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Abenteuer in Südamerika: Per Anhalter nach Feuerland

Ich bin Nora, 19 Jahre, und reise Low Budget durch Südamerika – trampen und Couchsurfing. Von Buenos Aires soll’s nun per Daumen bis nach Feuerland gehen. Der Truck hält. Ein Glatzkopf mit Dreitagebart, Bauchansatz unter dem T-Shirt und gelben Zähnen kurbelt das Fenster herunter: “Wo soll‘s hingehen?”

Eine Rauchwolke schlägt uns aus dem Führerhaus entgegen. Wir antworten: “Nach Süden! Egal wohin!”  Der Mann zieht schnell und gierig an seiner Zigarette, wirft den Stummel nach draußen und sagt: “Rauf mit euch!” Wir klettern ins Führerhaus. Unsere Rucksäcke werden irgendwie notdürftig dorthin geschafft, wo Platz ist. Eine sitzt auf dem Bett des Fahrers, die andere auf dem Beifahrersitz. Und es geht weiter. Auf der Route 40, die ganz Patagonien durchzieht, bis nach Feuerland, zur südlichsten Stadt der Welt – Ushuaia.

Meine Reisepartnerin auf dem Weg nach Ushuaia: Kathy. Foto: Nora von Breitenbach

Meine Reisepartnerin auf dem Weg nach Ushuaia: Kathy. Foto: Nora von Breitenbach

Das ganze begann im Februar. Nachdem ich eine Woche bei einer religiösen Kommune auf dem Land verbrachte und drei Wochen im Herzen der Hauptstadt Argentiniens, Buenos Aires, bei verschiedensten Couchsurfern genächtigt hatte, konnte ich mir über die selbe Plattform eine wunderbare Reisepartnerin organisieren. Kathy, 30, aus England, so blond wie es nur geht, nach einem Physikstudium acht Jahre durch Asien gereist, Meister im Low-Budget-Sich-Irgendwie-Durchschlagen. Nun war Südamerika an der Reihe. Mit ihr zu reisen war wie mit einer Signalampel unterwegs zu sein. Ihre blonden Haaren stachen überall aus der Masse hervor, sie wurde Ziel von unzähligen Pfiffen, Gejohle und zu viel, zwar meist nett  gemeinter, aber doch anstrengender Aufmerksamkeit. Doch einen Vorteil hatte es!

Mit dem Zug nach Bahia Blanca

Nachdem wir uns kennengelernt hatten, ging es mit einem rumpelnden, unendlich langsamen, vollbepackten Zug von Buenos Aires nach Bahia Blanca, von wo es einfach nur gen Süden gehen sollte. Zwöf Stunden, in Südamerika vergleichsweise kurz, auf schmalen Holzbänken aneinander gedrängt, der Zug voll mit Gitarre spielenden, Gras rauchenden, Mate trinkenden Südamerikanern. Sofort kam man ins Gespräch, und, oh Überraschung, directamente erfuhren wir, dass wir nicht die einzigen waren, die von Bahia Blanca nach Patagonien wollten. Wir befürchteten das Schlimmste und stellten uns schon darauf ein, uns in eine Reihe von Daumen reckenden Backpackern an die Straße stellen zu müssen. Wer am nettesten guckt oder am meisten auszieht, so wohl die Devise. Direkt gab‘s dann aber auch Insider-Tipps: Ausschau halten nach Trucks mit einem Apfel drauf! Die fahren 650 km am Stück Richtung Bariloche – die nächstgrößere Stadt in Patagonien und erste Anlaufstelle für die meisten, auch für uns. Gut zu wissen! Dann ging‘s auf in eine lange Nacht. Viel Mate, viel Unterhalten, und am nächsten Morgen schlagskaputt aus dem Zug auf die Straße gefallen. Wir kämpften uns mit zahlreichen Bussen aus der Stadt raus und standen schließlich an einer riesengroßen Tankstelle, Zwischenstopp für alle Trucks Richtung Süden.

Blonder Schopf als Vorteil

Unser erster Truckfahrer - Ziel: Bariloche! Foto: Nora von Breitenbach

Unser erster Truckfahrer – Ziel: Bariloche! Foto: Nora von Breitenbach

Und nur fünf Minuten später machten wir erstmals Gebrauch von Kathys unglaublich blondem Schopf. Gleich zwei Trucks hielten. Beide ohne Apfel, aber noch viel besser: 965 km südwestlich, Ziel: Bariloche! Wir hatten uns darauf eingestellt, irgendwo in der Pampa übernachten zu müssen, mehrere Tage unterwegs zu sein… aber nein. Zwei Trucks. Mit dem perfekten Ziel. Nach nur fünf Minuten. Tja, nun die Qual der Wahl. Fairerweise wollten wir uns für den vordersten Truck entscheiden, weil er nun mal ein bisschen früher gehalten hatte, das lies der andere Fahrer aber nicht auf sich sitzen, sprang aus dem Führerhaus und die beiden brachen in eine wilde Diskussion aus, wer uns den nun die Ehre erweisen dürfe! Nachdem das dann geklärt war, saßen wir in dem vordersten Truck und fuhren langsam aus der Tankstelle heraus. Das Gefühl rundherum genießend, nun ca.16 Stunden gemütlich aus dem Fenster starren zu können, sich keine Sorgen machen zu müssen, und am Ende ganz stressfrei in Bariloche anzukommen. Ganz stressfrei war das dann nicht, schließlich wollte der Fahrer von uns unterhalten werden. Und nachdem sämtliche Gesprächsthemen erledigt waren, drehte er die typische argentinische “Populärmusik” (“Cumbia”) auf volle Lautstärke und trommelte dazu laut singend auf dem Lenkrad.  Und so fuhren wir dann durch die flache, wüstenähnliche Steppe hinein in die untergehende Sonne.

Der untergehenden Sonne entgegen. Foto: Nora von Breitenbach

Der untergehenden Sonne entgegen. Foto: Nora von Breitenbach

Früh am nächsten Morgen erreichten wir dann Bariloche und waren bester Laune. Nur Kathy war ein bisschen angesäuert, aufgrund von einschlägigen Annäherungsversuchen des netten Lastwagenfahrers in der Nacht. Ich hab im anderen Vordersitz geschlafen, sie hingegen auf dem Bett- und lag so in seiner Armreichweite. Irgendwann stoppten wir nämlich, um zwei Stunden zu schlafen. Doch es blieb bei  Annäherungsversuchen

Kurzerhand fassten wir den Entschluss, nicht nach Bariloche rein zu fahren sondern direkt weiter, in das nur einstündig entfernte als “Hippie- Enklave” bekannte Dorf El Bolson, wo jeden Tag Urlaub ist. Das mögen wir!

Emmanuel telefoniert auf einer Leiter

Als wir El Bolson erreichten, regnete es in Strömen. Erst mal fanden wir Unterschlupf in einer Tankstelle mit Wlan. Saßen da, Stunden. Dann konnten wir über die Couchsurfing-Plattform jemanden organisieren, bei dem wir übernachten können. Matthias kommt mit seinem Auto und holt uns ab. Dann bringt er uns zu seinem Freund, etwas weiter außerhalb, wo wir schlafen dürfen. Solange wir wollen. Etwa zehn Kilometer außerhalb der Stadt, ein schmaler Weg, an beiden Seiten Lavendelfelder, abschüssig, um uns herum zu allen Seiten Gebirgsmassive der Anden, weiter unten, ein kleines Holzhaus. Davor eine hohe Stahlleiter.

Emmanuel bei der Suche nach Empfang für sein Mobiltelefon. Foto: Nora von Breitenbach

Emmanuel bei der Suche nach Empfang für sein Mobiltelefon. Foto: Nora von Breitenbach

Wir kommen näher, jemand tritt aus dem Haus. Ein junger Mann, Ende 20, stellt sich als Emmanuel vor. Lebt dort allein, tagein, tagaus, braut Bier und baut Lavendel an.Mit der Zeit sollten wir mitkriegen, dass er, wenn er im Lavendelfeld zugange war, meist einfach stundenlang da saß, alleine, einen oder fünf Joints rauchend, dem Wind in den Bäumen zuhörend und die Leere starrend. In einem kleinen extra Raum in dem Holzhaus durften wir dann schlafen. Und tatsächlich, auf unsere Frage “Wie lange denn?”, zuckt er nur mit den Schultern, weist uns dann aber noch schnell in die Funktionsweise der Stahlleiter ein: “Ach ja, wenn ihr einen Telefonanruf erledigen wollt, müsst ihr so hoch wie möglich auf die Leiter klettern, dann klappt’s mit Glück manchmal.” Wir hatten beide kein Handy, aber zwischendurch sahen wir ihn dort oben, verzweifelt auf der höchsten Stufe sitzend, manchmal beim zitternden Versuch, aufzustehen und das Telefon nach oben zu recken – und immer noch kein Empfang.

Eine Clownschule in El Bolson. Foto: Nora von Breitenbach

Eine Clownschule in El Bolson. Foto: Nora von Breitenbach

Letztendlich blieben wir 13 Tage in El Bolson. Zwischendurch verschwanden wir vier Tage in die Berge, vollkommen desaströs ausgerüstet und nur am frieren. Und ab ging’s wieder auf die Straße, die Hälfte vergessend, weiter gen Süden. Wir wollten als nächstes nach El Chalten, ein Dorf mitten im Nationalpark de los Glaciares, das nur für Touristen existiert, und als Startpunkt für ausschweifende Wanderungen in das ganze Gebiet dient.

Warten an der kleinsten Tangstelle der Welt

Mit einem Geschäftsmann hinter getönten Fenstern ging es weiter, diesmal hatten wir aber nichtganz so viel Glück wie beim ersten Mal. Er fuhr uns bis nach Puerto Madryn, ein kleines, popliges Dorf mitten in der Pampa. Von dort sollten wir dann weiterkommen, „super easy“. Überhaupt nicht „super easy“. Nachdem wir uns stundenlang an der kleinsten Tankstelle der Welt  die Beine in den Bauch standen, es eiskalt und dunkel wurde und wir immer noch nicht wussten, wie weiter und wohin, es langsam auf Mitternacht zuging und wir drauf und dran waren, aufzugeben, kam ein kleines, weißes Auto. Fast schon wollten wir nicht mehr fragen, brachte ja eh nichts, taten es dann aber doch – und siehe da, der Mann fuhr zumindest bis in die nächst größere Stadt. Einen Achsenbruch provozierend fuhren wir dann in absoluter Düsternis über eine unbefestigte Straße, in ein Schlagloch nach dem nächsten donnernd. Aber es war warm, so schön warm, und wir kamen voran. Kathy war wieder sehr lieb zu mir und hatte mir die Rückbank überlassen. So saß sie vorne und spielte Alleinunterhalter, ich hab geschlafen.

On the road. Foto: Nora von Breitenbach

On the road. Foto: Nora von Breitenbach

Um halb 2 nachts erreichten wir dann die nächste “größere Stadt.” Perito Moreno. Genauso leer und einsam, aber immerhin mit geteerten Straßen. Wir wurden an einer Tankstelle rausgeworfen, liefen das Stück bis zur Straße und da saßen wir dann in der Kälte, an unser Gepäck gelehnt, bei jedem Auto hoffnungsvoll aufspringend – um dann doch wieder enttäuscht zu werden. Dann stoppte aber eins. Zwei Männer saßen drin. Kurbelten das Fenster runter. “Wohin wollts’n ihr?” “El Chalten”, unsere müde Antwort. Die beiden brechen in Gelächter aus. “Ihr seid hier auf der Straße Richtung Chile! Die ‘Ruta 40’ ist da vorn”, er deutet woanders hin. Kurzerhand laden uns die Männer ein und fahren uns zum richtigen Punkt. Wir sind mittlerweile vollkommen fertig und wollen irgendwo einen etwas versteckten Ort finden zum Wildzelten. Doch die beiden Männer laden uns direkt vor einer Polizeistation ab: “Da kommt heute Nacht kein Auto mehr, ganz sicher nicht! Am besten ihr fragt hier nach, wo ihr übernachten könnt.”

Eine Nacht im Gefängnis

Entspannt war es in El Bolson. Nicht nur für die Trommler ist dort jeden Tag ein Feiertag. Foto: Nora von Breitenbach

Entspannt war es in El Bolson. Nicht nur für die Trommler ist dort jeden Tag ein Feiertag. Foto: Nora von Breitenbach

Das lag jetzt wirklich nicht in unserem Sinne, aber zu spät. Passkontrolle. Wir fragen scheinheilig, wo es denn einen Campingplatz gäbe. Man guckt uns misstrauisch an. Ein paar Kilometer, in diese Richtung, deuten die Polizisten in die Dunkelheit. Als ob. Wir bedanken uns höflich, sie verschwinden ins Innere. Dann stehen wir ratlos rum, beschließen, die Straße weiter hoch zu laufen. Dann sehen wir auf der rechten Seite ein längliches, weiß gekalktes Gebäude, davor ein Schild: historisches Gefängnis. An der Seite ist ein Raum erleuchtet. Es sieht nach Renovierungsarbeiten aus. Wir kommen näher, schleichen uns ums Haus herum, gucken durchs Fenster. Der Raum ist durch eine nackte Glühbirne erleuchtet, die Wände kahl und ohne Tapete, Pappe und Holz liegt auf dem Boden, überall Spinnenweben. Ein großes Holzkreuz lehnt an der Wand, an dem zu beiden Seiten Eisenringe befestigt sind. Und es gibt einen Eingang, der nur durch ein dickes Stück Pappe versperrt ist. Kein Hindernis, zwar ist uns nicht ganz wohl zu Mute, aber wir schieben die Pappe beiseite und klettern in den Raum. Modriger Geruch. Wir sammeln ein paar Pappstücke, breiten sie auf dem Boden aus, kriechen in unsere Schlafsäcke und versuchen, zu schlafen.

Pause mit dem Truck. Foto: Nora von Breitenbach

Pause mit dem Truck. Foto: Nora von Breitenbach

Nach einer Weile gelingt uns das, auch wenn es saukalt ist. Dann, ein Geräusch. Schritte. Wir beide sind schlagartig hellwach. Wir liegen direkt unter dem Fenster, durch das wir hineingesehen hatten, also für im toten Winkel für jemand, der draußen steht. Wir gucken von unten schräg durch das Glas. Wir sehen den Strahl einer Taschenlampe. Die Schritte kommen näher. Gehen an der Tür vorbei, durch die wir hineingeschlüpft sind. Wir halten den Atem an. Die Schritte scheinen sich zu entfernen. Langsam legen wir uns wieder hin. Versuchen, wieder einzuschlafen. Es funktioniert nicht so ganz. Gegen fünf Uhr morgens wird es langsam hell, wir klettern aus dem Haus, basteln uns ein Schild: “El Chalten por Favor, o Ruta 40 SUR” und stellen uns an die Straße.

Omnibus als Mitfahrgelegenheit

Kein Auto. Kein Truck. Gar nichts. Stundenlang. Ein paar Autos rauschen vorbei, wir verstehen nicht warum. Ab jetzt fahren alle Autos “Ruta 40 SUR”, eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Warum nimmt uns denn keiner mit. Dann kommt ein Reisebus. Wir versuchen es gar nicht erst – doch wider Erwarten wird er auf unser klägliches Wedeln mit dem Daumen hin langsamer und hält. Der “Co-Busfahrer” springt aus dem Bus, will von uns wissen, wie viel wir bezahlen können. Wir winken ab. Das ist gegen die Spielregeln. Doch der kleine kugelige Mann will uns scheinbar unbedingt dabei haben, denn am Ende steigen wir so in den Bus – und zahlen gar nichts. Gut, dafür müssen wir auch bei den Busfahrern vorne sitzen, mit ihnen Mate trinken und uns unterhalten.

Nach etwa 600 km erreichen wir El Chalten. Es ist dunkel. Es nieselt. Wir haben keine Ahnung, wo wir übernachten sollen. Der eklige, dünne, kettenrauchende Busfahrer mit lüsternem Blick hatte uns angeboten, bei ihm zu übernachten. Wahrscheinlich hatte er selbst nicht damit gerechnet, dass wir annehmen würden. Aber wir waren doof genug, das zu tun. Andererseits wussten wir wirklich nicht wohin und wir waren zu zweit, und es war kalt und es nieselte. Kathy sagte außerdem: „Ach, in solchen Situationen war ich schon tausendmal, die tun alle so, aber am Ende machen die doch nichts.“

Damit versuchten wir in El Bolson etwas Geld zu verdienen. Foto: Nora von Breitenbach

Damit versuchten wir in El Bolson etwas Geld zu verdienen. Foto: Nora von Breitenbach

Deshalb: passt schon, wird schon – und nachts um 11 stiefeln wir hinter diesem Busfahrer eine schmale Holztreppe an einer Hausmauer hoch, gehen ein paar Schritte über einen hölzernen Vorbau und er schließt die Tür auf. Macht das Licht an. Der Raum ist etwa zweieinhalb Meter breit, und drei bis vier Meter lang. Ein schmale Bett, einen Meter breit. Daneben eineinhalb Meter Platz auf dem Fußboden.

Horrornacht beim Busfahrer

Ein wölfisches Grinsen zieht sich über sein ausgemergeltes Gesicht: “Eine von euch müsste dann bei mir im Bett schlafen, die andere auf dem Boden. Welche ist mir gleich.” Gut, wir dürfen nicht jammern, sowas hätten wir uns denken können. Aber darauf lassen wir uns trotzdem nicht ein. “Danke, das geht schon, kein Problem!” Lehnen wir höflich, aber bestimmt ab. “Wir können beide auf dem Boden schlafen! Das macht gar nichts!” Die gute, arme Kathy opfert sich und schläft direkt neben dem Bett auf dem Boden, ich an der Wand. Sie hatte deshalb die ganze Nacht über eine Hand von der Bettkante baumelnd auf ihrer Hüfte liegen. Am nächsten Morgen dann ist sie einfach nur genervt, sieht den Busfahrer bitterböse an: “Thanks for your help!” Und wir marschieren aus seinem Schlafgemach, er sitzt halb aufgerichtet in seinem Bett halb, mit nacktem Oberkörper und starrt uns hinterher.

Schlüssel vergessen

Tja blöd. Wir hatten natürlich vergessen, dass unsere Sachen im Kofferraum seines Autos liegen. Das Auto ist abgeschlossen. Und er hat den Schlüssel. Ich erbarme mich und gehe allein wieder hoch. Die Holzstiege hinauf, über den Dachvorbau unter Wäscheleinen hindurch. Kathy wartet unten mit den anderen Sachen, die nicht im Auto eingeschlossen sind. Ich mach die Tür auf, beinahe unverändert liegt er, auf einen Ellenbogen gestützt im Bett. “Wir brauchen die Schlüssel.” Sage ich, er streckt den Arm aus, angelt die Schlüssel irgendwoher und gibt sie mir wortlos. “Bringt sie wieder zurück”, sagt er dann, ich nicke.

Pause unterwegs. Foto: Nora von Breitenbach

Pause unterwegs. Foto: Nora von Breitenbach

Wir holen die Sachen aus dem Kofferraum, dann bringe ich ihm die Schlüssel zurück, und die nächste Mission beginnt. Wir müssen den Weg zurück ins Dorf finden. Das war dann aber doch nicht so schwer, und um 10 Uhr treffen wir uns mit einem Mädchen, das wir im Bus kennen gelernt hatten und mit der wir zusammen auf einen viertägigen Hike gehen wollten. Nachdem wir das letzte Mal fast erfroren waren, hatten wir uns diesmal vorgenommen, bessere Ausrüstung zu mieten. Das lief auch ganz gut, und mittags befinden wir uns auf dem legendären “Fitz Roy Hike”. Der Fitz Roy ist ein Berg mit einer sehr charakteristischen Spitze, er liegt in der windverwehten, atemberaubenden, patagonischen Landschaft. Es ist tatsächlich unglaublich, wozu die Natur fähig ist. Am Ende des ersten Tages erreichen wir einen Gletschersee am Fuße des zackigen Felsens Fitz Roy, in den immer wieder Eisbrocken von dem vorgelagerten Gletscher abbrachen. Die Sonne geht langsam unter, erleuchtet die aus kaltem Fels fahl in den Himmel ragenden Spitzen, lässt sie sich im See spiegeln, man fühlt sich so klein. Am Ufer des Sees bauen wir unser Zelt auf.

Unterwegs in Patagoniens Zauberwelt

Nora und Kathy am Fitz Roy. Foto: Nora von Breitenbach

Nora und Kathy am Fitz Roy. Foto: Nora von Breitenbach

Früh morgens klettern wir einen schmalen Pfad an einer Felswand hinauf, um den Sonnenaufgang zu sehen. Drei weitere Tage durchstreifen wir diese Zauberwelt, in der die Zeit still zu stehen scheint. Alles spielt sich in einer anderen Größenordnung ab, als wir es von Europa kennen, eine ganz besondere Atmosphäre umschwingt diese Wildnis, glasklare, einsame Seen, zackige Felsen, aber auch Grün, viel Grün, Wasserfälle, Bäche. An Abhängen über lose Kieselsteine balancieren, sich irgendwann wundern “ich glaub, wir machen was verkehrt”- aber weiter gehts, und am Ende die Belohnung. Versteckte Gletscherseen, Orte, an die man normalerweise nie vordringen würde, aber die doch da sind und einfach so vor sich hin existieren. Wir spüren, dass diese Landschaft magisch ist und man automatisch in Ehrfurcht verfällt und einfach nur sprachlos ist.

Traumhafte Gletscherseen. Foto: Nora von Breitenbach

Traumhafte Gletscherseen. Foto: Nora von Breitenbach

Als wir nach dem Trip zurück ins Dorf kommen sind Kathy und ich am Ende. Nachdem wir El Bolson verlassen hatten, hatten wir schließlich die erste Nacht zur Hälfte auf der Straße, zur anderen Hälfte in dem brüchigen Gefängnis verbracht, die nächste eingepfercht bei dem schlüpfrigen Busfahrer, dann direkt am nächsten Morgen in die Berge, sieben Tage nicht geduscht, kaum geschlafen-  wir gönnen uns eine Nacht in einem Hostel. Luxus pur. Ein richtiges Bett, für jeden ein eigenes! Licht, Wärme, Dusche, Wlan, eine Küche, ein gemütlicher Gemeinschaftsraum, wo Menschen sitzen und Gitarre spielen oder sich unterhalten. Mehr Entspannung und Geborgenheit  geht nicht auf dieser Welt.

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