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Notizen aus Bangladesch – Teil 4

Außer der Reihe möchte ich von einem unglaublichen, wirklich ungewöhnlichem Erlebnis erzählen, das sich während meiner ersten Bangladesch-Reise im Jahr 2010 ereignet hat. Zusammen mit meinen Freunden Inge und Peter habe ich damals einen Ausflug in die Sundarbans gemacht. Die Sundarbans sind die größten Mangrovenwälder der Erde und liegen zum größten Teil in Bangladesch und zu einem kleineren Teil im indischen Bundesstaat Westbengalen. 

Mangroven in den Sundarbans.

Mangroven in den Sundarbans.

Die Tagesreise von der Hauptstadt Dhaka mit dem Bus bis dorthin wäre alleine schon wieder einen riesen Bericht wert. Diese ein Abenteuer zu nennen, ist schon fast untertrieben. Busfahrer in Bangladesch sind für mich Helden. Um mit dem Bus auf die Fähre über die Padma zu kommen, drängelten die Busse so dicht aneinander vorbei, dass keine Hand mehr dazwischen gepasst hätte. Auf der Straße zuvor sahen wir einen Bus ‚kopfüber‘ in einem Sumpf stecken. Um nachts die unbeleuchteten Rikschas nicht zu übersehen, muss der Fahrer mit extremer Aufmerksamkeit fahren.

Schön wie Angela Merkel

Natur in den Sundarbans.

Natur in den Sundarbans.

Vor unserer Abfahrt tranken wir in einem kleinen Restaurant Kaffee. Der Kellner war sichtlich angetan von mir, was ja schon schmeichelnd ist. Er schien nach einem Kompliment für mich zu suchen, was bei seinen wenigen Englischkenntnissen anscheinend nicht leicht war. Plötzlich erhellte sich seine Miene, weil ihm doch was seiner Meinung nach Passendes eingefallen ist. Mit einem Strahlen im Gesicht versicherte er mir, dass ich so schön sei wie Angela Merkel. Ich muss jetzt nicht erwähnen, dass sich meine Begeisterung für dieses Kompliment in Grenzen hielt.

Nun aber weiter zu den Sundarbans, wo der vom Aussterben bedrohte bengalische Tiger zuhause ist. In den Magrovenwäldern sieht man bis zu 40 cm hohe Wurzelsporne, die von den Bäumen nach oben treiben und zwar so dicht, dass es die Fortbewegung erschwert. Zahlreiche Vögel, Fische, Krokodile und andere Tiere sind in den Sundarbans beheimatet.

Durch die Mangrovenwälder der Sundarbans

Abenteuerliche Brücke.

Abenteuerliche Brücke.

Wir hatten bei einer Agentur einen Fremdenführer gebucht, welcher mit seinen Deutschkenntnissen geworben hatte. Dieser stellte sich zwar als sehr sympathischer Bangladescher heraus, aber leider beschränkten sich seine Deutschkenntnisse einzig auf das deutsche Fußballtrikot welches er trugt. Das war’s. Auch sein Englisch ließ sehr zu wünschen übrig.

Krokodile unter der Brücke.

Krokodile unter der Brücke.

So übernahm spontan der Chef der Agentur ersatzweise diese Aufgabe. Dessen Englisch war ganz passabel. Mit einem kleinen Boot fuhren wir durch die Mangrovenwälder. Die Natur war tief beeindruckend. Bei diesem Ausflug begleitete uns zusätzlich ein bewaffneter Fremdenführer, für den Fall, dass uns doch ein bengalischer Tiger über den Weg laufen sollte. Leider – vielleicht eher Gott sei Dank – sahen wir lediglich Spuren, die an sich schon beeindruckend genug waren.

Brennmaterial aus Kuhfladen

Hütte im besuchten Dorf.

Hütte im besuchten Dorf.

Am nächsten Tag besuchten wir ein völlig abgeschiedenes kleines Dorf, wo die Menschen noch wie vor hundert Jahren leben. Um zu diesem Dorf zu kommen, mussten wir über einen kleinen Fluss, über den eine außergewöhnlich Brücke führte. Die Brücke bestand lediglich aus zwei aneinander gebundenen schmalen Bambusstämmen und einem Handlauf. Da ich in dem Fluss schon die ersten Krokodile gesichtet hatte und die Brücke wirklich verdammt schmal war, hangelte ich mich sehr unelegant und mit einigem Herzklopfen hinüber.

Dorfbewohner.

Dorfbewohner.

Das stromlose Dorf auf der anderen Seite war sehr ordentlich und vor jeder Hütte war gefegt. Es lag eine unglaubliche Stille und Frieden in der Luft, was sehr erholsam und angenehm war. Wir wurden von der Dorfältesten herzlich begrüßt und von mehreren Bewohner herzlich eingeladen. Unter anderem wurde uns Betelnuss angeboten. Da sind die Samen der Betelpalme.

Im Dorf.

Im Dorf.

Diese werden zerkleinert und zusammen mit anderen Kräutern gekaut. Sie sollen eine leicht stimulierende und euphorisierende Wirkung haben. Betel färbt den Speichel rot, was an den unschön gefärbten Zähnen der Konsumenten zu sehen ist. Wir haben uns auf den angebotenen Tee beschränkt und die wirklich herzliche Gastfreundschaft genossen. Interessant fand ich die Methode der Anwohner Fackeln herzustellen. Dafür werden Kuhfladen an Äste ‚geklebt‘ und dann getrocknet. Genauso werden ‚Brikets‘ für das Feuer hergestellt.

Fackeln aus Kuhfladen.

Fackeln aus Kuhfladen.

In den reichlich vorhandenen Wäldern und anderen Orten gab es zahlreiche Affen, welche desöfteren ziemlich nahe kamen, wenn sie etwas Essbares vermuteten.

Brennmaterial aus Kuhfladen.

Brennmaterial aus Kuhfladen.

Die kleinen Hotels, in denen wir an verschiedenen Orten nachts abstiegen, waren auf den den ersten Blick erstaunlich modern, was sich letztendlich aber nur auf die Rezeption beschränkte. Den Zimmern und dazugehörenden Badezimmern hätte ein Reinigung mehr als gut getan, was den in wirklich ausreichender Zahl vorhandenen Zimmermädchen anscheinend noch niemand beigebracht hatte.

Ehrengast beim Fußball

Das unglaublichste Erlebnis erwartete uns dann am nächsten Tag. Unser Fremdenführer wollte uns das Fußballspiel eines kleinen Ortes zeigen. Ich war alles andere als begeistert, da ich mit Fußball nun wirklich nichts am Hut habe. Trotz aller Proteste fand ich mich kurze Zeit später in einem Stadion wieder, welches erstaunlich groß war.

Ehrengast auf der Siegertribüne.

Ehrengast auf der Siegertribüne.

Außer den Cheerleadern, ca. 20 jungen Mädchen, war kein weibliches Wesen unter den Zuschauern zu sehen. Wir bekamen einen Ehrenplatz in der ersten Reihe zugewiesen und die Cheerleader überreichten Inge und mir eine nach der anderen je eine Gladiole, bis wir beide einen großen Strauß in den Armen hielten. Das war schon sehr seltsam, aber eine schöne Geste. Danach wurden wir nicht mehr beachtet. Nun begann das Spiel, was wie erwartet alles andere als interessant für mich war. Die männlichen Zuschauer sahen das aber natürlich anders. Kein Unterschied zu deutschen Stadien. So weit, so gut.

Im Blitzlichtgewitter

Nach dem Abpfiff brach aber etwas über uns herein, was ich nie erwartet hätte. Innerhalb von Minuten waren meine Freundin und ich umringt von fast allen Fans des kompletten Stadions. Ein Blitzlichtgewitter begann, welches auch nach zehn Minuten nicht nachließ. So ungefähr muss es sich anfühlen, wenn man berühmt ist. Peter, ebenfalls ein Freund, fotografierte mit Begeisterung ‚dagegen‘. Aber das war erst der Anfang. Es kamen einige Vereinsfunktionäre auf uns zu und baten uns auf die Siegertribüne. Dort hatten sich schon die Pressefotografen versammelt und es wurden weitere gefühlte tausend Fotos von uns mit ihnen zusammen geschossen. Ich verstand die Welt nicht mehr.

Im Pressebüro des Fußballclubs - und am nächsten Tag in der Zeitung.

Im Pressebüro des Fußballclubs – und am nächsten Tag in der Zeitung.

Aber das war noch lange nicht alles. Weitere Fotos folgten zusammen mit dem Starfußballer. Inges Aufgabe war es, aus allen gesammelten Eintrittskarten Gewinner zu ziehen und diesen dann Preise zu überreichen. Es wurde immer grotesker. Meine Aufgabe war dann, dem Starfußballer ein Kuvert mit Geld zu überreichen und bei all den Aktionen wurde ein ausführliches Händeschütteln zelebriert, welches wieder von unzähligen Fotoblitzen begleitet wurde. Es war alles surreal und ich konnte mir das Lachen kaum noch verkneifen. Nach all dem Rummel um uns wurden wir ins Pressebüro gebeten, wo uns Kaffee und Snacks serviert wurden, während die Journalisten völlig hektisch in ihre Computer tippten.

Mich würde heute noch brennend interessieren, was unser Fremdenführer diesen Menschen erzählt hat, wer wir sind. Am nächsten Tag brachte uns unser Fremdenführer die Tageszeitung mit, in welcher wir mit Bild vertreten waren. Soweit ich es mitbekommen habe, war die Überschrift: Deutsche Fans reisen an für Fußballspiel in Bangladesch. Dass ich es schon in meinen ersten Tagen in Bangladesch in die Zeitung schaffen würde, damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.

Hier geht’s zu Folge 3

Weiter geht’s mit Folge 5

 

Raushier-Reisemagazin

Ein Gedanke zu „Notizen aus Bangladesch – Teil 4

  1. Ein wirklich ereignisreichen Bericht. Du wirst immer besser.
    Ich bin glücklich mit so einer Berühmtheit befreundet zu sein.

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