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Raushier-Glosse: Politisch korrekt reisen

Besonders für uns Deutsche waren Reiseziele schon immer ein Ausdruck gesellschaftspolitischen Bewusstseins – nur der Ignorant wählt eine Destination allein deshalb, weil die Sonne scheint und das Meer schön blau ist. Gelegentlich kam es da schon mal zu Widersprüchen, die zu erklären großes dialektisches Geschick erforderte.

Wohin soll die Reise gehen? Und das auch noch politisch korrekt. Foto: Florian Schiegl

Wohin soll die Reise gehen? Und das auch noch politisch korrekt. Foto: Florian Schiegl

Etwa wenn vor über 40 Jahren Jahren die „68er“ und andere progressive Linke Spaniens Küste favorisierten, obwohl im Hinterland noch der Faschist Franco sein Unwesen trieb. Aber grundsätzlich schafften es die Bundesbürger, Urlaubsort und Weltanschauung im Gleichklang zu halten.

Südafrika ging zum Beispiel gar nicht, weil es da weißen Rassismus gegen Schwarze gab. Gut, jetzt gibt es dort schwarzen Rassismus gegen Weiße, aber das ist natürlich etwas ganz anderes, eigentlich gar kein Rassismus, sondern nur aufgestaute berechtigte Unzufriedenheit, obwohl … – nein, das führt jetzt zu weit.

Schweden war natürlich ganz toll, von wegen Sozialstaat, Astrid Lindgren und pazifistisch-blockfrei. Am besten, man fuhr noch mit dem eigenen Volvo hin, weil Volvo, das war praktizierte Arbeitnehmerförderung, wohingegen BMW und Audi den knallharten Kapitalismus repräsentierten. Inzwischen gehört Volvo den Chinesen, die pfeifen auf Umweltschutz und betriebliche Mitbestimmung, und die soziale Realität in Schweden ähnelt immer weniger Bullerbü sondern den Krimis von Henning Mankell. Schwierig.

Gut, Italien, kann man eigentlich nichts falsch machen, sind wir ja auch seit Goethe darauf abonniert. Aber was, wenn da jetzt wieder Berlusconi regiert? Den Tourismus fördern unter einer linken Regierung Monti, ja, gerne, aber bei diesem rechten Populisten und Chauvinisten? Pech für den Eisverkäufer am Strand von Rimini, aber nein!

Leider verhalten sich immer mehr Länder in Europa so unkorrekt, dass wir sie kaum noch mit einem Besuch beehren können. England zum Beispiel, wollen einfach aus der EU austreten, so was kann man doch nicht auch noch mit einer Pauschalreise fördern! Oder Ungarn: Stimmt, schon schön am Balaton, aber jetzt werden dort die Zigeuner diskriminiert und die Schwulen! Bäh!

Obwohl – wenn der Klimawandel voranschreitet, dann sind angeblich bald Reisen in die Arktis möglich. Perfektes Ziel! Keine unterdrückten Minderheiten, keine Menschenrechtsverletzungen. Gut, wenn da bald Hinz und Kunz hinfährt, dann dürfte das den Klimawandel nicht unbedingt stoppen, von wegen Polkappenschmelze und so. Aber man muss sich als engagierter Bürger schließlich ein Bild von dem machen dürfen, was man später umso vehementer ablehnt. Da muss er durch, der Eisbär.

Raushier-Reisemagazin