feinere Ware produziert. Doch immer noch spielt die Textilproduktion eine große Rolle im Wirtschaftleben der 50 000-Einwohner-Stadt und immer noch prägen die alten Industriedenkmäler die Ansicht des Ortes am wild tosenden Cervo-Fluss (Fluss der Arbeit). Viele der historischen Fabrikgebäude werden indes nicht mehr genutzt oder sie wurden umfunktioniert, wie die Cittadellarte, ein internationales Begegnungszentrum für junge Künstler. In Betrieb ist dagegen zum Beispiel noch das traditionsreiche Werk des Modeschöpfers Cerutti.

Ein Ort der Ruhe und der Muse ist der Klostergarten von Graglia

Ein Ort der Ruhe und der Muse ist der Klostergarten von Graglia

Wer sich genauer über diesen Teil der industriellen Revolution in Biella und Umgebung informieren möchte, dem bietet die örtliche Tourist-Information eine geführte Tour entlang der „Woll-Route“ an. Die Tour dauert anderthalb Stunden (mit dem Bus) und führt von Biella aus in einige der vielen, tief eingeschnittenen Täler in der Umgebung, die übersät sind mit Fabrikgebäuden aus dem 19. Jahrhundert. Weitere Stationen auf dieser Tour sind unter anderen das Textilmuseum Fabbrica della Ruota in Pray und die alten Arbeitersiedlungen in Tollegno und Vigliano, die die Textilfabrikanten bauen ließen, um die Arbeitskräfte mit günstigen Mieten an ihre Fabriken zu binden.

Prächtige Aussichten

Aber auch, wer nicht an diesem Thema interessiert ist, kommt in Biella und Umgebung auf seine Kosten. Der Ort selbst bietet in seiner Altstadt viele interessante Gebäude aus der Zeit der Renaissance und dem Barock und sogar noch einige Monumente aus romanischer Zeit. Zum höher gelegenen mittelalterlichen Stadtviertel „Del Piazzo“, indem der Adel Jahrhunderte lang seinen Sitz hatte, führt eine alte Standseilbahn („funicolare“). Sie erspart “Fußkranken” den steilen Aufstieg in die Oberstadt und bietet eine prächtige Aussicht auf die Stadt und in die umliegenden waldreichen Berge, die zu allen Aktivitäten in der Natur einladen.

15 Tages-Etappen zu Fuß

Ein Meister seines Fachs: Toma-Käse-Hersteller Enrico Rosso Baietto

Ein Meister seines Fachs: Toma-Käse-Hersteller Enrico Rosso Baietto

Ob zu Fuß, zu Pferde oder per Mountain-Bike – es gibt reichlich Möglichkeiten und viele 100 Kilometer an gut markierten Wegen, um die Berg- und Hügelwelt rund um Biella zu erkunden. Der große Biellese-Wanderweg (Grande Traversata del Biellese) führt zum Beispiel auf 15 Tages-Etappen an den meisten Sehenswürdigkeiten rund um Biella vorbei. Der größtenteils leicht zu gehende Weg streift unter anderem den von Textilunternehmern angelegten, großartigen Landschaftspark Burcina oberhalb der Stadt, einige der vielen mittelalterlichen Bergdörfer oder die zahllosen religiösen Wallfahrtsstätten, die die Region um Biella kennzeichnen. Zum Beispiel die schöne Wallfahrtskirche von Graglia mit ihrer achteckigen Kuppel  und dem stillen Klostergarten oder das Sanctuario d`Oropa, das mit Graglia durch einen aussichtsreichen Höhenweg verbunden ist.

Eine wichtige Wallfahrtsstätte

Was die Stoffherstellung betrifft, ist Piacenza eine Hochburg in Italien

Was die Stoffherstellung betrifft, ist Piacenza eine Hochburg in Italien

Mit 400 000 Besuchern pro Jahr ist das Sanctuario d`Oropa eine der wichtigsten Wallfahrtsstätten der Alpen. Sehenswert ist neben der Schwarzen Madonna, der das Heiligtum gewidmet ist, vor allem die Sammlung von Weihgaben in den Seitengängen der Klosters. Sie zeigt die tiefe Dankbarkeit und Verehrung gläubiger Christen gegenüber der Schwarzen Madonna, die laut Überlieferung im vierten Jahrhundert von Jerusalem nach Oropa gebracht worden sein soll. Wer mag, kann auch hier gleich sein Nachtlager aufschlagen. Das Kloster im Sanctuario bietet 350 moderne Zimmer, von der edlen Suite mit antiken Möbeln bis zu einfach ausgestatteten Mehrbett-Zimmern.

Hier, wie in jedem Restaurant, lohnt es sich ausgiebig zu schlemmen und die vielen regionalen Spezialitäten zu probieren, die ihren Ursprung in der einfachen Gebirgs- und Bauernküche des Piemont haben: zum Beispiel den Toma-Käse, der von der Milch einer nur hier vorkommenden Rinderasse hergestellt wird, die sich ausschließlich von den Gräsern und Kräutern auf den Almwiesen ernähren. Oder der „Ris an Cagnun“, ein Käserisotto, oder die „Capunet“, Kohlrouladen. Weinliebhaber sollten einen Besuch der Enoteca Regionale della Serra in der Burg von Roppolo nicht verpassen, wo in den Weinkellern aus dem 16. Jahrhundert ausgesuchte Weine aus dem Piemont und dem benachbarten Aosta-Tal lagern.

Abstecher nach Turin

Das tut gut: eine kleine Erfrischung im Klostergarten von Graglia

Das tut gut: eine kleine Erfrischung im Klostergarten von Graglia

Wem die Auswahl an Aktivitäten nicht ausreicht oder wer sich bei einem Regentag nach einer „richtigen“ Stadt sehnt, dem bietet sich noch ein Besuch der 75 Kilometer entfernten piemontesischen Hauptstadt Turin an: In der wunderschönen Barockstadt an den Flüssen Po und Dora kann man trockenen Fußes durch 18 Kilometer lange Arkadengänge schlendern, in wunderschönen alten Kaffeehäusern köstliche Bicerini trinken (ein Kaffee-Getränk mit flüssiger Schokolade) und beim Blick in die Auslagen der teuren Modegeschäfte sich über das eine oder andere Schnäppchen freuen, das man günstiger in Biella erstanden hat.

Informationen: ATL Biella (Agenzia di accoglienza e Promozione Turistica del Biellese), Piazza Vittorio Veneto, 3, I-13900 Biella, Tel.: (0039 015) 35 11 28; E-mail: info@atl.biella.it. – In Deutschland: ImaTur Italia Marketing Touristik Service GmbH, Hohenstaufenring 63, 50674 Köln, Tel. (0221) 921 34 30, E-mail: info@imatur.de

Fotos: Claudia Biehahn

Raushier-Reisemagazin