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Usedom: Ostsee-Badewanne mit verträumtem Hinterland

Das Kind mault anfangs: „An die Ostsee? Aber da regnet es doch auch im Sommer, Papa!“ Das Klischee hält sich hartnäckig. Dabei wissen Meteorologen: Die Insel Usedom ist der Flecken Erde in Deutschland mit den meisten Sonnenstunden im Jahr, auch wenn es im Breisgau insgesamt am wärmsten sein mag.

Einfach nur traumhaft: die Ahlbecker Seebrücke in der Morgendämmerung.

Einfach nur traumhaft: die Ahlbecker Seebrücke in der Morgendämmerung.

Das Wechselspiel von Sonne, Wind und Regen fasziniert dabei immer wieder aufs Neue. Innerhalb von nur wenigen Minuten ballen sich Wolkenberge zusammen, es wird frischer und manchmal auch etwas feucht – doch schon nach kurzer Zeit bricht das Grau des Himmels wieder auseinander und ein weiter blauer Himmel erstreckt sich über die Insel. Drückende, schwüle Hitze ist dieser Gegend ebenso fremd wie eisige Kälte, selbst der Winter kennt hier mehr milde als verfrorene Tage. Schaumkronensatte Wellen rollen an den endlos weiten Strand, das Dünengras neigt sich in der frischen klaren Luft, warm ist die Sonne, aber niemals brennend. Ein Wetter, ein wenig wie in Irland. Und das Kind jauchzt schon am zweiten Tag zufrieden, was wohl nicht nur mit dem Gelingen des Sandburgenbaus zu tun hat.

Schon Wilhelm II. mochte die langen Sandstrände

Benz ist eine Gemeinde im sogenannten Achterland; eines der Wahrzeichen ist die Holländerwindmühle.

Benz ist eine Gemeinde im sogenannten Achterland; eines der Wahrzeichen ist die Holländerwindmühle.

Die Reize von Usedom entdeckten schon vor über 100 Jahren die Berliner Großbürger, die, sprachlich salopp wie es der Hauptstädter nun mal mag, die Insel zur „Badewanne an der Ostsee“ erklärten. Und nicht nur die Untertanen wussten die Insel zu schätzen. Auch Wilhelm II. mochte die langen Sandstrände der Kaiserbäder von Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin und verbrachte dort bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs regelmäßig einen Teil des Sommers. Entdeckt für die Öffentlichkeit hatte die damals noch beschaulichen Fischerdörfer übrigens sein Großonkel und Vor-Vorgänger Friedrich Wilhelm IV, ganz zufällig bei einem Manöverausritt mit seinem Adjutanten. Friedrich Wilhelm, ein gleichermaßen melancholischer wie den kulinarischen Genüssen zugetaner Monarch, machte denn auch den vor der Küste gefangenen und auf eine spezielle Weise zubereiteten Hering populär. Die Nachwelt hat sich leider angewöhnt, ihn mit dem Namen des späteren Reichskanzlers Bismarck zu verbinden – wohl der bekanntere Preuße.

Hering, Hering, Hering

Ostseebad Zinowitz – Blick auf die Promenade.

Ostseebad Zinnowitz – Blick auf die Promenade.

Die Restaurants in den Badeorten entlang der Ostküste haben ihn so oder so auf der Speisekarte, entweder in der Semmel oder auch gern mit Bratkartoffeln und Grünen Bohnen mit Speck. Nach langen Strandspaziergängen und ausgiebigen Radtouren gibt es zumindest an der Ostsee nichts Leckereres, um die verbrauchten Kalorien wieder aufzufüllen. Doch aufgepasst: Die Seeluft macht extrem hungrig, gar mancher, der meinte sich im Urlaub trotz des dann üblichen Schlemmens genug bewegt zu haben, stellte nach der Rückkehr überrascht die Folgen auf der unerbittlichen Waage fest. Dafür wirkt das Wetter physiologisch auf gestresste Naturen in anderer Hinsicht geradezu therapeutisch: Man wird wesentlich schneller müde und schläft abends besser ein – zumindest ist das der einhellige Tenor der urlaubenden Bayern, Sachsen und Rheinländer.

: Karlshagen liegt zwischen Trassenheide und Peenemünde und hat einen sehenswerten Yachthafen.

: Karlshagen liegt zwischen Trassenheide und Peenemünde und hat einen sehenswerten Yachthafen.

Die ob ihrer klassisch-eleganten Bäderarchitektur reizenden drei Kaiserbäder und auch Zinnowitz, der Hauptort der Insel (früher war diese mal eine eigenständige Verwaltungseinheit, heute gehört sie zum Landkreis Greifswald) sind inzwischen touristisch sehr stark frequentiert. Die gebotene Qualität ist tadellos, die Preise sind es mittlerweile aber auch. Und wer nur in diesen vier Dörfern – eigentlich sind es Feriendomizile mit einheimischer Bevölkerung als Zugabe – bleibt, der findet sicher jede Menge Amüsement, aber nur bedingt Erholung.

Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein

Die Villa Staudt in Heringsdorf wurde 1873 erbaut; hier verweilte Kaiser Wilhelm II. zum Tee mit Konsulin Staudt. Heute sind dort Ferienwohnungen untergebracht.

Die Villa Staudt in Heringsdorf wurde 1873 erbaut; hier verweilte Kaiser Wilhelm II. zum Tee mit Konsulin Staudt. Heute sind dort Ferienwohnungen untergebracht.

Doch glücklicherweise gibt es auch noch andere Gegenden auf Usedom, einsamer, vor allem im Inselinneren. Hier scheint vielfach noch die Zeit seit der Wende stehengeblieben zu sein, die Dörfer, flache, geduckte Häuser inmitten weiter Getreidefelder und schier endloser Laubwaldalleen entlang der holprigen Straßen, blieben wohl nicht nur in der DDR, eher noch in der alten Junkerzeit gefangen zu sein. Hier ist Usedom typisch Pommern (bitte nicht Mecklenburg sagen, dies für Auswärtige!) und der Spruch des „ollen“ Bismarck findet Bestätigung, dass, ginge die Welt morgen unter, man in Pommern immer noch ein Jahr länger leben könne.

Die größte Schmetterlingsfarm Europas

Blick über den Strand von Ahlbeck und Heringsdorf.

Blick über den Strand von Ahlbeck und Heringsdorf.

Wer nicht nur baden oder Strandspaziergänge machen möchte, dem bietet sich etwa eine Schifffahrt auf dem Binnengewässer an, eine eigenwillige Wassermischung aus Süß- und Meerwasser, mit schilfgesäumten Ufern. In Trassenheide wiederum lockt die größte Schmetterlingsfarm Europas, ein exotischer Exkurs der sich lohnt. Technikbegeisterte kommen dagegen in Peenemünde auf ihre Kosten. Wo in den 1940er-Jahren die Nazis versuchten, durch den Bau der legendären Rakete V2 das Kriegsglück doch noch zu wenden, dockten später Honeckers Admirale an. Zu besichtigen sind dabei unter anderem Kriegsschiffe der DDR-Marine.

Weitere Informationen: Usedom Tourismus GmbH, Waldstraße 1, 17429 Seebad Bansin, Info-Tel: 038378 477110, Buchungen: 038378 49880.

Fotos: www.usedom.de/Andreas Dumke

Raushier-Reisemagazin