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Las Vegas: Vergnügungen auf Schritt und Tritt

Wer den Strip, die Hauptstraße und Lebensader der Stadt, entlanggeht, der fragt sich, wie wohl die alten Herrscher dieses weltweit bekannten und dereinst berüchtigten Vergnügungsviertels auf die heutigen Gäste reagieren würden: Massenhaft kichernde, maskenhaft geschminkte Girlies in glitzernder Unterwäsche ohne was drüber, auf turmhohen Highheels dahinwackelnd. Vorbei an den Ruinen der Treasure Island Piratenschiffe, an den altbekannten Hotelmonstern wie dem Venetian, Mirage, MGM oder Circus. Wir befinden uns in Las Vegas.

Turmhohe Plastikbottles

„The High“ am Las Vegas Strip ist eines der höchsten Riesenräder der Welt. – Foto: Elisabeth Hewson

„The High“ am Las Vegas Strip ist eines der höchsten Riesenräder der Welt. – Foto: Elisabeth Hewson

Sie zutzeln aus turmhohen Plastikbottles ihre hochprozentigen Mixgetränke, um den Belämmerungsspiegel nicht plötzlich rasant sinken lassen zu müssen, egal zu welcher Tageszeit, auch schon (noch) am Morgen. Burschen fallen hier wenig bis gar nicht auf, sie scheinen in der Minderheit zu sein und sind meist schlecht/lässig gekleidet. Sich herausputzen und Blöße zeigen tun nur Mädels. Ist auch besser so, Ausnahmen wie den oberkörpernackten Muskelmann mit tiefsitzender Jeans und halbblankem Hintern im Lift um sechs Uhr früh muss man erst einmal verdaut haben.

Sie würden sich wohl im Grab umdrehen, die Gangster und Halbwelt-Helden, die sich zwar dieses Grab oft „ehrlich“ verdient hatten und den anderen gerne schaufelten, war doch Style Pflicht, man schoss nicht ohne Hut und starb stets im eleganten Dreiteiler.

„Sin City“

Der Blick aus einer der 28 Gondeln ist überragend. Sie sind klimatisiert und vollkommen erschütterungsfrei. – Foto: Elisabeth Hewson

Der Blick aus einer der 28 Gondeln ist überragend. Sie sind klimatisiert und vollkommen erschütterungsfrei. – Foto: Elisabeth Hewson

Lucky Luciano und Konsorten waren allerdings nicht die Gründer von Las Vegas, sondern nur der Grund für den Beinamen „Sin City“, den sich die Stadt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. erwarb. Die ersten Siedler waren – ausgerechnet – die frommen Mormonen. Und der Grund war das frische Grün der Wiesen (Las Vegas = Die Wiesen), die sich da inmitten der Wüste zeigten: also Wasser.

Ein weiterer Grund war eine Eisenbahnstrecke, die San Pedro und Los Angeles verband und das frischgrüne Las Vegas zum Mittelpunkt der Zugreise machte. Die Schienenstrecke ging allerdings 1917 Pleite. Auch der 1929 gebaute Highway half nicht viel, viele Arbeit Suchende waren schon weitergezogen. Damit meinte man, Las Vegas sei gestorben.

Stadt unter Strom

Im wahrsten Sinne überragend: der Stratosphere Tower. – Foto: Elisabeth Hewson

Im wahrsten Sinne überragend: der Stratosphere Tower. – Foto: Elisabeth Hewson

Doch Wasser war auch die Ursache für die Wiederbelebung und den neuerlichen Siedlungsboom: nämlich der Hoover Dam, ein Wunderbauwerk, vor allem für die damalige Zeit, das Strom im Überfluss erzeugen konnte (der Hoover Dam ist eine Talsperre auf der Grenze zwischen den US-Bundesstaaten Nevada und Arizona, knapp 45 Kilometer ostsüdöstlich von Las Vegas im Black Canyon).

Diskriminierung war zu dieser Zeit selbstverständlich, chinesische Arbeiter wurden überhaupt nicht aufgenommen, nur ganz wenige Schwarze durften den Weißen die Arbeit wegnehmen, und natürlich nur weit unter dem normalen Tarif, für die miesesten Arbeiten und abgeschottet: Selbst die Ärmsten der Armen wollten mit diesen „Untermenschen“ jede Berührung vermeiden, auch die Wasserkübel wurden daher streng getrennt ausgegeben.

„Boulder Dam“

Bunt ist Trumpf. – Foto: Elisabeth Hewson

Bunt ist Trumpf. – Foto: Elisabeth Hewson

Sieben Jahre Bauzeit waren veranschlagt, nach fünf Jahren war er fertig! Er wurde von Präsident Franklin D. Roosevelt (1882-1945) als „Boulder Dam“ eröffnet, obwohl  – eigentlich weil – sein Intimfeind Edgar Hoover (1895-1972), selbst Ingenieur, diese gerade während der Depression wichtige, arbeitsbeschaffende Riesenbaustelle initiiert hatte. Nicht einmal der Name des Erzfeindes wurde in der  Eröffnungsansprache erwähnt. Hoover Dam wird er erst seit 1947 genannt, Roosevelt war da bereits zwei Jahre tot .

Doch wohin mit dem vielen Strom? Im damals möglichen Einzugsgebiet von etwa 130 Kilometern – weiter schaffte man damals den Elektrizitätstransport noch nicht – gab es eben Las Vegas, das durch die vielen Arbeitssuchenden, die hoffnungsfroh zur Riesenbaustelle strömten, bald auf 20 000 Einwohner angewachsen war. Bereits 1931 war die erste Casino-Lizenz erteilt worden, und als 1937 der Strom Las Vegas rund um die Fremont Street (heute Downtown Las Vegas) erstrahlen ließ, war damit die Spieler- und Neon-Hauptstadt der Welt eröffnet.

Entertainment-Metropole

Der Arts District oder 18b ist ein lebhaftes Kulturzentrum voller unabhängiger Kunstgalerien und Veranstaltungsstätten in umgebauten Lagerhallen. – Foto: Elisabeth Hewson

Der Arts District oder 18b ist ein lebhaftes Kulturzentrum voller unabhängiger Kunstgalerien und Veranstaltungsstätten in umgebauten Lagerhallen. – Foto: Elisabeth Hewson

Nachdem die Prohibition nach acht Jahren 1933 wieder zu Ende gegangen war, und damit die Einkünfte aus Schwarzbrennereien und Speakeasys, brachten Casinos die Mafia voll ins Geschäft, und Las Vegas zu Ruhm und Unehre: 1957 gab es bereits acht Casinos auf dem Strip, „Der Mob“, wie die italienische US-Mafia genannt wurde, hatte die Spielerstadt fest im Griff, bot den Touristen auch Unterhaltung und verpflichtete – money no object – die berühmtesten Entertainer der Welt. Vor allem Elvis Presley und das Rat Pack (Frank Sinatra, Dean Martin, Sammy Davis Jr.) gehörten zum Stammpersonal und machten Las Vegas zur Entertainment-Metropole. Das Rat Pack schaffte es übrigens auch, dass die Rassendiskriminierung in den Casinos aufgegeben wurde: Sie weigerten sich, in solchen Hotels aufzutreten.

Den US-Bürgern wurde einiges klar

Diese Metall-Gottesanbeterin ist am Container Park zu sehen. – Foto: Elisabeth Hewson

Diese Metall-Gottesanbeterin ist am Container Park zu sehen. – Foto: Elisabeth Hewson

Als Anfang der 1950er Jahre das Fernsehen erstmals ermöglichte, dass jeder die laufenden Mafia-Prozesse mitverfolgen konnte, wurde den US-Bürgern erstmals klar, welchen Einfluss diese kriminelle Organisation auf ihr Land hatte; dass sie nicht nur unter sich blieb, sondern Gewerkschaften, die Unterhaltungsindustrie, Polizei und sogar Politiker beeinflusste und viele Behörden unterwandert hatte. Das FBI wurde zu einer bewunderten Institution, neue Gesetze, wie das für Kronzeugen, wurden erlassen, eigene Komitees zur Verfolgung und Verurteilung des „Mobs“ reisten durch ganz Amerika und führten zur Festnahme vieler Mitglieder der Mafia. 

Von einem, der sieben Hotels kaufte

Erinnerungen an das Stardust Hotel & Casino; es wurde am 1. November 2006 geschlossen und am 13. März 2007 gesprengt. – Foto: Elisabeth Hewson

Erinnerungen an das Stardust Hotel & Casino; es wurde am 1. November 2006 geschlossen und am 13. März 2007 gesprengt. – Foto: Elisabeth Hewson

In den 1960er-Jahren begann ein neues Las Vegas-Kapitel: Das größte Hotel der Welt, das „International“, wurde eröffnet, vier Jahre später ein noch größeres, das „MGM Grand“ mit 2000 Hotelbetten; irgendwann in der Liste der Hotels mit den meisten Zimmern (über 7000) trat das „Venetian“ auf den Plan. 1966 zog der Unternehmer, Filmproduzent, Regisseur und Luftfahrtpionier Howard Hughes ins „Desert Inn“, mietete das ganze obere Stockwerk an und wollte nach sechs Wochen nicht wieder ausziehen, was der Hoteldirektion nicht passte, was wiederum ihm, Hughes, nicht passte, worauf er es kaufte. Insgesamt kaufte er sieben Hotel-Casinos, um die Mafia aus Las Vegas zu drängen und First Class Entertainment zu bieten.

Groß, größer, Las Vegas

Einstige Lichtreklame landet im Museum oder auf dem Müll. – Foto: Elisabeth Hewson

Einstige Lichtreklame landet im Museum oder auf dem Müll. – Foto: Elisabeth Hewson

In Las Vegas ist alles möglich – ob First Class Küche, First Class Shopping oder First Class Party. Top-Köche geben sich die Klinke in die Hand und Koch-Veranstaltungen streiten um das beste Event. Von den riesigen Shopping Malls oder den legendären Shows der Superlative gar nicht erst zu reden. Das Entertainment-Unternehmen steht dabei in der ersten Reihe.

Auch das größte Riesenrad der Welt muss natürlich in Las Vegas stehen, um über 32m höher als das London Eye, um den jährlich herbeiströmenden 40 Millionen Touristen wieder etwas Neues zu bieten. Seit März können sie in 28 Kabinen aus 168 m Höhe die Umgebung begutachten, klimatisiert und vollkommen erschütterungsfrei.

Zu neuem Leben erwacht

Auch das „Tropicana“ hat ausgedient. – Foto: Elisabeth Hewson

Auch das „Tropicana“ hat ausgedient. – Foto: Elisabeth Hewson

Aber neben diesen Moneymaker-Monstrositäten ist auch Downtown Las Vegas wieder zum Leben erwacht. Das alte Vergnügungsviertel um die Fremont Street hat neue Läden und Lokale und neue Erlebnisse wie die Zipline „SlotZilla“, mit der man hoch über den Besuchern viele hundert Meter am Stahlseil durch die Luft saust. Der Straßenblock 18b wurde zum Designer-, Kunst- und Kreativviertel erklärt, man fördert dort das Ansiedeln von originellen Geschäften, Vintage-Shops und Galerien, von Künstlern, Designern, Blumenbindern, Architekten, Innendekorateuren. Jeder, der Neues denkt, soll hier seinen Platz finden.

Ein Dorado für jeden Fotografen

Hier ging`s zu „El Mundo“. – Foto: Elisabeth Hewson

Hier ging`s zu „El Mundo“. – Foto: Elisabeth Hewson

Ständig werden Vernissagen veranstaltet – gerne mit einem Augenzwinkern und gutem Geschäftssinn, wie „12 inches of sin“ in der Sin City Gallery. Eigene Designer-Labels und Shops wie die „Stitch Factory“ und „Electric Lemonade“ bieten „retro with a twist“, man nennt sich „funky“ und macht sich über sich selbst lustig, wie mit dem Riesenholzwürfel, so groß wie ein Haus, den Künstler bemalt und dann verbrannt haben: Alles kommt und geht hier, was gestern groß in Mode war ist morgen vergessen und landet dann teils auf dem Müll, teils in originellen Museen – wie dem „Neon-Museum“, wo man all die alten, berühmten Casino-Reklamen, die sooo alt noch gar nicht sind, hingelehnt hat, vom „Stardust“ bis zum „Dunes“, von „Liberace“ bis „Flamingo“. Ein Dorado für jeden Fotografen.

Platz und Raum für neue Ideen

Mit Kleinigkeiten gibt sich Las Vegas erst gar nicht ab. – Foto: Elisabeth Hewson

Mit Kleinigkeiten gibt sich Las Vegas erst gar nicht ab. – Foto: Elisabeth Hewson

Ein großer Förderer vieler dieser Aktivitäten, auch des Container-Parks für kreative Kleinunternehmer, ist Tony Hsieh, Gründer von Zappos, dem Vorbild für das bei uns bekannte „Zalando“. Er holte auch die riesige, feuerspeiende Gottesanbeterin, für das „Burning Man Festival“ aus einem Panzer und Autowrackteilen gebastelt, hierher, wo für eine gewisse Zeit neue Geschäftsideen ausprobiert werden können. Witzige Lokale, immer wieder mit einem kleinen Gag im Namen oder in der Einrichtung, die genauso gut nach Berlin passen würden, werden begeistert besucht.

Ein Museum der Geschichte von Las Vegas, das „Mob Museum“, arbeitet die Vergangenheit von den ersten Casinos in Downtown bis zu den Filmgrößen, Spielertricks und Mafia-Prozessen auf, übrigens ganz grandios, interaktiv (man sitzt sogar im echten Gerichtssaal oder steht vor der echten „St. Valentines Day Massacre Wall“ mit Einschusslöchern) und richtig spannend.

„Ausgespielt“ ist zwar in Las Vegas noch lange nicht, aber viel Neues ist im Werden abseits von Gambling, Ballermann und Glitzerfummel. Und mit vielen Überraschungen, denn hier bleibt nichts so, wie es einmal war.

Raushier-Reisemagazin

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