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B wie Bayreuth, Biergenuss und Brauereigeschichte

So eine Bierprobe kann ganz schön anstrengend sein. All die vielen edlen Biere, die verkostet werden dürfen, all die Informationen, die gespeichert werden sollen, und natürlich all die netten Mitstreiter, mit denen man einen sehr unterhaltsamen Abend verbringt. Und das noch dazu im Jubiläumsjahr des Reinheitsgebots von 1516. Denn das älteste noch gültige Lebensmittelgesetz weltweit feiert in diesem Jahr seinen 500. Geburtstag. Wer alles probiert, was der Bier-Sommelier kredenzt, darf sich nicht wundern, wenn die Zunge mit zunehmender Zeit locker wird. Und er sollte vor allem das Auto stehen lassen. Denn der Alkoholgehalt einzelner Biere geht bis in den mittleren zweistelligen Bereich!

Ein Besuch des nagelneuen Richard-Wagner-Museums in der Villa Wahnfried muss bei einem Bayreuth-Besuch unbedingt auf dem Programm stehen. - Foto: Marketing & Tourismus GmbH Bayreuth

Ein Besuch des nagelneuen Richard-Wagner-Museums in der Villa Wahnfried muss bei einem Bayreuth-Besuch unbedingt auf dem Programm stehen. – Foto: Marketing & Tourismus GmbH Bayreuth

Bayreuth liegt im Bierland Oberfranken, und ist eine Stadt, in der es sich gut leben lässt. Wer die 72 000-Einwohner-Metropole im Nordosten von Bayern aber nur auf Richard Wagner und die jährlich stattfindenden Festspiele reduziert, macht einen großen Fehler. Denn die ursprüngliche, deftige fränkische Kost, und vor allem das süffige Bayreuther Bier geben Anlass, hier einen Stopp einzulegen.

„Bier-Erlebnis-Welt“ öffnet am 5. März

Im Frühjahr 2016 entsteht mit der „Maisel’s Bier-Erlebnis-Welt“ ein Bier-Eldorado, das in seiner Gesamtheit in Deutschland einzigartig ist und das die Besucher auf eine Reise durch vier Generationen Brautradition und Leidenschaft zum Bier mitnimmt.

Die Brauerei der Gebrüder Maisel ist ein stattlicher Backsteinbau. - Foto: Brauerei Gebr. Maisel

Die Brauerei der Gebrüder Maisel ist ein stattlicher Backsteinbau. – Foto: Brauerei Gebr. Maisel

Dem historischen Gebäude der alten Brauerei der Gebrüder Maisel wird neues Leben eingehaucht: Neben dem Biermuseum beherbergen die alten Gemäuer nun auch die „Maisel & Friends-Brauwerkstatt“. Die Kreativbrauerei ist mit einem 25 Hektoliter Sudwerk ausgestattet und direkt an das Brauhaus angeschlossen. Die neue Brauwerkstatt ist keineswegs nur für Showzwecke gedacht – in der voll funktionierenden Kleinbrauerei werden im ersten Jahr 10 000 Hektoliter gebraut werden. Die Besucher können in der Brauwerkstatt handwerkliche Braukunst und den kompletten Brauprozess live miterleben – von der Malzschroterei über Sudhaus und Gärkeller bis zur Holzfassreifung.

Die bayerische Bierkönigin Marlene Speck aus Starnberg hisste am 6. Januar die Fahne des „Bayerischen Reinheitsgebotes“, das umgangssprachlich auch als „Deutsches Reinheitsgebot“ bezeichnet wird. - Foto: Marketing & Tourismus GmbH Bayreuth

Die bayerische Bierkönigin Marlene Speck aus Starnberg hisste am 6. Januar die Fahne des „Bayerischen Reinheitsgebotes“, das umgangssprachlich auch als „Deutsches Reinheitsgebot“ bezeichnet wird. – Foto: Marketing & Tourismus GmbH Bayreuth

In der integrierten Gastronomie „Liebesbier“ (Eröffnung am 5. Februar mit einem sogenannten Soft-Opening)) sitzen die Gäste mitten in der Brauerei und können so von allen Plätzen aus den Braumeistern bei der Arbeit über die Schulter blicken. Die Besucher tauchen in die unvergleichliche Atmospäre ein aus vier Generationen Brautradition, modernem Brauhandwerk und die Leidenschaft zu außergewöhnlichen Bierspezialitäten. Tradition trifft auf Innovation und Moderne.

Für den offiziellen Eröffnungstag am 5. März ist ein großes Fest geplant, das „Bockbier meets Craftbeer“ heißen wird. Im „Liebesbier“ wird an diesem Tag die Welt der traditionellen Craftbiere mit der Welt der modernen Craftbiere vereint.

In den warmen Monaten steht den Gästen aus nah und fern noch ein großer Biergarten zu Verfügung.

Landesgartenschau vom 22. April bis 9. Oktober

Heuer gibt es noch zwei weitere Anlässe, Bayreuth einen Besuch abzustatten. Zum einen die Landesgartenschau, die vom 22. April bis 9. Oktober unter dem Motto „Musik für die Augen“ ihre Pforten öffnet. Hierfür entsteht in einem Talraum eine neue Parkanlage – die Wilhelminenaue. Benannt nach der Symbolfigur und „Gastgeberin“ der Gartenschau, Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth. Entlang des Roten Mains schlägt der Park eine Brücke zwischen historischer Innenstadt, Hofgarten und Eremitage. Mit einer Fläche von 45 Hektar hat das Areal fast die Größe einer Bundesgartenschau.

Das Stammhaus der Brauerei Maisel, hier der Fasskeller, wurde 1988 ins Guinnesbuch der Rekorde als „umfangreichstes Biermuseum der Welt“ eingetragen. - Foto: Brauerei Gebr. Maisel

Das Stammhaus der Brauerei Maisel, hier der Fasskeller, wurde 1988 ins Guinnesbuch der Rekorde als „umfangreichstes Biermuseum der Welt“ eingetragen. – Foto: Brauerei Gebr. Maisel

Und zum anderen das Richard-Wagner-Museum im ehemaligen Wohnhaus des Komponisten, der Villa Wahnfried, das nach längerem Umbau wieder geöffnet hat, und sich künftig mit einem Erweiterungsbau und drei thematischen Dauerausstellungen nach dreijähriger Bauzeit völlig neu präsentiert.

Zurück zum Bier

Traditionell ganz früh im Jahr, nämlich am 6. Januar, pflegen die Oberfranken und die angrenzenden Regionen einen Brauch, der weit verbreitet ist. Man trifft sich, um sich Stärke – im Volksmund „Stärk“ – anzutrinken. Unter „Stärk“ wird Kraft und Gesundheit verstanden. Damit die Stärke ein ganzes Jahr vorhält, sollten an diesem Dreikönigstag, für jeden Monat eines, also zwölf Seidla Bier (Seidla ist die fränkische Maßeinheit für einen halben Liter) zu sich genommen werden. Ein spezielles Starkbier versteht sich, etwa ein siebenprozentiges Bockbier. Diese Tradition entstand im 18. oder im frühen 19. Jahrhundert. Mancher Zeitgenosse mag sich – früher wie heutzutage – zwölf Seidla, also sechs Liter, über den Tag verteilt, einverleiben können, doch sollte der Genuss schon noch im Vordergrund stehen. „Biertrinken“ statt sich „betrinken“ sollte das Motto sein! Und man sollte deftig essen. Schäuferle mit Kloß beispielsweise oder Bratwürste mit Sauerkraut sind des Franken Leibspeisen.

Die höchste Brauereidichte der Welt

Bierkutscher-Führungen werden von den Bayreuth-Besuchern hervorragend angenommen. - Foto: Brauerei Gebr. Maisel

Bierkutscher-Führungen werden von den Bayreuth-Besuchern hervorragend angenommen. – Foto: Brauerei Gebr. Maisel

Oberfranken ist der bayerische Regierungsbezirk mit der höchsten Brauereidichte der Welt. Über 200 kleine und große Brauereien haben hier ihren Sitz. Tausende verschiedene Biersorten stehen im Angebot. Und die Regierungshauptstadt Bayreuth hat es sich auf die Fahne (nicht auf die Bierfahne nach allzu exzessiven Genusses) geschrieben, sich als Bier-Destination des guten Geschmacks aufzustellen. Bayreuths Brauereien sorgen mit 50 Bierspezialitäten dafür, dass der Liebhaber des schäumenden Gesöffs die Qual der Wahl hat. Zahlreiche Veranstaltungen wie Bier-Touren oder Bier-Wanderungen rund um den Gerstensaft sollen das verdeutlichen; außerdem gibt es Bierkutscher-Führungen, Braumeister-Touren oder Führungen (mit Verkostung) in Maisel’s Biermuseum (das umfangreichste der Welt) oder in den Bayreuther Katakomben, einem kilometerlangen Labyrinth. Ferner bieten die Bayreuther Gaststätten und Wirtshäuser Biermenüs an. Da dürfen dann eine Bierpraline oder ein Stückchen Bierschokolade nicht fehlen.

Das Reinheitsgebot von 1516

Ein Sammelsurium an Erinnerungen findet sich im Brauerei-Museum. - Foto: Brauerei Gebr. Maisel

Ein Sammelsurium an Erinnerungen findet sich im Brauerei-Museum. – Foto: Brauerei Gebr. Maisel

Im Jahr 1516 wurde im oberbayerischen Ingolstadt von Herzog Wilhelm IV. das Bayerische Reinheitsgebot für Bier erlassen. Danach durften fortan zum Bierbrauen nur noch Wasser, Hopfen und Gerste (also Malz) verwendet werden. Heute kommt noch die Hefe dazu. Wer dieser Anordnung nicht folgte, dem wurde das Fass „unreinen“ Bieres weggenommen. Die Brauvorschriften waren eine Reaktion auf zahlreiche Klagen über schlechtes Bier. Dabei waren die obrigkeitlichen Bierpreisfestlegungen selbst ein wesentlicher Grund für Bierfälschungen. Um ihren Gewinn trotz steigender Rohstoffpreise und unterschiedlicher regionaler Bedingungen zu sichern, reagierten viele Brauer mit einer schlechten Qualität.

Schlechte Qualität wird es heute nicht mehr geben. Viele Brauer, vor allem die jungen und Junggebliebenen, sind an einer kontinuierlichen Steigerung ihrer Produkte überaus interessiert. Vollmundige Biere sind weiter im Kommen, Bier allgemein liegt im Trend, vor allem Craft Biere. Was ist das für eine Art von Bier? Einfach ausgedrückt ist Craft Beer handwerklich (craft) gebrautes Bier (Beer). Aber: Ein extra stark gehopftes Bier ist nicht automatisch ein Craft Beer und andersrum ist ein schwach gehopftes Bier nicht unbedingt kein Craft Beer. Es geht mehr um die Unterscheidbarkeit eines Bieres von anderen Bieren. Biere mit eigenem Charakter sind Craft Biere. Ein Craft Beer ist also ein Bier, das sich von der Masse abhebt.

Eine Bierprobe der besonderen Art

Markus Raupach weiß, wovon er spricht, schließlich muss ein Bier-Sommelier ein fundiertes Wissen haben. - Foto: Brauerei Gebr. Maisel

Markus Raupach weiß, wovon er spricht, schließlich muss ein Bier-Sommelier ein fundiertes Wissen haben. – Foto: Brauerei Gebr. Maisel

Einer, der es wissen muss, ist Markus Raupach. Und jetzt sind wir wieder am Anfang dieses Artikels. Der gebürtige Bamberger ist im positiven Sinne ein Hansdampf in allen Gassen. Der 41-Jährige ist Verleger, Fotograf und Buchautor. Seit 2013 ist er Bier-Sommelier, seit 2015 Edelbrand-Sommelier. Im vergangenen Jahr zeichneten ihn der Bayerische Brauerbund und der Hotel- und Gaststättenverband mit der Goldenen Bier-Idee für die Gründung der Deutschen Bier-Akademie aus. Mit ihm eine Bierverkostung zu machen ist ein Genuss im wahrsten Sinne des Wortes.

Wir sitzen im Schalander der Brauerei der Gebrüder Maisel in Bayreuth. Schalander, das ist der Raum einer Brauerei, in dem sich die Arbeiter umziehen und während der Pausen aufhalten. Zuweilen wird heute auch der Schankraum oder Bierverkostungsraum einer Brauerei so genannt.

Der tiefgefrorene Bock hat 40 Prozent

Die neue "Bier-Erlebnis-Welt" öffnet am 5. März 2016, und wird in ihrer Gesamtheit in Deutschland einzigartig sein. - Foto: Brauerei Gebr. Maisel

Die neue „Bier-Erlebnis-Welt“ öffnet am 5. März 2016, und wird in ihrer Gesamtheit in Deutschland einzigartig sein. – Foto: Brauerei Gebr. Maisel

Und dann geht es los. Zur Stärkung gibt es fränkische Schmankerl, dazu die ersten süffigen Biere, Zwick’l, Kellerbier, ein vollmundiges Helles. Soweit so gut. Aber dann: Indian Pale Ale mit Aromahopfen, einen bayerischen Weizenbock mit Bananen- und Cassisgeschmack, ein gewöhnungsbedürftiges Sauerbier, eine Berliner Weiße mit Specknote und einen Schokoladenbock. Klasse statt Masse ist die Devise. Dazu wird Käse und Schokolade gereicht, um die Geschmacksnerven für die edlen flüssigen Produkte zu sensibilisieren. Zwischendurch wird ein tiefgefrorener Bock angezapft, dessen 40-prozentiger Inhalt in kleine Schnapsgläser tröpfelt. Bitte jetzt nur nicht auf „Ex“ austrinken, nein: In winzigen Schlückchen genießen.

Es gibt ungezählte Möglichkeiten, heute Bier zu brauen, weil es unzählige verschiedene Malzsorten gibt, die Kaffee- oder Schokoladen-Noten haben oder ein Raucharoma ausströmen, und ebenso viele ungezählte Hopfensorten und Hefearten. Wenn Markus Raupach dann noch einen auf 600 Grad Celsius erwärmten heißen Bierstachel kurz ins Glas hält und damit sachte umrührt, um den Zucker im Gerstensaft zu karamellisieren, dann läuft nicht nur der Sommelier zur Höchstform auf. Selbst redselige Biergenießer finden jetzt kaum noch Worte.

Raushier-Reisemagazin

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