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Ludwig Reiser: Vom Metzgermeister zum Krippenbauer

Wenn man Ludwig Reiser vor sich stehen sieht und seinen interessanten wie amüsanten Ausführungen lauscht, dann kann man es schlicht nicht glauben, dass dieser Mann 88 Jahre alt ist. Der Senior mit seinen schlohweißen Haaren sieht nicht nur zehn bis 15 Jahre jünger aus, nein, der Rentner macht einen überaus rüstigen und agilen Eindruck, und er ist, wie er sagt, ob seines fortgeschrittenen Alters noch immer unternehmungslustig, wie er es sein ganzes Leben lang war, zudem in der Tat nach wie vor vital und fidel.

Der gelernte Metzgermeister, geboren 1932 in Farchant und aufgewachsen im benachbarten Oberau, übte bis zu seinem 60. Lebensjahr also einen eher grobschlächtigen Beruf aus. Seine beiden Läden in Oberau und Garmisch-Partenkirchen mit insgesamt 20 Angestellten florierten Jahrzehnte lang.

Ein aufwendiges Hobby

Ludwig Reiser hat mit seinen 21 Krippen Außergewöhnliches geschaffen. – Foto: Dieter Warnick

Ludwig Reiser hat mit seinen 21 Krippen Außergewöhnliches geschaffen. – Foto: Dieter Warnick

1992 war dann Schluss mit dem Metzgereigewerbe. Zusammen mit seiner vor eineinhalb Jahren verstorbenen Frau Eva beschloss er damals, sich aus dem Arbeitsleben zurückzuziehen („vor allem meine Frau arbeitete von der Früh bis spätabends“). Beide erfanden sich quasi neu, vor allem Ludwig Reiser, und er begann mit 60 Jahren, Krippen zu bauen – allesamt Weihnachtskrippen. „Nach der ersten Krippe war ich nicht mehr zu bremsen“, erzählt der Senior. Und steckte damit auch seine Frau an, die denjenigen Figuren die passende Kleidung anfertigte, die mehr oder minder entblößt oder hüllenlos daherkamen.

Ein aufwendiges und kostenintensives Hobby mit Folgen, denn insgesamt baute Reiser in den Folgejahren 21 Krippen und obendrein noch eine sogenannte Jahreskrippe. Diese erzählt das Leben von Christi Geburt bis zur Auferstehung. Sie ist sechs Meter lang und zwei Meter tief; insgesamt 90 Figuren geben dieser Krippe ihr außergewöhnliches Erscheinungsbild. „Vom ersten Gedanken an so eine aufwendige Arbeit bis zur endgültigen Realisierung sind drei Jahre vergangen.“

Eine fantasiereiche Wanderung

Bayerische Krippe. – Foto: Krippenausstellung Oberau

Bayerische Krippe. – Foto: Krippenausstellung Oberau

Überhaupt haben alle Krippen das Leben von Jesu Christi zum Thema – eine eindrucksvolle und fantasiereiche Wanderung in die Zeit von vor 2000 Jahren.

Dabei muss man wissen, dass ein Krippenbauer, wie es Reiser war – seit einigen Jahren hat er sich komplett vom Krippenbau zurückgezogen – alles gestaltet, was eine Krippe zur Krippe macht; nur die Figuren (menschliche und tierische) wurden dazugekauft. „Ich hab schon früher gerne Figuren gesammelt und mich schon immer für Krippen interessiert“, verrät der 88-Jährige, „was lag da näher, als mich an eine Krippe heranzuwagen.“ Und immer waren zuerst die Figuren da; alles andere, Gebäude, Hintergrundmalereien, etc. wurden darauf abgestimmt.

Ein penibler Arbeiter

Heimatliche Krippe. – Foto: Krippenausstellung Oberau

Heimatliche Krippe. – Foto: Krippenausstellung Oberau

Reiser arbeitete sehr exakt und akkurat, geradezu penibel, denn er legte allergrößten Wert darauf, dass die Farben und Formen miteinander harmonierten und die Details der mannigfaltigen Materialien naturgetreu wiedergegeben wurden. Es sollte der Eindruck einer lebendigen Welt geschaffen werden, der den Betrachter in das jeweilige Geschehen mit einbezieht und die Geschichte Jesu neu erleben lässt. Es gelang formidabel!

Alle Figuren sind gekauft

Alle Figuren, die in den Krippen „verbaut“ sind, hat Reiser gekauft. Nur die für die Jahreskrippe wurden eigens angefertigt. „Immer wenn ich unterwegs war, meistens auf Urlaubsreisen, hab ich Figuren gekauft.“ Insgesamt sind zirka 550 solcher Gegenstände zusammengekommen, die er meist in Italien erworben hat. „Wenn ich im Grödnertal war, oder in Neapel, in Apulien oder Sizilien, von überall her habe ich Figuren mit nach Hause gebracht.“ Auch gibt es Gegenstände – die meisten durchaus nicht ganz preiswert – die er aus Spanien und anderen Ländern mitgebracht oder bekommen hat.

Eine 1000 Jahre alte Wurzel

Wurzelkrippe mit süditalienischen Figuren. – Foto: Krippenausstellung Oberau

Wurzelkrippe mit süditalienischen Figuren. – Foto: Krippenausstellung Oberau

Reisers Hauptaufgabe bestand darin, alle Gebäude (z.B. Häuser, Tempel) und Stallungen bzw. Tierbehausungen sowie andere Bauten (z.B. Brunnen, Mauern) zu planen und zu bauen sowie die einzelnen Landschaften, in denen die christlichen Szenen spielen, herzustellen. Auch die Malerabeiten wurden mit höchster Präzision ausgeführt. Auf Wanderungen durch seine Heimat sind auch allerlei Fundstücke zusammengekommen, die der ehemalige Metzgermeister gut verwenden konnte, wie zum Beispiel in der „Waldkrippe“ eine über 1000 Jahre alte Wurzel aus dem Murnauer Moos, „die“, so Reiser, „einfach aus dem Boden herausgeschaut hat.“ In anderen Krippen sind immer wieder Findlinge aus dem Flüsschen Loisach, das durch das Zugspitzland fließt, verbaut. „Wurzeln findet man nicht einfach so, man muss geradezu darüber stolpern.“

„Alles, außer den Figuren, habe ich selbst gemacht“, sagt Reiser nicht ohne Stolz, „und die Ideen, wie die einzelnen Krippen aussehen sollen, entstammten ausschließlich meinen Vorstellungen. Alles ist spontan aus meinem Kopf herausgekommen.“ Die Gebäude beispielsweise bestehen ausschließlich aus Massivholz, wurden dann mit Reibeputz verputzt und mit Wandfarbe angemalt.“

Malkurs mit 72

Orientalische Krippe. – Foto: Sophia Lohse

Orientalische Krippe. – Foto: Sophia Lohse

Der Krippenbauer eignete sich die einzelnen Handwerksarbeiten, also auch das Verputzen, selbst an, und es kam noch „doller“. Mit 72 belegte Reiser einen Malkurs (Aquarell und mit Dispersionsfarben), um seine zeichnerischen Fähigkeiten und Fertigkeiten noch weiter zu intensivieren. „Bis dahin hab ich so recht gar nicht gewusst, dass ich überhaupt malen kann.“

Reiser war wie vernarrt in sein neues Hobby. Mit der Zeit wurden es immer mehr Krippen, und der Platz im heimischen Anwesen knapp. Alle Räume und Winkel, ob im Wohnbereich, Keller oder Speicher, ob in der Garage oder im Schuppen, wurden von den angefertigten Prunkstücken besetzt und eingenommen.

„Krippenwelt Oberau“

Das Jesuskind im Stall. – Foto: Krippenausstellung Oberau

Das Jesuskind im Stall. – Foto: Krippenausstellung Oberau

Natürlich wurde auch die Bevölkerung von Oberau auf ihr neues „künstlerisches“ Aushängeschild aufmerksam, und auch der Gemeinderat wurde hellhörig. „Dem hab ich gesagt, dass man meine Krippen ja auch der Öffentlichkeit zeigen könnte.“ Und so kam es, dass die Gemeinde ein altes Bauernhaus, das in deren Besitz ist, nach Anleitung Reisers quasi „krippengerecht“ umbauen ließ, und das jetzt im Erdgeschoss die „Krippenwelt Oberau“ auf über 100 mbeherbergt. Vor der Renovierung des 200 Jahre alten Schmiedebauerhauses hatte Reiser seine Zusage gegeben, dass er alle Krippen der Gemeinde schenken würde. Und so kam es dann auch.

Neben der oben erwähnten „Jahreskrippe“ und der „Waldkrippe gibt es unter anderem eine „Bayerische Krippe“, eine „Heimatliche Krippe“, eine „Südtiroler Krippe“, eine „Süditalienische Krippe“, eine „Sizilianische Krippe“ (mit einem kompletten, 60 x 30 Zentimeter großen Krippenblock), eine „Orientalische Krippe“, eine „Wüstenkrippe (mit Beduinenzelt)“ und eine Arbeit mit dem Titel „Auf der Flucht nach Ägypten“.

Informationen: Verkehrsamt Oberau, Schmiedeweg 10, 82496 Oberau bei Garmsich-Partenkirchen, Tel.: (08824) 9 39 73; Internet: www.oberau.de; E-Mail: info@oberau.de

Krippenwelt Oberau, Schmiedeweg 3, 82496 Oberau bei Garmisch-Partenkirchen, Internet: www.zugspitzland.de/oberau/krippenmuseum.  – Kontakt über Verkehrsamt Oberau, Schmiedeweg 10, 82496 Oberau bei Garmsich-Partenkirchen, Tel.: (08824) 9 39 73; Internet: www.oberau.de; E-Mail: info@oberau.de oder bei Krippenbauer Ludwig Reiser, Tel.: (08824) 8750 (ludwig.reiser.2a@gmail.com).

Öffnungszeiten: ab November jeden Mittwoch von 14 bis 17 Uhr und ab dem 1. Advent (29.11.) bis zum 1.2.2021 jeweils von Dienstag bis Sonntag von 14 bis 17 Uhr (Hl. Abend und Silvester geschlossen).

Raushier-Reisemagazin

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