zurück



Sennerei in Gunzesried: Wenn Tradition auf Moderne trifft

Dass Brauchtum und Tradition im Allgäu gelebt werden, ist hinlänglich bekannt. Dies spiegelt sich in der Kultur und der Lebensart der Menschen wider; die Natur spielt dabei eine zentrale Rolle. Wird man auf das Allgäu angesprochen, so fallen einem als erstes zwei Worte ein: Allgäuer Käse.

Käseherstellung seit 1892

140 Tonnen Käse werden in der Sennerei Gunzesried hergestellt und verkauft. In diesem Regal lagert der berühmte Allgäuer Emmentaler. - Foto: Dieter Warnick

140 Tonnen Käse werden in der Sennerei Gunzesried hergestellt und verkauft. In diesem Regal lagert der berühmte Allgäuer Emmentaler. – Foto: Dieter Warnick

Diesen direkt von einer Sennerei zu erwerben, ist in Gunzesried möglich, einem Ortsteil der Gemeinde Blaichach im Oberallgäu. Dort steht die älteste Sennerei Bayerns, in der seit 1892 mit leidenschaftlicher Hingabe Käse hergestellt wird. Das besondere daran ist, dass es sich dabei um eine Genossenschaft handelt, die seit 125 Jahren den heimischen Bauern gehört.

Hartkäse, Schnittkäse und Weichkäse – die Gunzesrieder Produkte sind nicht nur in der Region heiß begehrt. - Foto: Dieter Warnick

Hartkäse, Schnittkäse und Weichkäse – die Gunzesrieder Produkte sind nicht nur in der Region heiß begehrt. – Foto: Dieter Warnick

Zwöf Landwirte aus dem Tal liefern zweimal am Tag ihre Milch an. „Die Sennerei hält die Landwirtschaft am Leben und prägt dadurch die dörfliche Gemeinschaft“, erklärt Peter Haslach, selbst einer der zwölf Bauern, der in der Sennerei die Geschäfte führt. „Ich bin hier das Mädchen für alles“, schiebt er hinterher.

Grüne Landwirtschaft im Allgäu nennt sich der Geschäftszweig rund um die Milch- und Käseproduktion, und sichert damit den Landwirten vor Ort ihr Einkommen. Damit nicht genug. Alle, die mit der Sennerei zu tun haben, vom Senner bis zur Verkäuferin im angeschlossenen Laden, profitieren vom Zusammenhalt, weil alle Beteiligten Hand in Hand arbeiten. In Gunzesried, so kann man sagen, macht ein ganzes Dorf Käse. In jedem Laib steckt viel traditionelle Handarbeit.

Flachs war die Nummer eins

Ruht die Produktion, dann wird peinlichst darauf geachtet, dass alle Geräte picobello sauber sind. - Foto: Dieter Warnick

Ruht die Produktion, dann wird peinlichst darauf geachtet, dass alle Geräte picobello sauber sind. – Foto: Dieter Warnick

An eine Käseproduktion war bis vor etwa 200 Jahren im Allgäu nicht zu denken. Die Bauern bauten vorwiegend Flachs an, die Rendite dabei ließ jedoch arg zu wünschen übrig. Die Wende zur Milchwirtschaft leitete der Agrarreformer Carl Hirnbein (1807 – 1871) ein, der den Flachsanbauern riet, auf Milch zu setzen und diese zu Käse zu verarbeiten – die Wirtschaft im Allgäu war revolutioniert und der Landstrich im südwestlichen Zipfel Bayerns zum „Käseland“ geworden. Das ging zwar nicht von heute auf morgen, aber als die ersten kleinen Sennereien entstanden, zogen viele andere Bauern, die ob der neuen Herausforderung noch skeptisch waren, nach. Heute wird in der Sennerei der Käse verarbeitet, verkauft, vermarktet und an Kunden verschickt. Geschäftsführer Haslach: „Wir haben einen riesigen Kundenstamm; darum liefern wir nicht an den Großhandel; dafür ist unsere Genossenschaft auch zu klein.“

Geschäftsführer Peter Haslach weiß über Käse alles; er ist in der Genossenschaft das "Mädchen für alles". - Foto: Dieter Warnick

Geschäftsführer Peter Haslach weiß über Käse alles; er ist in der Genossenschaft das „Mädchen für alles“. – Foto: Dieter Warnick

Aus 1,3 Millionen Liter Milch entstehen pro Jahr 140 Tonnen Käse, vor allem Rohmilchkäse (dabei wird die Milch nicht über 38 Grad erhitzt), und damit aus Käse auch Käse wird, muss das Enzym Lab dazugegeben werden, aufs Jahr verteilt sind das 600 Liter. „Wir machen Hartkäse wie Emmentaler und Bergkäse, Weichkäse wie Brie und Camembert und Schnittkäse, erläutert Haslach. Bedingt durch Witterung und Fütterung schmeckt die Milch jeden Tag anders, aber gleichbleibend gut; das erleichtert es, ein Produkt mit einer immer hervorragenden Qualität zu machen. „Das ist das Besondere“, so Haslach.

Produziert wird jeden Tag

Wenn einem bei diesem Anblick nicht das Wasser im Munde zusammenläuft... - Foto: Dieter Warnick

Wenn einem bei diesem Anblick nicht das Wasser im Munde zusammenläuft… – Foto: Dieter Warnick

Die an der Genossenschaft beteiligten Bauern haben zusammen etwa 150 Kühe. Vier Senner (ein Meister, zwei Gesellen, ein Auszubildender) sind für die Käseproduktion verantwortlich, 14 Kräfte sind für den Verkauf im Laden zuständig, insgesamt beschäftigt der Betrieb 21 Mitarbeiter. Produziert wird jeden Tag, auch an Sonn- und Feiertagen, wie auch der Laden täglich geöffnet hat. Haslach klärt auf: „Die Tagesproduktion von 250 bis 400 Kilogram täglich muss ja auch verkauft werden, wir können ja nicht auf dem Käse sitzenbleiben.“

In den großen Lagerstätten liegen ungefähr 1200 Laib Käse, die dort mindestens drei Monate lagern. Sie werden zweimal in der Woche mit Salzwasser abgerieben. Salz ist das einzige Geschmacksmittel, das von außen an den Käse kommt, alles andere entwickelt sich aus der Milch (im Übrigen auch die Löcher im Käse. Diese entstehen durch Millionen von Bakterien, die den Milchzucker in Kohlendioxid umsetzen. Und da Kohlendioxid ein Gas ist, verschafft es sich Luft, und diese verursacht die Löcher). So bleibt die Rinde weich und elastisch; außerdem wird der Käse konserviert. Zusammengerechnet sind das pro Tag acht Tonnen, die bewegt werden müssen. Keine Arbeit für „Leichtmatrosen“.

„Das erspart uns Zeit und Geld“

Lab ist ein Gemisch aus den Enzymen Chymosin und Pepsin und für die Zubereitung von Käse unentbehrlich. - Foto: Bayern.by – Gert Krautbauer

Lab ist ein Gemisch aus den Enzymen Chymosin und Pepsin
und für die Zubereitung von Käse unentbehrlich. – Foto: Bayern.by – Gert Krautbauer

Die Arbeitsabläufe in dem dörflich orientierten Betrieb sind Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat und Jahr für Jahr gleich. Ab vier Uhr in der früh wird der Käse vom Vortag aus der Presse genommen und in ein Salzbad gelegt (Stichwort: Konservierung). Nach den Reinigungsarbeiten der Maschinen – die Hygienevorschriften sind sehr hoch – kommen dann ab 6.30 Uhr nach und nach die Bauern und liefern ihre Milch an. Diese wird sofort verarbeitet – um 12 Uhr ist der Arbeitstag beendet. Erst am Abend wird wieder ein Senner benötigt, der die zweite Fuhre an Milch entgegennimmt. „Unser Vorteil ist, dass die Bauern uns beliefern. Dadurch braucht die Sennerei keinen Lkw, der die Milch auf den Höfen abholen muss. Das erspart uns Zeit und Geld,“ berichtet Peter Haslach.

Die Produkte der Sennerei in Gunzesried finden reißenden Absatz. - Foto: Bayern.by – Gert Krautbauer

Die Produkte der Sennerei in Gunzesried finden reißenden Absatz. – Foto: Bayern.by – Gert Krautbauer

Die traditionellen Werte in der Gunzesrieder Sennerei gehen seit ein paar Jahren einher mit hochmodernen „Querdenk-Aktionen“. Als der Betrieb zum Beispiel nicht wusste, wohin mit der vielen Molke, entstand die Idee, daraus etwas Sinnvolles zu machen anstatt die überschüssig Flüssigkeit zu entsorgen. Folgerichtig installierte man eine Methangasanlage und heizt damit nachhaltig den gesamten Betrieb. Molke ist die wässrige grünlich-gelbe Restflüssigkeit, die bei der Käseherstellung entsteht.

Wir wäre es mit Löwenzahneis?

Gute Pflege ist für jeden Laib Käse genauso wichtig wie die Herstellung. - Foto: Bayern.by – Gert Krautbauer

Gute Pflege ist für jeden Laib Käse genauso wichtig wie die Herstellung. – Foto: Bayern.by – Gert Krautbauer

Und aus einer Bierlaune heraus verfestigte sich der Gedanke, ein eigenes Eis herzustellen. „Seitdem wir das machen, kommen wir im Sommer nicht mehr mit der Produktion nach,“ verrät Peter Haslach mit einem Schmunzeln. Dabei tüfftelt das Sennereiteam immer wieder aufs Neue an eigenen Rezepturen. Insgesamt werden zehn Tonnen hergestellt, Fruchteis wie Erdbeer- oder Himbeereis), oder Milcheis (unter anderem Vanille, Schokolade, Haselnuss). Zuletzt entstand eine extravagante Spezialität: Löwenzahneis.

Alle Eissorten werden ausschließlich im Laden der Sennerei verkauft.

Weitere Informationen unter tourismus@bayern.info; Sennerei Gunzesried, Talstraße 32, 87544 Blaichach-Gunzesried, Tel.: (08321) 8 41 09, E-Mail: info@gunzesrieder-bergkaese.de; Internet: www.gunzesrieder-bergkaese.de

Raushier-Reisemagazin

Ein Gedanke zu „Sennerei in Gunzesried: Wenn Tradition auf Moderne trifft

  1. Ich bestelle seit einiger Zeit den Käse aus Ihrer Sennerei. Er ist total lecker. Wollen uns auch für die schnelle Lieferung bedanken. LG Familie Fischer aus Meissen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert