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Notizen aus Bangladesch – Teil 6

Noch ein weiteres Mal komme ich auf meine erste Bangladeschreise und den Grund dafür zurück: Die Hochzeit meines Sohnes Rainer. Er hatte seine zukünftige Frau, Khukie, beim Physikstudium in Heidelberg kennengelernt, wo sie zu der Zeit an ihrer Doktorarbeit über Supernovae arbeitete.

Nach meiner einwöchigen Dschungeltour, über die ich in einem früheren Beitrag berichtet habe, kamen wir spät nachts mit dem Bus in Dhaka an.

Der verdrehte Knöchel

Überall fleissige Helfer.

Überall fleissige Helfer.

Es war dunkel. Beim Aussteigen konnte ich deshalb den Abwasserschacht direkt vor mir nicht sehen und meine Größe-36-Schuhe traten zwischen zwei Metallstreben ins Leere. Die Folge war ein Schlag gegen das Schienbein und ein verdrehter Knöchel. Mir schwanden regelrecht die Sinne. Mein Glück war, dass der Schwager meiner jetzigen Schwiegertochter schon auf dem Weg war, um uns abzuholen. Auf einen Krankenwagen hätte ich in Dhaka wohl länger warten müssen. Das Erste, was ich wieder bewusst wahrnahm, war der leuchtend orangene Bart eines Arztes in einem privaten Krankenhaus. Die Behandlung war vorbildlich, inklusive mehrerer Röntgenbilder, und ich wurde bald darauf wieder entlassen. Die Rechnung für alles belief sich auf 26 €, ein Schnäppchen sozusagen.

Jedes Eck verziert.

Jedes Eck verziert.

Nun konnte ich also meine eigens für die Hochzeit angeschafften schicken Schuhe vergessen. Auch hatte ich inzwischen mitbekommen, dass es in Bangladesch nicht üblich ist, Kleider zu tragen, bei denen die Waden zu sehen sind. Also war auch mein mitgebrachtes Kleid gestrichen. Khukies Eltern schenkten mir, wie es die Tradition vorsieht, einen gelb-goldenen Sari. Da das Wickeln eines Sari eine Wissenschaft für sich ist und ich auch nicht gewohnt bin, mich darin entspannt zu bewegen, beschloss ich, mir einen Salwar Kamiz, eine traditionelle Kombination aus einem reichlich verzierten Oberhemd und einer Hose, zu kaufen –  plus Schuhe für meinen geschwollenen Knöchel.

Einkleidung

Das Brautpaar.

Das Brautpaar.

Wir fuhren also zu einer Filiale von Aarong. Aarong ist eine Verkaufskette für Handwerksartikel, die von BRAC betrieben wird, der weltweit größten nichtstaatlichen Entwicklungshilfeorganisation mit Sitz in Bangladesch. Ich sah auf Anhieb einen wunderschönen Salwar Kamiz und wandte mich mit Begeisterung an eine Verkäuferin. Die Ernüchterung folgte Sekunden später. Mitleidig schaute mich die Dame an und erklärte mir bei, dass ich bei den Übergrößen schauen müsse. Da war ich dann doch sprachlos, da ich mit Größe 36/38 in Deutschland eher zu den kleinen Größen zähle. Naja… letztendlich fand ich zwei schöne Outfits, eines für die Kurkumafeier, bei der es üblich ist, in gelb oder rot zu erscheinen, und eines für die eigentliche Hochzeit.

Die Kurkumafeier

Die Kurkumafeier („gaye holud“) geht in Bengalen traditionell der eigentlichen Hochzeitsfeier voraus. Sie geht zurück auf die Hochzeit des hinduistischen Gottes Shiva und seiner Braut Sati, wird heutzutage aber in Bangladesch und im indischen Bundesstaat Westbengalen von Muslimen, Hindus und Christen gleichermaßen gefeiert.

Hochzeitspodium.

Hochzeitspodium.

Die Vorbereitungen für die die Kurkumafeier liefen auf Hochtouren. Ich kam den ganzen Tag nicht mehr aus dem Staunen heraus. Khukies Vater ließ auf dem Dach des Hochhauses, in dem sich auch die Wohnung der Familie befand, ein Zelt aus wunderschönen Stoffen errichten, unter dem Himmel Dhakas. Unzählige fleißige Helfer und Helferinnen legten im Treppenhaus wunderschöne Blumenteppiche aus. Die Geländer wurden mit aufwändigen Blumenketten umrangt. Im Zelt wurde ein kleines Podium aufgestellt, über und über mit Blumen geschmückt. Auch hier überall Blumenketten, – vasen, -gebinde. Ich hatte noch nie so viele Blumen auf einmal gesehen. Die Gläser auf den Tischen, auf denen das Büfett ausgebreitet war, wurden so angeordnet, dass sich die Namen des Brautpaares ergaben. Alle waren mit vollem Eifer beschäftigt.

Khukies Eltern hatten meinen Mann und mich schon Wochen vorher gefragt, ob und welche deutschen Traditionen wir einfließen lassen wollen. Da wir eine deutsche Hochzeit schon oft genug erlebt hatten und uns darauf freuten, mal eine ganz andere Feier zu erleben, haben wir das aufmerksame Angebot dankbar abgelehnt.

Kunstwerk Make-up

Geschenke.

Geschenke.

Die Braut wurde zur Kosmetikerin gefahren und auch für mich und meine Freundin Inge wurde ein Termin im Schönheitsstudio gemacht. Das Make-up von Bräuten in Bangladesch ist ein wahres Kunstwerk. Die Kosten für ein solches Make-up sind hoch, gemessen am durchschnittlichen Monatseinkommen der Menschen in Bangladesch. Deshalb beschränkte ich mich auf ein kleines Augen-Make-up, was sich nachher als eine gute Entscheidung erwies. Inge hatte sich nämlich das komplette Make-Up gegönnt und hatte danach einen Gelbstich im Gesicht, was doch etwas seltsam aussah. Das lag wohl daran, dass die Kosmetikerinnen wenig Erfahrung mit hellhäutigen Kundinnen hatten.

Nach den Glücksspuren mit Kurkuma.

Nach den Glücksspuren mit Kurkuma.

Die Feier war dann ein einziger Traum. So viele farbenprächtige Kleidung. Unsere Männer hatten sich ebenfalls traditionelle Kleidung besorgt. Die Braut wurde in ihrem wunderschönen gelben Sari, geschmückt mit echten Blumenketten, unter einem Baldachin durch das Treppenhaus in das Zelt auf dem Dach geleitet. Das Brautpaar saß dann auf einer kleinen Bühne. Vor ihnen Obstspieße, mit denen sie den ganzen Abend abwechselnd von allen Gästen „gefüttert“ wurden. Jeder Gast brachte außerdem etwas Kurkumapaste auf den Gesichtern des Brautpaares an, was diesem Glück bringen soll, etwa so wie in Deutschland das Zertrümmern von Geschirr.

Stimmung und Ambiente

Vorführung der Heimkinder.

Vorführung der Heimkinder.

Es wurde nach dem leckeren Büfett nach westlicher Musik getanzt und es gab verschiedene Vorführungen und Tänze sowie einen Auftritt eines in Bangladesch berühmten bengalischen Sängers. Eine Gruppe von ehemaligen Straßenkindern, mit denen Rainer und Khukie befreundet sind, sangen Lieder. Die Stimmung an diesem Abend war einfach nur schön und das Ambiente gigantisch. Vor der Bühne sammelten sich die vielen Geschenke.

Brautauto.

Brautauto.

Am übernächsten Tag fand die eigentlich Hochzeit statt, mit Standesbeamten und allem drum und dran. Die Braut war wieder bei der Kosmetikerin und diesmal kamen noch filigrane Henna-Malereien auf ihren Handrücken dazu. Das Brautauto war blumenreich geschmückt. und der Countdown lief. Wir schmissen uns im Hotel in Schale. Fertig gestylt erwarteten wir den Fahrer, der uns abholen sollte. Aber mit der Uhrzeiten nimmt man es in Bangladesch manchmal nicht so genau und nach einer Stunde vergeblichen Wartens machten wir uns einfach zu Fuß auf den Weg.

Blumen über Blumen und ein besonderes Ritual

Glückwunsch vom Schwager.

Glückwunsch vom Schwager.

Die Feier fand dieses Mal in einem kleinen, feinen bengalischen Restaurant statt. Auch dort wieder Blumen über Blumen. Sogar die kleinen Wege, die zum Restaurant gehörten, waren üppig mit Blumenketten aus winzig kleinen Blüten überdacht. Bevor wir das Restaurant betreten konnten, mussten wir mit der Familie der Braut über den Eintrittspreis verhandeln. Das ist ein alter Brauch. In früheren Zeiten wurde dieser Teil der Hochzeitfeier von der Familie der Braut bezahlt. Durch den Eintrittspreis versuchte man dann, einen Teil der Unkosten wieder auszugleichen. Mein Mann verhandelte also mit dem Brautvater. Der zuerst geforderte Preis war hoch und es wurde eifrig, aber immer mit einem Schmunzeln, gefeilscht. Am Schluss konnten wir uns dann doch auf einen bezahlbaren Kompromiss verständigen: Ein Essen für die Familie. Ich fand dieses kleine Ritual herrlich.

Unterschrift unter die Heiratsurkunde.

Unterschrift unter die Heiratsurkunde.

Dann fuhr die Braut vor, gekleidet in einem wunderschönen roten Sari. Mit ihrem langen schwarzen Haar sah sie aus wie die Prinzessin aus Tausendundeine Nacht. Im Restaurant versammelten sich die engsten Familienangehörigen in einem Raum und der Standesbeamte begann mit der Trauung. Da fast ausschließlich in Bangla gesprochen wurde, konnte ich nur darauf vertrauen, dass alles seine Ordnung hat. Nun war mein Sohn verheiratet und der Gedanke, dass er jetzt weiter als Ehemann seine eigene Wege gehen wird, verursachte mir als Mutter schon ein paar wehmütige Momente. Aber ihn an der Seite dieser warmherzigen und verlässlichen Frau zu wissen tat und tut mir immer noch sehr gut.

Armee von Fotografen

Während und nach der Trauung tauchten unzählige Fotografen in allen Ecken auf. Ich hatte das Gefühl, als wäre eine ganze Armee von Fotografen engagiert worden. Es wurden unzählige Fotos geschossen, als wollte die Familie jede einzelne Sekunde festhalten.

Filigrane Verzierungen.

Filigrane Verzierungen.

Das Büfett wurde aufgebaut und ich nahm an einem Tisch nahe dem veganen Essen Platz. Es sah alles sehr lecker aus, mich plagte der Hunger und ich freute mich darauf, nun so richtig schlemmen zu können. Vor mir stand unter anderem ein einladend aussehendes Kartoffelpüree, in das kleine Erbsen gemischt waren. Genau das richtig für mich, dachte ich, aber wie so oft kommt es anders als man denkt.

Nach dem ersten gehäuften Löffel merkte ich sehr schnell, dass man diese Speise nur messerspitzenweise hätte genießen können.

Kartoffelpüree mit Bums

Hauptbestandteil war einer der schärfsten Chilis überhaupt. Ich hatte das Gefühl, als würde ich auf der Stelle explodieren und sah schon bildlich wie Feuer aus meinen Ohren kommt. Was auch immer ich probierte, um diesen Wahnsinnsbrand in meinem Mund zu löschen, nichts half, aber auch gar nichts! An Weiteressen war nicht mehr zu denken und so schwitzte ich mit leicht gerötetem Gesicht die nächste halbe Stunde vor mich hin. Erst beim Dessert verschaffte mir eine Art Vanillepudding die erste Erleichterung.

Seit diesem Essen ist meine erste Frage vor jedem Essen in Bangladesch: „Is it hot?“

Echte Blumenketten.

Echte Blumenketten.

Nach dem Essen wurden Rainer und Khukie mit Blumenketten um den Hals geschmückt. Als ich mal testen wollte, wie sich das anfühlt, merkte ich sehr schnell, dass diese bleibschwer waren. Sehr wichtig in Bangladesch ist auch der Goldschmuck der Braut, der gar nicht teuer genug sein kein. Ich denke, er ist ein Symbol für Wohlstand und Sorglosigkeit, aber auch eine sichere Anlage für die Zukunft.

Fußwaschung

Fußbad in Milch und Rosenblättern.

Fußbad in Milch und Rosenblättern.

Nach der Feier wurden das Brautpaar in unser Hotel gefahren. Die Familie und nahe Freunde begleiteten sie. Normalerweise würde die Fahrt in das eigene Heim gehen, aber das würde für die nächste Zeit im texanischen Houston sein. Eine weitere Tradition ist, dass die Schwester des Bräutigams der Braut die Füße in Milch mit Rosenblättern wäscht. Mangels Schwester übernahm Khukies Freundin aus Schweden diese Aufgabe.

Blumen über Blumen.

Blumen über Blumen.

Danach begleiteten wir das Brautpaar auf ihr Zimmer. Auch dort war alles mit Blumen geschmückt. Badezimmer, Bett, … einfach alles.

Nun war es an der Zeit, das Brautpaar alleine zu lassen. Zwei aufregende und unvergessliche Tage lagen hinter uns.

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Weiter geht’s mit Folge 7

Raushier-Reisemagazin

Ein Gedanke zu „Notizen aus Bangladesch – Teil 6

  1. So ein schönes Paar und wieder viel erlebt.
    Was würden deutsche Bräute wohl sagen,
    wenn ihnen jemand Kurkuma uns Gesicht schmiert ?

    Schönes Wochenende

    Ich lese so gerne was Du schreibst

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