Im Juli 2013 als bestes Reiseziel in Südamerika ausgezeichnet, mit einem neuen, beruhigenden Flughafen ausgestattet (die Landebahn ist jetzt die längste des Kontinents, sehr im Gegensatz zu den bisherigen Angstlandungs-Bedingungen) hat Quito, die höchste Hauptstadt der Welt, viel zu bieten: einen bunten Stadtkern, grandiose Aussicht vom Hausberg Pichincha, auf den eine angenehm langsame Gondelbahn hinaufführt – immerhin von 2800 auf 4200 Meter – und eine erlebnisreichen Umgebung: Die Hauptstadt von Ecuador hat ein ganz besonderes Flair.
Am Mittelpunkt der Welt
Die Nebelwaldexpeditionen, bei denen man an einem Seil hängend über die Baumwipfel saust; Äquatorbesuch zum Mittelpunkt der Welt, wo am 21. März und am 23. September die Sonne keinen Schatten wirft; Ausflüge zu fantastischen Haciendas der ehemaligen spanischen Grandes, Besetzer/Besitzer riesiger Gebiete, Erbauer protziger Landsitze mit wunderbaren Gärten. Oder zu „Schutzhütten“ (höher gelegene Haciendas), von denen aus man Wahrzeichen wie den Cotopaxi (Hals des Mondes) erreiten oder ersteigen kann.
Märkte – einheimische wie der Markt in Saquisili, touristischere wie der in Otavalo – lassen die Lebensart der Indigenous, der Indios, von denen viele noch Quechua sprechen, gut beobachten, an- und begreifen und man kann einkaufen, wie die Webarbeiten, die von Männern ausgeführt echte Kunstwerke sind.
Auch schmecken sollte man, wenn man ein Land kennen lernen will, die Vorlieben der Einheimischen. Nun ja. Zuckerrohrsaft, frisch gepresst, Früchte, frisch gemixt oder gleich geschält, auseinandergezupft, herausgepult oder geknackt: Wunderbar! In einer Vielfalt, die selbst Einheimische manchmal in Erklärungsnotstand bringt. Aber die Mahlzeiten!
Von Maispampe und Erdäpfelpampe
Jetzt spreche ich nicht von den Straßenverkäufen, wenn Ponchodamen mit den typischen Hüten Seltsames aus Kübeln und Schüsseln anbieten, wie gerösteten Mais und Catso, fermentierte Käfer (von mir als fermentierter Mais verstanden, daher objektiv gekostet und gar nicht so übel befunden) oder sonstiges Grünliches. Nein, es geht um Quitos Küche: Maispampe oder Erdäpfelpampe. Salsa drauf, damit es nach irgendetwas schmeckt, ein Stück totgebratenes Fleisch oder Fisch dazu, möglichst wenig Gemüse, das aber extrem knackig, immer eine Scheibe Avocado dazu, auch zu der kalten Suppe mit Shrimps und drübergebröseltem Popcorn (ohne Mais geht eben gar nichts).
Als Nachspeise und Gipfel der Genüsse gepriesen werden „Köstlichkeiten wie Milchreis und Feigen mit Käse gereicht und verzehrt“. So heißt es selbstbewusst in Reiseführern, doch es werden nicht auch, sondern immer Feigen mit Käse als Nachtisch empfohlen, Feigen in Melasse zu weichen Zuckerkugeln eingekocht, mit einigen Streifen einheimischem Käse ergänzt, Konsistenz und Geschmack einem neutralen Kaugummi ähnlich. Vielleicht ist man als Europäer zu verwöhnt, was ein Reisejournalist aus den USA bei kurzem Geplauder anklingen ließ: „Well, you are from Europe, what do you want?“
Gegrilltes Meerschweinchen
Doch es gibt noch eine Spezialität, die man gerne versäumen darf: gegrilltes Meerschweinchen. Das wird – immerhin fell- und innereienlos, allerdings auch gewürzlos – mit Kopf und Beinchen serviert. Die ledrige Haut mit darunterliegender Fettschicht umhüllt eine Miniportion Fleisch, das nach wenig schmeckt (außer man tut Salsa drauf). Dazu reicht man vielleicht eine andere Spezialität, Maispampe im Maisblatt, gewürzt mit Salsa, und das ganze – Sie erraten es – an Avocado.
Viel Marmor und ein Springbrunnengarten
Natürlich gibt es Ausnahmen, und man kann wunderbar speisen, wie im auch sonst wunderbaren Hotel Casa Gangotena, in dem schon das Frühstück für alles entschädigt, was man sonst im Laufe der Erkundungen in diesen kleinen, ach so originellen, ganz wirklich ganz, ganz urigen oder vornehmen Restaurants, diesen absoluten Geheimtipps vorgesetzt bekommt. Will man sich Quito gönnen, sollte man sich dieses Hotel gönnen, gleich neben der berühmten San Francisco Kirche gelegen, die auf den Mauern des Inkatempels von Atahualpa gebaut wurde.
Mit viel Marmor, Springbrunnengarten, eleganten Zimmern und besonders freundlichem Personal: ein wunderbares Zuhause nach dem Schreckensverkehr – niemals versuchen, selbst durch Quito zu fahren, kein Navi der Welt könnte helfen, diese 47 Kilometer lange Stadt mit ihren Bergen und Schluchten, Brücken und Baustellen, Steilstraßen und Schotterwegen und dem ständigen Verkehrsstau zu durchqueren. Sich im Casa Gangotena auszurasten, nach den vielen grandiosen, aber oft anstrengenden Abenteuern, die Quito zu bieten hat, fühlt sich vielleicht ein wenig dekadent an. Aber wunderbar. Wie auch das Essen, viel internationale Küche mit ein bisschen Quito. An Avocado.
Tipps für Ecuador: All das bietet zum Beispiel der offizielle Tourismus-Veranstalter Metropolitan Touring an, auch Ausflüge auf die Galapagos-Inseln, wo dieses Büro eine eigene Kreuzfahrtflotte unterhält. Nicht billig, aber gut organisiert. – www.metropolitan-touring.com
- Ein wirklich gutes Hotel, direkt am Hauptplatz San Francisco gelegen, mit fast schon dekadentem Luxus ist das Casa Gangotena, ein neu gebautes Haus mit Kolonialgeschichte: Viel Marmor, Springbrunnengarten, besonders freundliches und hilfreiches Personal, grandioses Frühstück. – www.casagangotena.com
- Ein berühmtes Restaurant, wo Kapuzenmenschen eisdampfumwölbte Nachspeisen bringen, die Speisekarte aber das Übliche enthält (siehe oben). – www.plazagrandequito.com
- Nicht weit davon steht das Alt-Spanische La Octava de Corpus mit einem farbenfrohen Innenhof mit Balkons auf mehreren Stockwerken. Auch dort kann man, wenn man unbedingt will, ecuadorianisch essen. – www.octavadecorpus.com
- Oder, wie schon der berühmte Mönch, der täglich seinen Alkoholspiegel erhöhte, indem er durch ein Fenster im deshalb so genannten „Hasta la vuelta, Senor“ ein- und ausstieg, wobei er die Schulter des Gekreuzigten als Leiter benützte, einen Drink nehmen. – www.hastalavuelta.com
- Schenkt man sich Rosen in Tirol, kommen sie oft aus Ecuador, angeblich der größte Rosenexporteur der Welt. Auf der Hacienda La Compania de Jesus in Cayambe, deren wunderschöne Räumlichkeiten vor Rosen überquellen, kann man auch die Rosenplantagen besichtigen und sich, gegen Voranmeldung, leiblich versorgen lassen kann. – www.rosadexflowers.com; haciandacompania@yahoo.com
- Eine „Hochalm“-Hacienda, seit Generationen im Besitz der (freundlichen) Familie ist das El Povenir mit Holzofen in jedem Zimmer und Wander- und Reitmöglichkeiten. – www.tierradelvolcan.com
- Nach den abenteuerlichen Wipfel- und Drahtseilerlebnis im Nebelwald kann man sich bei einer exzellenten Pizza im dortigen Restaurant erholen. – www.tucanopy.com
- Es gibt zwei Äquatormuseen, das kleinere, ältere sicher das interessantere (und angeblich auch ganz genau 00°00’00“gelegene). – www.museointinan.com.ec
- Kein Geheimtipp, aber trotzdem – vor allem am Samstag – interessant: Der Markt in Otavalo. Für echte Einheimischen-Erlebnisse sollte man aber nach Saquisili fahren.- www.ecuadorexplorer.com/html/otavalo.html; www.thebestofecuador.com/saquisi.htm
- Eine Zugfahrt mit dem Tren da la Liberdad, der „schwierigsten Bahnstrecke der Welt“, die über und neben Schluchten und auf Steilhänge führt. Die Rundreise über Ivarra dauert drei Stunden. – www.ecuadorbytrain.com
Fotos: Elisabeth Hewson