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Galapagos: Die „verzauberten“ Inseln

Die junge Dame kommt direkt auf mich zu, blickt mich neugierig an und zeigt mir dann mit einer Rolle rückwärts, was für eine erbärmliche Schwimmerin ich bin. Umkreist mich, beäugt mich von unten, hinten und rundherum, protzt mit einer weiteren Rolle rückwärts, schwimmt vor mir her, dann wieder unter mir durch.

Nicht nur im Wasser zutraulich – eine Seehunddame fühlt sich auch in so manchem Restaurant heimisch.

Nicht nur im Wasser zutraulich – eine Seehunddame fühlt sich auch in so manchem Restaurant heimisch.

Sie taucht auf, dreht Pirouetten, streift mich fast. Schlägt wieder Purzelbaum, lässt mich ihr nachschwimmen, kommt zurück, wiederholt das Spiel – bis es der Seehunddame nach gut 20 Minuten langsam doch langweilig wird, mit so einem plumpen Plätscherwesen herumzudümpeln, und sie sich wieder davon macht, elegante Wellen schlagend, und zu ihrem Rudel zurückkehrt, das am Ufer im Sand faul in der Sonne döst.

Nie, niemals werde ich diese „Tanzstunde“ vergessen, nie diesen Blick, mit dem sie mich interessiert betrachtet hat: spielerische Kommunikation mit einem wilden Tier mitten im Meer. Heute der Traum jedes Besuchers dieser einzigartigen Inselwelt vor der Küste Ecuadors, nachdem Charles Darwin (* 12. Februar 1809, † 19. April 1882) uns die Augen für dieses geologische Evolutionsmuseum geöffnet hat.

Riesenschildkröten als Namensgeber

Riesenschildkröten gaben den Galapagosinseln ihren Namen.

Riesenschildkröten gaben den Galapagosinseln ihren Namen.

Die auf dem Äquator gelegenen Galapagos – 13 größere Inseln, fünf davon bewohnt, die größte Isabela, die zweitgrößte (mit Flughafen) Santa Cruz, und über 70 kleinere mit weniger als 10 km2 – sind nach dem wulstigen Panzer der Riesenschildkröten benannt, die, verschieden aussehend, auf den verschiedenen Inseln leben. Mit den Gewässern vertraute Schiffskapitäne konnten die Herkunft einer Schildkröte nach ihrer Panzerform bestimmen: Ein Hinweis für selbständige Evolution, den Darwin dereinst ignorierte. Erst lange nach Verlassen der Inselgruppe dachte er über die seltsamen Verschiedenheiten auf den einzelnen Inseln nach und entwickelte Jahre später anhand von Finkenschnäbeln seine Evolutionstheorie.

An Charles Darwin kommt man auch im 21. Jahrhundert nicht vorbei.

An Charles Darwin kommt man auch im 21. Jahrhundert nicht vorbei.

Die Inselgruppe wurde ursprünglich Islas Encantadas genannt, „verzauberte Inseln“, weil man nicht glauben wollte, dass so weit draußen im Meer noch Land zu finden sei, und man, dank der verschiedenen Strömungen, die die Inseln umspülen, glaubte, sie würden ihre Lage verändern. Erst im 19. Jahrhundert benannte man die Inselgruppe nach den berühmten Riesenschildkröten, die einzelnen Inseln aber immer wieder neu nach Kapitänen, wechselnden Herrschern oder Bewohnern.

Eine wechselvolle Geschichte

Wechselvoll war auch die Geschichte der Galapagos, die ein spannendes Abenteuerbuch füllen könnte. Und die Anekdoten, die man dazu erfand: Im 16. Jahrhundert berichtet ein Historiker von der Entdeckung der geheimnisvollen Inseln durch die Inkas 100 Jahre zuvor, deren Herrscher Tupac Inca dorthin gesegelt sein und Gold, schwarze Menschen, einen Messingsessel und die Überreste eines Pferdes zurückgebracht haben soll.

Piratenboote machen nicht mehr Halt auf den Galapagosinseln, dafür das eine oder andere größere Ausflugsschiff.

Piratenboote machen nicht mehr Halt auf den Galapagosinseln, dafür das eine oder andere größere Ausflugsschiff.

Höchst unglaubwürdig, auf den Galapagos waren außer ungewöhnlichen Tieren (die kommende Besucher teilweise ausrotteten), Kakteen, Büschen, Flechten und Gräsern nichts zu finden. Übrigens auch kaum Wasser, was spätere Besiedler oft wieder in ihre Heimat – wie Norwegen – zurücktrieb. Auch sie waren märchenhaften Geschichten aufgesessen, die ihnen von paradiesischen Zuständen, fruchtbarem Gratisboden und herrlicher Flora berichteten, von zahmer Fauna gar nicht zu reden (was gestimmt hätte). So enttäuscht waren sie, dass sogar einmal ein Kapitän, der ihnen das alles versprochen hatte, einfach über Bord gekippt wurde.

Walfänger fühlten sich hier pudelwohl

Walfänger steuerten gerne die Inseln an, um frische Früchte und kostbares Wasser aufzunehmen, was seltsame Gestalten, teilweise Schiffbrüchige, teilweise ausgesetzte Verbrecher, nützten, Kartoffeln und Gemüse anpflanzten und dann für horrendes Geld an die Mannschaften verkauften.

Mit kleinen Booten lassen sich Touristen und Wissenschaftler gerne herumschippern.

Mit kleinen Booten lassen sich Touristen und Wissenschaftler gerne herumschippern.

Einer dieser Abenteurer, ein Ire namens Patrick Watkins, der sich King Pat nannte, war besonders berüchtigt, weil er Matrosen mit Schnaps, den er eingetauscht hatte, betrunken machte, und sie so lange festhielt, bis ihr Schiff abgelegt hatte, um sie dann als Sklaven für sich arbeiten zu lassen – eine späte und etwas ungerechte Rache dafür, dass man ihn einst hier ausgesetzt hatte. Ihn erwähnt übrigens auch Herman Melville, der berühmte Autor von „Moby Dick“, der ebenfalls auf den Galapagos zu Besuch war und in den Erzählungen „The Encantadas“ darüber berichtet.

Die Geschichte von „Johnson from London“

Leguane (Iguanidae) bilden eine Familie der Schuppenkriechtiere.

Leguane (Iguanidae) bilden eine Familie der Schuppenkriechtiere.

Piraten wie John Cook und William Cowley hatten hier ihren Stützpunkt, von dem aus sie spanische Schiffe, oft mit Gold beladen, aufbrachten (übrigens durchaus mit Unterstützung der Englischen Krone, die fröhlich mitkassierte), und angeblich auch ihre Schätze versteckten, von denen bis heute erzählt und nach denen immer noch gesucht wird.

Ein anderer berühmter „Robinson Crusoe“, der sich „Johnson from London“ nannte und mit 20 auf die Isla San Cristobal desertierte, wollte auch einen dieser Schätze gefunden, aber dann den Ort vergessen haben. Er lebte in Wreck Bay als selbsternannter Leuchtturmwächter und bekam immer wieder Besuch von goldgierigen Schiffsleuten, die von seinem angeblichen Fund gehört hatten. Manchmal ließ er sich auf Schiffen mitnehmen, versprach, den Fundort zu zeigen, beschrieb eine alte Bergkette, die vom Meer landeinwärts auf einen Lavahügel führen sollte, betrank sich und lallte dann etwas von „alt, schlechtes Gedächtnis, muss wohl eine andere Insel gewesen sein“.

Einen Mittagsschlaf kann niemand verwehren...

Einen Mittagsschlaf kann niemand verwehren…

Aber vielleicht wusste er doch mehr, als das Gebrabbel vermuten ließ, denn es wird erzählt, dass er bei Einkäufen stets mit Goldmünzen zahlte. Er starb in den 1920ern, betrauert von seiner Frau Anita, die, oft befragt, ebenfalls keine Antwort wusste – oder gab.

Geldgierige Glücksritter versuchten, dem Boden ein Vermögen abzuringen, meist mit Hilfe von Sklaven, die geschunden und willkürlich getötet wurden, oder mit Hilfe der erwähnten Exil-Verbrecher. Beides keine gute Idee: Einen gewissen Manuel J. Cobos, der durch Zuckerrohranbau reich wurde, töteten seine misshandelten Sklaven, ein Don José Valdizán, der mit seltenen Flechten vergeblich Geld zu machen hoffte, wurde von seiner Verbrechermannschaft umgebracht.

Seit 1978 UNESCO-Weltkulturerbe

Auch diese Möwenart ist auf den Galapagosinseln zu finden.

Auch diese Möwenart ist auf den Galapagosinseln zu finden.

Seit 1978 sind die Inseln UNESCO-Weltkulturerbe (übrigens das erste), Nationalpark und Marinereservat. Heute ist die Haupteinnahmequelle der etwa 30 000 Bewohner der Tourismus, aber man versucht auch, die Landwirtschaft effizienter zu machen und nachhaltige Energien zu nutzen, denn die Besucherzahlen sind kontingentiert, um die Flora und Fauna über und unter Wasser nicht weiter zu schädigen. Die meisten Touristen schippern auf kleineren Kreuzfahrtschiffen, mit Glasbooten, Schnorchelausrüstungen und exzellenten Führern bestückt – oft Biologen, Zoologen oder Geologen, die ihren alten Job nicht mehr interessant genug fanden – von Insel zu Insel, beobachten die sorglose, oft einzigartige Tierwelt aus nächster Nähe, und tanzen, wenn sie besonderes Glück haben, mit Seehunddamen, beobachten Pelikane, Leguane oder Riesenschildkröten aus nächster Nähe, folgen schnorchelnd seetangbewachsenen Wasserschildkröten, Hammerhaien und Stachelrochen, oder üben Paarlauf mit Pinguinen.

Touren auf den Galapagos-Inseln gibt es unter www.metropolitan-touring.com

Fotos: Elisabeth Hewson

Raushier-Reisemagazin