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Flevoland bei Amsterdam: Wasser, Luft und Neuland

Gemächlich schippert der Kahn von Skipper Hujen Zweedijk auf der schmalen Vechte durch Muiden in Nordholland entlang prachtvolle Villen und großzügiger Gartenanlagen. Hujen ist ein echter Aussteiger. Erst vor fünf Jahren hat er sein Hobby zum Beruf gemacht und vom Art-Direktor auf Ausflugskapitän umgesattelt. Das 9,80 Meter lange und 2,85 Meter breite Holzboot mit seinem Dreizylinder Dieselmotor und seinen 13 km/h Höchstgeschwindigkeit fasst zwölf Personen und ist ein typisches Boot dieser Gegend. Wasser ist das Element, von dem und mit dem hier oben in Nordholland und vor allem dem benachbarten Flevoland alle leben. Hat man dieses Land doch erst seit 1924  dem Wasser abgetrotzt und Neuland gewonnen durch Pumpenwerke und Deichbildung. Auf mehr als 1800 Quadratkilometern wurde dem Markemeer, dem Seegewässer in der Bucht von Amsterdam Land abgerungen. Ohne starke Deiche würde hier alles unter Wasser stehen, denn man befindet sich etwa sechs Meter unterhalb des Meeresspiegels. Moderne Städte wie Almere und Lelystad sind hier entstanden, fast 400.000 Menschen wohnen auf dem Neuland.

Alles im Griff hat Käptn Hujen Zweedijk.

Alles im Griff hat Käptn Hujen Zweedijk.

Muiden in Nordholland gehört aber nicht dazu und ist eine kleine Stadt mit einem großen Kastell, das stattlich am Ortsrand thront. Muiderslot, so heißt die von Graf Floris V. 1296 erbaute Burg mit Wassergraben und Zugbrücke, hat eine bewegte Vergangenheit über siebenhundert Jahre hinweg und dient seit 1878 als National-Museum. Hier spiegelt sich nicht nur das goldene Zeitalter der niederländischen Kultur, sondern auch die Rittertradition wider, in der die Burg Jahrhunderte lang als Bollwerk an der Vechte stand. Der bedeutende niederländische Dichter Peter Cornelius Hooft lebte hier 38 Jahre lang ab 1609. Die stilvoll rekonstruierte Burg versetzt einen wahrlich in die Zeit der Ritter und Helden des Mittelalters.

Mit dem RIB-Boat über das Ijsselmeer – im Rausch der Geschwindigkeit

Das Schloss Muiderslot.

Das Schloss Muiderslot.

Da ist es wieder, das Wasser als Element des Lebens in dieser Gegend. In Flevoland treffe ich auf den erfahrenen RIB-Boat-Kapitän Eric Rijksen, ein furchtloser Geselle, dem Geschwindigkeit auf dem Wasser zum Lebenselexier geworden ist. An diesem Tag ist das Ijsselmeer nördlich von Lelystadt besonders ruhig. Die Wolken spiegeln sich auf der glatten Wasseroberfläche, die wilden, grünen Ufer vermitteln ein Bild unberührter Natur. Weithin sichtbar ist das Monument von Antony Gormley des „sitting man“ auf einer Landzunge vor Lelystad.

Speed mit dem RIB Boat - man fliegt fast.

Speed mit dem RIB Boat – man fliegt fast.

Eric gibt Gas, das RIB-Boat hebt sich vorne aus dem Wasser, mit der Beschaulichkeit ist es vorbei, denn der Motor am Heck drückt das Schlauchboot mit einem unwahrscheinlichen Schub nach vorne, dass es über die Wasserobefläche rast. Die eigenen Wellen werden zu Hügeln, über die das Boot springt und in den Kurven ist es, als fliege man durch die Luft. Was 50 km/h ausmachen können in so einem 12-Personen Boot. Meine Gedanken geraten durcheinander, die Landschaft strömt an mir vorbei, der Adrenalin-Kick ist garantiert bei einer solchen Fahrt. Der Suchtfaktor ist hoch bei diesem Geschwindigkeitsrausch, aber die Sorge, dass das Boot umkippen kann überwiegt bei der ersten Fahrt. Doch eine erfahrenen Speed-Boater wie Eric bringt nichts aus der Ruhe, sicher steuert er das Boot durch die Kurven. Nach einer Stunde ist es vorüber. Landschaft genießen kann ich woanders. Aber ein Genuss ist so eine außergewöhnliche Fahrt dennoch.

Das Batavia-Schiff in Lelystad oder der Charme der Vergangenheit

Die Batavia.

Die Batavia.

Ein Schiffserlebnis der ganz anderen Art begegnet mir in der Batavia-Werft in Lelystad. Die Batavia ist ein altes Handelsschiff aus dem Jahr 1628, das im Dienst der Ostindien-Kompanie zwischen Holland und dem fernen Jakarta, dem früheren Batavia betrieben wurde. Das Schiff sank jedoch mit 332 Menschen an Bord vor der australischen Westküste. Die Rekonstruktion des Handelsschiffs lässt sich heute jedoch besuchen und vermittelt einen ausgezeichneten Eindruck vom wenig komfortablen Schiffsleben seiner Zeit. Der Willem Vos, ein Schiffbauer und Raubein wie aus dem Bilderbuch, war der Initiator der Rekonstruktion der „Batavia“, mit deren Bau 1985 begonnen wurde. Am 7. April 1995 taufte Königin Beatrix dieses Schiff , das anschließend zu Wasser gelassen wurde, auf den Namen „Batavia“. Seitdem kann man die Batavia täglich auf der Batavia-Werft in Lelystad besichtigen.

Die Kapitäns-Kajüte war vornehm und großzügig.

Die Kapitäns-Kajüte war vornehm und großzügig.

Als wäre er dabei gewesen, schildert der Besucherführer und ehemalige Steuermann der holländischen Handesmarine Evert-Jan van Drent engagiert und emotional wie das Leben auf dem alten Kahn wohl ausgesehen haben muss auf der langen Reise über die Ozeane. Auf dem nur 1,20 Meter hohen Unterdeck hielten sich fast 100 Menschen auf, die in dem engen, dunklen Raum die Überfahrt erdulden mussten. Ein Deck höher war es nicht besser. 200 Holzbretter an den Schiffswänden dienten als Betten für die mittlere Klientel der Reisenden. Nur die gut betuchten Passagiere hatten eine wohnliche Kabine am Oberdeck.

Naarden – zwischen wohlhabender Beschaulichkeit und Festungsbau: die alte Garnisonsstadt

Die malerische Altstadt von Naarden lädt zum Bummel ein.

Die malerische Altstadt von Naarden lädt zum Bummel ein.

Nach so vielen Erlebnissen zu Wasser will ich auch einmal etwas an Land erleben und begebe mich nach Naarden in der Nachbarprovinz Nordholland. Das ursprüngliche Naarden lag vor dem 14. Jahrhundert drei Kilometer nördlich der heutigen, völlig vom Wasser umschlossenen und sternförmig angelegten Stadt, wurde aber im Haken- und Kabeljau-Krieg mit der Stadt Utrecht zerstört. Der heutige Ort wurde im achtzigjährigen Krieg mit den Spaniern 1572 eingenommen. Deutlich erkennt man an den Wassergräben und Festungsanlagen, die wie Deiche angelegt sind rund um die Stadt noch die einstige durchdachte Wehrhaftigkeit des Ortes, denn in der Altstadt sind die Anlagen noch gut erhalten. Ich schlendere durch die malerischen Gassen des wohlhabenden Städtchens und wundere mich, dass die Pflaster in drei Steinsorten und Mustern angelegt sind. Das hat seinen Grund, erklärt mir mein Stadtführer. Das Kopfsteinpflaster in der Mitte war für die Kutschen, die Ziegel ganz am Rand waren für die Menschen. Und das kleine Kieselprofil in der Mitte? Das war für die Hundekarren. Karren die von Hunden gezogen werden? Tatsächlich waren Hunde als Zugtiere preiswerter und daher häufiger genutzt als Menschen. Solche Zeiten sind zum Glück vorbei.

Der Fassaden-Künstler JeroenPaulussen erklärt eines seiner Kunstwerke.

Der Fassaden-Künstler JeroenPaulussen erklärt eines seiner Kunstwerke.

An zahlreiche Hauswänden lese ich Verse berühmter, niederländischer Dichter. Eine Tradition? Wie aus dem Nichts biegt plötzlich ein Mann in die Straße ein, sieht mich vor einem Hauswand-Vers stehen und erklärt, er sei es, der das gemalt und geschrieben habe. Es ist Jeroen Paulussen, der städtische Fassaden-Künstler. Er sucht sich markante Verse berühmter Dichter aus und entwirft zunächst ein Modell des Schriftbildes, bevor er es an die Hauswand bringt. Mit ihm kann man eine ganze Tour durch die Stadt unternehmen und sich zu jedem Wandbild etwas erklären lassen. Eine abwechslungsreiche Idee.

Wer wird denn gleich in die Luft gehen?

Start mit der Cessna.

Start mit der Cessna.

Nun aber geht es in die Luft, denn von oben sieht die Welt hier noch einmal ganz anders aus. Am Flughafen Lelystad warten einige kleine Cessna 172, das sind viersitzige Ein-Propeller-Flugzeuge, die mit 210 PS fliegen auf einer Höhe von maximal 4000 Metern. Von hier lässt sich die Landschaft gut beobachten und das Neuland Flevoland mit seinen grünen Flächen anschaulich betrachten.

Von oben eröffnen sich die Zusammmenhänge der Wasserwelt von Flevoland.

Von oben eröffnen sich die Zusammmenhänge der Wasserwelt von Flevoland.

Nach zwei Tagen im Neuland Flevoland, der jüngsten Provinz der Niederlande, und dem angrenzenden Nordholland habe ich viel erlebt im Umland von Amsterdam. Es muss nicht immer die Metropole sein, die Erlebnisse bietet, in nur 20 Minuten mit dem Zug oder 30 Minuten mit dem Auto ist man in Flevoland. Der unbegrenzte Naturgenuss erwartet einen und lässt den Besucher durchatmen. Die Menschen sind herzlich und ihre Wärme steht im Gegensatz zu der sonst rauen und oft kalten Natur dieser Gegend sommers wie winters lässt sich hier etwas erleben. Denn das Markemeer und das Ijsselmeer sind auch im Winter reizvoll und nicht so kalt wie in Deutschland. Ein Wochenend-Trip oder eine Ausflug auf Zeit lohnen sich auf jeden Fall. Ich beschließe, im Sommer noch einmal die Region und ihre Reize zu genießen, die Schlösser, Burgen und Naturspektakel neu zu erleben.

KURZ NOTIERT

Wie kommt man hin:

  • Von Amsterdam aus erreicht man Flevoland in nur 20 Minuten mit dem Zug ab Amsterdam Centraal.
  • Eine preiswerte Möglichkeit bietet hier das Tages-Ticket „Amsterdam & Region“ für 13,50 Euro, mit dem man Bus, Tram und Metro in und um Amsterdam nutzen kann.
  • Mit dem Auto kommt man von Deutschland aus über Utrecht über die A27 und dann auf der A5 gut in die Region.
Vornehme Villen säumen die Ufer der Vechte in Muiden.

Vornehme Villen säumen die Ufer der Vechte in Muiden.

Unterkunft: Sehr empfehlenswert ist das Hotel Nautisch Kwartier der Fletcher-Kette in Huizen. Das Hotel hat eigentlich drei Sterne, verdient aber wegen seines hohen Komforts durchaus als vier-Sterne-Unterkunft verstanden zu werden. www.hotelnautischkwartier.nl/de

Restaurants:

  • Ein echter Tipp im Nirgendwo ist das Restaurant „t´Dijkshuisje“ am Jachthafen von Lelystad. Das in einem markaten Turmgebäude untergebrachte Restaurant hat Ambitionen zur Sterne-Küche und steht qualitativ auf einem sehr hohen Niveau. www.dijkhuysje.nl
  • In Naarden ist das innerhalb einer Festungsanlage befindliche Gewölbe-Restaurant Aquavite ein Tipp für ein kulinarisches Vergnügen. www.restaurantacquavite.nl

Ausflugstipps:

Informationen rund um Flevoland: www.ookflevoland.nl/vvv/de

Diese Reise wurde durchgeführt mit freundlicher Unterstützung von Amsterdam Marketing I am Amsterdam www.iamamsterdam.com

Raushier-Reisemagazin

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