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Am Ritten hatte Freud schon seine Freude

„Lieber Freund, Ihr Brief kam an einem schönen glücklichen Tag und hat die Stimmung noch weiter gehoben. Hier auf dem Ritten ist es göttlich schön und behaglich. Ich habe eine unerschöpfliche Lust zum Nichtstun, temperiert und zweistündige Lektüre in neue Dingen, bei mir entdeckt und mag nicht daran denken, dass der nächste Monatsanfang wieder die schwere Arbeit bringen soll“.

Ein wahres Idyll: Die St. Antonius Kirche in Klobenstein mit dem gewaltigen Schlernmassiv im Hintergrund. – Foto: Dieter Warnick

Ein wahres Idyll: Die St. Antonius Kirche in Klobenstein mit dem gewaltigen Schlernmassiv im Hintergrund. – Foto: Dieter Warnick

Diese Zeilen schickte Sigmund Freund, der weltbekannte österreichische Psychoanalytiker (1856-1939), am 1. September 1911 an seinen Freund und Schweizer Kollegen Carl Gustav Jung (1875-1961), als er in Klobenstein Urlaub machte.

Der Ritten hatte es Freud besonders angetan; er verbrachte mehrere Sommer dort und benutzte den Höhenzug als Rückzugsort und Kraftquelle.

Die Erdpyramiden (hier die in Unterinn) sind die Hauptattraktion des Ritten; entstanden sind sie vor Hunderten von Jahren. – Foto: TV Ritten / Achim Meurer

Die Erdpyramiden (hier die in Unterinn) sind die Hauptattraktion des Ritten; entstanden sind sie vor Hunderten von Jahren. – Foto: TV Ritten / Achim Meurer

Auch der deutsche Impressionist Lovis Corinth (1858-1925) war vor Ort. 1910 fertigte er das Ölgemälde „Terrasse in Klobenstein“ an, das in der Kunsthalle Hamburg ausgestellt ist.

Schon seit Jahren zieht es auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf den Ritten.

Tourismus hat eine lange Tradition

Die Rittner Bahn verkehrt zwischen Oberbozen und Klobenstein. – Foto: Dieter Warnick

Die Rittner Bahn verkehrt zwischen Oberbozen und Klobenstein. – Foto: Dieter Warnick

Am Ritten hat der Tourismus eine lange Tradition. Nachdem es im Bozener Talkessel in den Sommermonaten außergewöhnlich warm und teilweise sehr schwül war (und heute auch noch ist), zog es die vorwiegend wohlhabende Bevölkerung auf den Berg. Dort, auf über 1100 Metern Höhe, suchte sie Abkühlung. Der Begriff „Sommerfrische“ war erfunden! Bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts gab es am Ritten die ersten „Frischler“.

Der Blick auf Bozen ist gigantisch. – Foto: TV Ritten / Sonja Kaserer

Der Blick auf Bozen ist gigantisch. – Foto: TV Ritten / Sonja Kaserer

Die traditionelle Sommerfrische dauerte genau 72 Tage. Am 29. Juni, dem Peter- und Paulstag, wurde alles Nötige in Truhen und Schachteln verstaut, die kleinen Kinder in Tragekörbe „gepackt“ und die Erwachsenen (die „gnädige Frau“ saß im Damensattel hoch zu Ross) nach oben gebracht. Für die gut gestellten Bozener war es „ganz unerlässlich, ein „Sommerfrischhaus“ am luftigen Ritten zu haben.“ So wurden zum Beispiel in Maria Himmelfahrt, einem Ortsteil von Oberbozen, zahlreiche Patrizierhäuser errichtet.

Auf dem Sonnenplateau

Auf der Freud-Promenade begegnet man auf Schritt und Tritt dem Vater der Psychoanalyse, Siegmund Freud (hier mit seiner Tochter Anna). 13 Sitzbänke sind mit Aphorismen aus Freuds Werken bestückt. – Foto: Dieter Warnick

Auf der Freud-Promenade begegnet man auf Schritt und Tritt dem Vater der Psychoanalyse, Sigmund Freud (hier mit seiner Tochter Anna). 13 Sitzbänke sind mit Aphorismen aus Freuds Werken bestückt. – Foto: Dieter Warnick

Der Ritten ist der Ferienberg und gleichzeitig der Hausberg für die Bewohner der Landeshauptstadt. Auf dem luftigen Sonnenplateau, deren Gemeinden zwischen 850 und knapp 1600 Höhenmetern verstreut und idyllisch ausgestreckt daliegen, immer in Blickrichtung zum gewaltigen Schlernmassiv, finden Ruhesuchende genau das – Ruhe und Erholung, Dolcefarniente und Entspannung, Gelassenheit und den inneren Frieden. Früher ließen sich Künstler und Philosophen von der Gegend inspirieren, heute genießen Wanderer, Biker und Wasserratten (am idyllisch gelegenen Wolfsgrubener See beispielsweise) die Natur.

Höchster Punkt ist das Rittner Horn (2260 Meter). Mit knapp 300 Kilometern an markierten Wanderwegen ist das Rittner Horn einer der schönsten Aussichtpunkte der Alpen. Innehalten und den Blick schweifen lassen – das ist hier die oberste Maxime.

Klobenstein ist der Hauptort 

Der Keschtnweg ist nur einer von vielen Wanderwegen am Ritten mit herrlicher Aussicht. – Foto: Dieter Warnick

Der Keschtnweg ist nur einer von vielen Wanderwegen am Ritten mit herrlicher Aussicht. – Foto: Dieter Warnick

Hauptort der Hochfläche ist Klobenstein (der Endpunkt der historischen Rittner Schmalspurbahn). Vom Zentrum ist es nicht weit zu einigen der schönsten Rittner Promenaden, Spazier- und Wanderwegen. Genannt sei nur die Freud-Promenade (läuferische Schwierigkeiten gibt es keine!), die nach Oberbozen führt; dieser Ort, Ankunftspunkt der Seilbahn, die von Bozen heraufführt, ist nach 90 Minuten erreicht. Bei Lichtenstern öffnet sich ein grandioser Blick auf die Dolomiten. 

Schmalspurbahn seit 1907

Italien gehört zu den Ländern, die großflächig Wein anbauen und in die ganze Welt exportieren. Italienische Weinbaugebiete sind von Südtirol (hier der Blick vom Ansitz Waldgries in Bozen aus) über Mittelitalien bis in die unterste Spitze Siziliens zu finden. – Foto: Dieter Warnick

Italien gehört zu den Ländern, die großflächig Wein anbauen und in die ganze Welt exportieren. Italienische Weinbaugebiete sind von Südtirol (hier der Blick vom Ansitz Waldgries in Bozen aus) über Mittelitalien bis in die unterste Spitze Siziliens zu finden. – Foto: Dieter Warnick

Apropos Rittner Schmalspurbahn: Diese wurde am 13. August 1907 eröffnet. Erstmals war es möglich, ohne Kraftanstrengung von Bozen (nur 265 Meter hoch gelegen) auf den Ritten zu gelangen und den Höhenunterschied von knapp 1000 Metern in nur 90 Minuten zu überwinden; für die damalige Zeit eine schier unvorstellbare Leistung. Bis in die 1960er Jahre war die Bahn Lebensader des Rittens. 1966 ersetzte eine Seilschwebebahn die Zahnradstrecke der Rittner Bahn. Die Schmalspurbahn ist dem Ritten aber erhalten geblieben und verbindet auch heute noch ganzjährig die Ortschaften Oberbozen, Wolfsgruben, Lichtenstern und Klobenstein miteinander.

Jeder Ort ist einen Besuch wert

Diese „flotte Ziege“ erwartet den Besucher am Eingang zum Bahnhof in Klobenstein. – Foto: Dieter Warnick

Diese „flotte Ziege“ erwartet den Besucher am Eingang zum Bahnhof in Klobenstein. – Foto: Dieter Warnick

Jeder Ort am Ritten, neben den Genannten, ist einen Besuch wert, und wenn es nur ein Abstecher ist: Lengmoos, Lengstein, Mittelberg, Unterinn (die im Dorfzentrum gelegene St.-Luzia-Kirche ist die älteste Kirche am Ritten), Siffian, Oberinn, Signat, Wangen, Sill und Gissmann (der kleinste Ort am Ritten ist zugleich der am höchsten gelegene). Alle Orte können ein dichtes Netz an Wanderwegen vorweisen.

Die stummen Zeugen der Erdgeschichte

Das schmucke Heilig-Kreuz-Kirchlein in Kematen unweit von Klobenstein wurde 1892 im neugotischen Stil erbaut und bietet eine romantische Kulisse für Festlichkeiten aller Art. – Foto: Dieter Warnick

Das schmucke Heilig-Kreuz-Kirchlein in Kematen unweit von Klobenstein wurde 1892 im neugotischen Stil erbaut und bietet eine romantische Kulisse für Festlichkeiten aller Art. – Foto: Dieter Warnick

Hauptattraktion am Ritten sind die Erdpyramiden (im Kindermund sind es Lehmsäulen mit Hut), die höchsten und formschönsten in Europa. Sie entstehen dort, wo die eiszeitlichen Gletscher Moränenlehm in Tälern abgelagert haben. Das in trockenem Zustand steinharte Material wird zu einem lehmigen Brei, wenn es mit Wasser in Berührung kommt und fließt zu Tal. Dadurch bilden sich Steilwände, die die Voraussetzung für die Bildung der Erdpyramiden sind.

Ein wahrer Besuchermagnet sind die Erdpyramiden von Lengmoos. Rechts der Weiler Mittelberg mit seiner weiten, auf 1130 Höhenmetern gelegenen Sonnenterrasse. – Foto: TV Ritten / Doris Obkircher

Ein wahrer Besuchermagnet sind die Erdpyramiden von Lengmoos. Rechts der Weiler Mittelberg mit seiner weiten, auf 1130 Höhenmetern gelegenen Sonnenterrasse. – Foto: TV Ritten / Doris Obkircher

Große, zufällig im Lehm eingelagerte Steine bilden dann das „Dach“ der Steilwand. So wird das darunterliegende Material vom Regen geschützt und bleibt hart, während das der Nässe ausgesetzte Material talwärts wandert. Bei jedem Niederschlag werden die Erdsäulen ein wenig mehr aus dem Boden herausgewaschen. Wenn aber der Deckstein von der Spitze einer der Pyramiden fällt, so ist diese einem schnellen „Untergang“ geweiht. Denn dann ist das Material schutzlos dem Regen ausgesetzt und wird mit dem Niederschlag abgetragen.

Auch Wein gibt es

Nahaufnahme einer Erdpyramide. – Foto: Tiberio Sorvillo

Nahaufnahme einer Erdpyramide. – Foto: Tiberio Sorvillo

Nicht in die Höhe wachsen allerdings die Reben – der Weinbau hat am Ritten eine lange Tradition. Es gibt etwa 75 Höfe mit insgesamt 135 Hektar Anbaufläche. Auch die bedeutenden Weinbaugemeinden Terlan oder Montan haben nicht mehr Fläche zur Verfügung, sind aber dank einer anderen Marktoffensive viel bekannter.

Informationen: Tourismusverein Ritten, Dorfstr. 5, I-39054 Klobenstein/Ritten, Tel.: (+39 0471) 356 100 und (+39 0471) 345 245; Internet: www.ritten.com; E-Mail: info@ritten.com

Historische Aufnahme der Rittner Bahn. – Foto: Manfred Schuh

Historische Aufnahme der Rittner Bahn. – Foto: Manfred Schuh

Anreise: Mit dem Pkw von München und Innsbruck kommend bei Bozen-Nord die Autobahn verlassen und immer der Beschilderung Ritten (Renon) folgen. Wer mit der Bahn anreist, begibt sich am Bahnhof in Bozen in den Bus und ist in gut einer halben Stunde am Ritten. Oder er schwebt mit der Dreiseilumlaufbahn in zwölf Minuten nach oben. Die Talstation befindet sich nur wenige hundert Meter vom Bahnhof entfernt.

Gastrotipps

Einzigartig ist der Blick vom Ritten auf den Schlern, eines der Wahrzeichen Südtirols – ein Berg mit zahlreichen Gesichtern und Geschichten. – Foto: Sophie Pichler

Einzigartig ist der Blick vom Ritten auf den Schlern, eines der Wahrzeichen Südtirols – ein Berg mit zahlreichen Gesichtern und Geschichten. – Foto: Sophie Pichler

Hotel Bemelmans PostFamilie Senn, Dorfstraße 8, I-39054 Klobenstein/Ritten, Tel.: (+39 0471) 35 61 27, E-Mail: info@bemelmans.com

Cafè Lintner, Dorfstraße 3, I-39054 Klobenstein/Ritten, Tel.: (+39 0471) 35 61 05

Hotel Ansitz Kematen, Kematerstraße 29, I-39054 Klobenstein/Ritten, Tel.: (+39 0471) 35 63 56, E-Mail: info@kematen.it

Zahlreiche Baudenkmäler prägen das Bild auf dem Ritten, stellvertretend hier dieses gewaltige Gebäude in Lengmoos, das 1776 erbaut wurde. – Foto: Dieter Warnick

Zahlreiche Baudenkmäler prägen das Bild auf dem Ritten, stellvertretend hier dieses gewaltige Gebäude in Lengmoos, das 1776 erbaut wurde. – Foto: Dieter Warnick

Gasthaus & Pizzeria Babsi, Familie Bregenzer, I-39054 Oberbozen/Ritten, Dorf 4, Tel.: (+39 0471) 34 53 85, E-Mail: info@babsi.it

Ansitz Waldgries, St. Justina 2, I-39100 Bozen, Tel.: (+39 0471) 32 36 03; E-Mail: info@waldgries.it; Internet: www.waldgries.it

Raushier-Reisemagazin

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